Wie die amtierende Bürgermeisterin für mehr Lebensqualität sorgt
Ob Anne Hidalgo – seit 2014 sozialistische Bürgermeisterin von Paris mit spanischen Wurzeln – je vom deutschen Dichterfürst Friedrich Schiller gehört, respektive sein berühmtes Gedicht von der Glocke gelesen hat, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall hat sie es verinnerlicht, denn seit wenigen Jahren gestaltet sie die Metropole der Seine nach schillerschen Romantik-Idealen: „Das Auge sieht den Himmel offen, Es schwelgt das Herz in Seligkeit. O! dass sie ewig grünen bliebe, die schöne Zeit der jungen Liebe!“
Hidalgo hat für sich in diesem Vers an die Stelle von „Zeit“ das Wort „Stadt“ eingesetzt, und sie hat sich genau das als Ziel in ihrer in diesem Jahr zu Ende gehenden zehnjährigen Amtszeit gesetzt: Paris soll ergrünen! Nach dem Motto: mehr Bäume, weniger Verkehr. Ein Wunsch, den viele deutsche Stadtoberhäupter für ihre Kommunen auch haben, meist aber am und im Moloch Autoverkehr stecken geblieben sind.
Nicht so Bürgermeisterin Hidalgo. Paris ist ergrünt. Viele Straßen säumen zu dieser Jahreszeit blühende Büsche und Bäume, frühlingshafte Blumenbeete, flanierende Menschen, Mütter mit Kinderwagen und/oder spielenden Kindern. Kurz: eine Idylle. Paris ist in einigen der 20 Arrondissements bereits so etwas wie ein Paradies, weil alles ohne Autoverkehr abläuft. Es wummert nichts mehr und es stinkt nicht mehr, Paris ist merklich ruhiger und wohlriechender geworden, sagen Anwohner. Und das, obwohl Paris bis vor wenigen Jahren eine Autostadt war, mit oberster Priorität für den individuellen motorisierten Verkehr.
Bürgermeisterin Anne Hidalgo hat Paris radikal verändert, hat den Autoverkehr gegen viele Widerstände zurückgedrängt. Inzwischen gibt es autofreie Uferstraßen an der Seine, ein Elysium für Jogger und Spaziergänger; 1.400 Kilometer Radwege, mit denen Hidalgo ihren Bürgern „aufs Rad „ geholfen hat, zahlreiche graue Straßen wurden begrünt, die betreffenden Stadtviertel „gartifiziert“. Immer dem Leitbild dem „Village fleuri“ nacheifernd, das heute zahlreiche Ortsschilder in den französischen Provinzen ziert. Zurzeit lässt Hidalgo auf dem großen Rathausplatz vor dem „Hôtel de Ville“ einen Wald anpflanzen.
Das Vorgehen war immer das gleiche: Eines Morgens kommen Bauarbeiter, reißen den Asphalt auf, heben lange Beete aus, in die sie Wasserleitungen legen. Danach erscheinen die Gärtner und die „Baumschullehrer“ und pflanzen Blumen und Bäume. Wenn alle ihr Werk vollbracht haben, ist der Teil, der zuvor für den Autoverkehr gedacht war, nur noch halb so breit – und fast alle Parkplätze sind weg. Junge Familien sind glücklich, Krückengeher und Menschen mit Rollatoren ebenfalls – soweit sie nicht aufs nahe Auto angewiesen sind. Dafür können sie aber mit ihresgleichen umso mehr die Terrassen der Bars und Restaurants genießen, die breiter, grüner und vor allem leiser geworden sind.
Von den Besitzern dieser Lokalitäten hat Hidalgo volle Unterstützung. Doch es gibt teils auch heftige Kritik – trotz aller Verdienste, die sich Hidalgo für Paris als perfekte Gastgeberin der Olympischen Sommerspiele im vergangenen Jahr erworben hat. Autofahrer halten die Bürgermeisterin für eine Autohasserin und hassen zurück, Ladenbesitzer der begrünten Straßen beklagen Umsatzeinbußen wegen ausbleibender Autokunden, und Anwohner leiden unter „dauernden bauarbeitenden Verschönerungstrupps“. Man kann es eben nicht allen recht machen.
Doch Anne Hidalgo macht auch in ihrem letzten Amtsjahr weiter. Nach den jüngsten Verkehrsberuhigungsplänen, die aktuell zur Abstimmung der Pariser gestellt werden – Ausgang vorhersehbar zustimmend –, sollen weitere 500 Straßen begrünt und zu mehr oder weniger exklusiven Fußgängerzonen gemacht werden. Auf diesem Weg zur „Ville jardin“ fallen dann weitere 10.000 Parkplätze weg.
Ob Paris ohne Verkehrslärm und Gestank dann immer noch als Welt-Metropole wahrgenommen wird? Es macht auf jeden Fall Lust, sich vor Ort ein eigenes Bild davon zu machen! Ganz ohne Auto wird es vermutlich nicht gehen, aber mit sehr viel weniger bestimmt.