Gegen den Karsruher SC gewinnt Hertha BSC zum zweiten Mal in Folge – und kann sich nun beim Spitzenreiter 1. FC Köln beweisen.

Für Stefan Leitl scheint Verdrängen zu den durchaus legitimen sportpsychologischen Maßnahmen zu zählen – unlängst hatte er zur misslichen Lage von Hertha BSC etwa noch kategorisch formuliert: „Ich will nicht vom Abstiegskampf reden: Wir wollen die Klasse halten, und wir werden die Klasse halten.“ Vor dem Spiel zu Hause gegen den Karlsruher SC hatte er sich nun zur Frage, wie denn die Heimschwäche seines Teams in den Griff zu bekommen sei, so geäußert: „Indem man nicht darüber spricht.“ Wenn beide Thematiken nach diesem Verfahren erfolgreich gelöst sein werden, wird der Trainer jedenfalls alles richtig gemacht haben – und Hertha BSC scheint diesbezüglich auf einem guten Weg zu sein.
Erster Dreier im eigenen Stadion
Das 3:1 vergangenen Samstag über den KSC bedeutete jedenfalls eine weitere Befreiung aus dem Tabellenkeller dank des zweiten Siegs in Folge – und den ersten Dreier im eigenen Stadion seit Oktober 2024. Der „Befreiungsschlag“ des 5:1-Siegs in Braunschweig vor der Ligapause fand somit seine Bestätigung, auch wenn Sportdirektor Benjamin Weber mahnte: „Es waren jetzt zwei Siege – wir dürfen uns nicht blenden lassen.“ Mann des Nachmittags war einmal mehr Fabian Reese, der wie schon 14 Tage zuvor als Doppeltorschütze in Erscheinung trat. Analog zur Partie in Braunschweig traf Herthas Unterschiedsspieler auch wieder mit dem ersten Abschluss auf das gegnerische Tor zur Führung – diesmal nach einer guten Viertelstunde aus etwa 15 Metern. Reese hätte dabei sogar noch für die 2:0-Halbzeitführung sorgen können, war aber in der betreffenden Szene von der „Vorlage“ des KSC-Verteidigers David Herold offenbar zu überrascht.
Doch das sollte zunächst nichts ausmachen, denn kurz nach Wiederanpfiff nutzte der 27-Jährige eine misslungene Rückgabe von Franke mit einem Heber eiskalt zum 2:0. Reese und Márton Dárdai ließen zwei weitere Gelegenheiten gegen nun taumelnde Gäste aus – die waren nach vorne bis dahin nicht in Erscheinung getreten, kamen dann aber doch unverhofft zum Anschlusstor. Nach einer Fehlerkette in der Defensive war Toni Leistner zu spät im Zweikampf mit Robin Heußer und verursachte einen Foulelfmeter, den Marvin Wanitzek zum 2:1 nutzte. Der Treffer verdeutlichte dabei, dass das Berliner Selbstvertrauen noch nicht so unerschütterlich ist, dass es derartige Rückschläge zu ignorieren weiß – wie auch KSC-Trainer Eichner erkannte: „Ab dem Zeitpunkt hatte Hertha ein bisschen was zu verlieren, hatten sie ein bisschen was im Kopf.“ Jedenfalls stand der bereits am Horizont winkende, unangefochtene Sieg plötzlich phasenweise auf tönernen Füßen – der KSC ließ jedoch im weiteren Verlauf drei, vier gute Torchancen ungenutzt, ehe Luca Schuler in der vorletzten Minute eine Vorlage des ebenfalls eingewechselten Marten Winkler zum 3:1-Endstand für die Berliner nutzen konnte. Und so feierten die Fanlager letztlich beide Mannschaften und dazu die gemeinsame Freundschaft auch nach dem Abpfiff.
Klar war dabei vor der Aufgabe am vergangenen Samstag, dass der in den Medien formulierte „Befreiungsschlag“ des 5:1-Siegs in Braunschweig vor der länderspielbedingten Ligapause nur dann wirklich ein solcher wäre, wenn man gegen den KSC einen Dreier nachlegt. Denn zu einer sorgenfreien Restsaison gehört auch die deutliche Verbesserung der Heimbilanz: Nur zwei Siege in zwölf Partien im Olympiastadion – Ende August 2024 gegen Jahn Regensburg (2:0) und Mitte Oktober gegen Eintracht Braunschweig (3:1) – bedeuteten die Rote Laterne in der Heimtabelle.
Akribische Journalisten, die sich in die Untiefen der Vereinsstatistiken begeben hatten, fanden dazu heraus, dass Hertha BSC in seinen 15 Zweitligasaisons zu diesem Zeitpunkt zu Hause noch nie eine schlechtere Bilanz aufzuweisen hatte – nicht einmal in der Abstiegssaison 1985/86. „Natürlich ist die Sehnsucht groß nach einem Heimsieg, gerade vor solch einer Kulisse“, beschrieb Herthas Trainer seine Gefühle vor dem KSC-Spiel. Schließlich hatte Leitl selbst seit seinem Amtsantritt aus zwei Partien im eigenen Wohnzimmer nur einen Punkt geholt – wollte die Duelle mit Nürnberg (0:0) und Schalke (1:2) aber zumindest richtig eingeordnet wissen: „Die Leistung der Mannschaft war schon so, dass man nicht nur einen Punkt holt, sondern sechs möglich waren – gegen Schalke haben wir das Spiel vor allem in der zweiten Halbzeit extrem dominiert.“ Doch damit hatte er indirekt auch den Finger in die Wunde gelegt, denn die Effektivität blieb mit Ausnahme des deutlichen Erfolgs vor der Ligapause auch unter Leitl zunächst ein Kardinalproblem.
Demme rückt auf alte Position

Für eine Änderung der Aufstellung gegenüber dem Braunschweig-Spiel gab es zumindest taktisch jedoch keinen Anlass – sogar der wegen Oberschenkelproblemen im Trainingsbetrieb zwischenzeitlich pausierende Jonjoe Kenny bestritt die abschließende Einheit am Freitag in vollem Umfang und wurde deshalb für einsatzbereit befunden. Dafür reichte es dann allerdings nicht für Pascal Klemens, der mit einer Hüftverletzung von der U20-Nationalmannschaft zurückgekehrt war und aussetzen musste – eigentlich hatte er in der Ligaunterbrechung bei Hertha mittrainieren sollen, wurde von DFB-Coach Hannes Wolf aber aufgrund eines kurzfristigen personellen Engpasses nachnominiert.
Auf die dadurch in der Hertha-Elf vakante Position im zentralen defensiven Mittelfeld rückte deshalb Routinier Diego Demme, der wegen der Folgen einer Gehirnerschütterung 2024/25 lange Zeit ausgefallen war und dadurch seinen Stammplatz an Klemens verloren hatte. Wie lange der 20-Jährige ausfällt, blieb vorerst unklar – in jedem Fall droht Hertha BSC ausgerechnet im Auswärtsspiel bei Spitzenreiter 1. FC Köln am Samstagabend ein veritables Problem in der Abwehrzentrale. Denn weil Márton Dárdai gegen den KSC wegen eines Fouls die zehnte Gelbe Karte sah und Linus Gechter vom anschließenden Freistoß einen „Brummschädel“ davon- trug, steht mit Toni Leistner wohl nur ein nomineller zentraler Abwehrspieler zur Verfügung. So könnte die Stunde von Andreas Bouchalakis schlagen, der es 2024/25 in der Liga nur zu drei Kurzeinsätzen gebracht hat. Im Achtelfinale des DFB-Pokals war der griechische Natonalspieler außerdem zur Verlängerung eingewechselt worden, konnte das Aus von Hertha BSC in Unterzahl aber auch nicht verhindern – der Gegner im Dezember 2024 hieß: 1. FC Köln.