Die VSG Altglienicke und Semih Keskin beenden die Zusammenarbeit. Der Trainer hatte dabei bereits seit Wochen gefehlt. Die Probleme des Berliner Clubs halten weiter an.

Im Nachhinein bekam die Abwesenheit von Semih Keskin noch mal eine besondere Note: Keine 24 Stunden nach dem 4:2-Sieg der VSG Altglienicke im Nachholspiel bei Hertha BSC II gab der Regionalligist am Mittwoch vergangener Woche die „einvernehmliche Trennung“ von seinem Trainer bekannt. Letztmals war der 36-Jährige aber Ende Februar bei einem Spiel der Nordost-Staffel öffentlich in Erscheinung getreten (2:2 in Jena) und fehlte seither offiziell krankheitsbedingt. „Es war eine lehrreiche Zeit für mich, aber wir haben sportlich nicht geliefert und sind nach einem ehrlichen und offenen Dialog auseinandergegangen – ich werde jetzt die Akkus aufladen“, erklärte Keskin in einer ersten Stellungnahme gegenüber dem „Kicker“ vergangene Woche. Bis auf Weiteres soll zunächst Assistent Dan Twardzik die Arbeit mit dem Team fortführen. Im neuen Jahr war der Erfolg bei den „Hertha-Bubis“ erst der zweite der VSG im achten Ligaspiel, beide bereits während der Abwesenheit Keskins erzielt. Bis dahin hatte man sieben Punkte weniger geholt als im gleichen Zeitraum der Vorsaison – hatte allerdings auch im vergangenen Sommer einen großen Umbruch zu verzeichnen, der 2024/25 eher eine Art „Übergangssaison“ erwarten ließ.
„Ich werde jetzt die Akkus aufladen“

Die Zwischenbilanz nach dem Jena-Spiel mit 27 Punkten aus 21 absolvierten Partien sowie Platz zehn dürfte aber selbst angesichts des personellen Schnitts zu wenig für die Ansprüche der Berliner gewesen sein. Das verdeutlichen allein die Abschlussplatzierungen der vergangenen fünf Saisons, in denen im Klassement stets mindestens das obere Drittel erreicht wurde. Die Altglienicker schauen schließlich schon länger in Richtung 3. Liga, das ist kein Geheimnis – vergangene Saison, als der Aufstieg mal wieder wie alle drei Jahre in der Nordost-Staffel ohne abschließende Relegationsspiele gegen einen weiteren Regionalmeister möglich war, verpasste man das Ziel auf Rang sechs dabei jedoch recht deutlich. Dafür hatte man sich zwischendurch sogar vom langjährigen Trainer Karsten Heine getrennt und mit Murat Salar einen „Feuerwehrmann“ für die Punktejagd sowie noch im Winter kurzfristigen Erfolg versprechende Spieler verpflichtet. Allen voran Stürmer Marvin Pourié, der schon in der 2. Liga (unter anderem TSV 1860, Karlsruher SC) gespielt und dann bei der VSG mit acht Toren in 15 Partien durchaus geliefert hat. Dennoch erwies sich der Rückstand als zu groß, denn nach verheißungsvollem Start der Aufholjagd in der Tabelle ging den Bestrebungen infolge der ersten Patzer die Luft aus.

Daher auch die Entscheidung, zur Saison 2024/25 ein neues Team aufzubauen: Die erst im Winter verpflichteten Pourié, Ebrahim Farahnak, Lino Kaufmann oder Max Kulke verließen den Verein wieder – dazu Spielmacher und Topscorer Tolcay Cigerci, Ex-Bundesligaprofi Akaki Gogia oder der drittligaerfahrene Jamil Dem. Insgesamt waren es 15 Abgänge im vergangenen Sommer und beinahe ebenso viele neue Spieler – auch auf der Trainerposition wagte man einen Neuanfang und holte Semih Keskin, der beim Ligarivalen Viktoria Berlin lange Zeit erfolgreich in der Jugend war und dort später auch den „Talentschuppen“ der Ersten Mannschaft im zweiten Jahr auf Rang drei geführt hatte. Der Auftrag an den neuen Coach: aus den vielen Neuzugängen zügig ein konkurrenzfähiges Team bilden, die Defensive angesichts von 48 Gegentoren 2023/24 stabilisieren und den Verlust an offensiver Qualität möglichst wenig spürbar halten. Mit 68 Treffern hatten es die Hauptstädter zuvor doch immerhin so oft im gegnerischen Tor klingeln lassen wie Staffelmeister und Aufsteiger Energie Cottbus. Die Defensive produzierte dann auch bald im Vergleich zur Vorsaison bessere Ergebnisse (im Schnitt ein Gegentor pro Spiel statt 1,4) – ausgerechnet ein Verletzungsproblem sorgte dabei für eine weitere Verbesserung in diesem Bereich. Denn als Stammtorwart Lino Kasten (24) nach dem sechsten Spieltag (1,2 Gegentore pro Partie) ebenso verletzt ausfiel wie Jakob Meyer (23) als Nummer zwei, holte man den vereinslosen Luis Zwick (30, zuvor Berliner AK) quasi als Aushilfe zwischen die Pfosten. Der Routinier erwies sich als Glücksgriff (in 18 Einsätzen 0,9 Gegentore pro Partie) und wurde so zur festen Nummer eins im Tor der Altglienicker. Doch der Schuh drückte die VSG in der Offensive – und zwar gewaltig. Nach 27 erzielten Treffern in 24 Spielen wurde guter Rat langsam teuer: Zwar hatte Semih Keskin von Beginn an betont, dass aufgrund des vollzogenen Umbruchs die Perfektionierung im Spiel nach vorne mehr Zeit in Anspruch nehmen werde – dass es so lange dauern würde, dürfte aber auch der Trainer nicht gedacht haben.
Bereits im Winter auf die Flaute reagiert

Im Winter hatte man dabei noch einmal auf die Flaute reagiert und gleich mehrere Spieler zurückgeholt, die schon einmal bei der VSG für die Offensive zuständig waren. Doch auch diese Idee verlief bislang im Sande: Die aus Greifswald zurückgekehrten Ali Abu-Alfa und Johannes Manske (bislang nicht beziehungsweise zweimal erfolgreich) konnten das Sturmproblem kurzfristig ebenso wenig beheben wie Antony Roczen (ein Tor, zurück aus Halle) sowie der zuvor vereinslose Malick Sanogo (ein Tor). Abdulkadir Beyazit (ein Tor, von Hertha 03) und Shean Mensah (ein Tor, von Viktoria), die Keskin noch aus seiner Zeit bei Viktoria kennt, erging es an neuer Wirkungsstätte nicht besser. Selbst gegen die zwei Klassen tiefer spielenden Spandauer Kickers tat man sich so vor 14 Tagen im Viertelfinale des Landespokals schwer – immerhin ein Wettbewerb, den der Regionalligist gern gewinnen würde, um aus der bis dato doch verbesserungswürdigen Spielzeit noch ein Erfolgserlebnis hervorzubringen. Mit Luka Parkadze (2) und Arnel Kujovic waren jedoch auch beim 3:3 nach Verlängerung keine Angreifer erfolgreich – am Ende musste der Favorit über das Elfmeterschießen ins Halbfinale einziehen. Ob sich beim 4:2 gegen Hertha II vergangene Woche (Tore: Parkadze, J. Manske, Maurice Trapp, Philip Türpitz) der Knoten in punkto Offensivprobleme gelöst hat, wird sich zeigen müssen. So gilt vorerst weiter, was VSG-Angreifer Sanogo bereits nach dem vermeintlichen Durchbruch beim 3:1 über den FC Eilenburg im März sagte: „Verteidigen können wir, leiden können wir – das haben wir heute gezeigt“, sagte der 20-Jährige, „wir müssen jetzt den Schwung mitnehmen und Tore schießen – Tore, Tore, Tore“.