Gegen Darmstadt verpasste Hertha BSC den vierten Sieg in Folge. Auf das Remis soll in Ulm nun aber der nächste Schritt zum Klassenerhalt gelingen.

Ausgerechnet Toni Leistner hätte am vergangenen Samstag in der Nachspielzeit beinahe für den Ausbau der Siegesserie von Hertha BSC gesorgt: Dem 34-jährigen, stämmigen Innenverteidiger war im dicht besetzten gegnerischen Strafraum der Ball zugeflogen. Dann hatte er nicht nur die Idee eines Stürmers, sondern setzte diese auch noch verblüffend versiert in die Tat um: Den Ball mit dem rechten Fuß über einen Darmstädter Gegenspieler gelupft und dann mit links direkt abgezogen. Doch zum Leidwesen des größten Teils der knapp 47.000 Zuschauer im Olympiastadion klatschte der Ball an den Innenpfosten und sprang wieder ins Feld heraus. So blieb es beim 1:1-Unentschieden, das allerdings als leistungsgerecht bezeichnet werden musste – beide Teams machten es sich dabei durch ordentliche Arbeit gegen den Ball in der Offensive schwer, doch die Gäste präsentierten sich unter dem Strich sogar etwas spielstärker. Fünfmal waren diese zuvor in der Fremde leer ausgegangen und spürbar heiß darauf, diese Serie zu beenden – doch es bedurfte schon eines Patzers des ansonsten starken Tjark Ernst, um in Führung zu gehen. Kurz nach der Pause hatte Herthas Torwart einen flachen Distanzschuss von Nürnberger nach vorne prallen lassen und Lilien-Torjäger Lidberg staubte zum 0:1 ab. Der Rückstand half den Berlinern immerhin etwas auf die Sprünge, auch wenn die beiden Spitzen Fabian Reese und Derry Scherhant an diesem Nachmittag im Gegensatz zu den Spielen zuvor eher blass bleiben sollten. So übernahm mit Vukotic auch ein Darmstädter Verteidiger das Ausgleichstor, als er eine Eingabe von Marten Winkler nach einer guten Stunde ins eigene Tor grätschte. Bis zur anfangs erwähnten Szene in der Nachspielzeit blieb es das allerdings auch bezüglich der erwähnenswersten Offensivsituationen von Hertha BSC – womit auch der vierte Sieg in Folge, der zuletzt in der Zweitligasaison 2012/13 gelungen war, nicht gelingen sollte. „Man hat gesehen, dass beide Mannschaften dem Gegner sehr wenig Tiefe gegeben haben und wir in den Umschaltaktionen auch nicht so sauber waren, um den richtigen Ball zu spielen – dadurch haben wir Fabian heute leider nicht so in die Show bekommen“, analysierte Stefan Leitl nach dem Spiel, wieso Reese diesmal nicht wie gewohnt zur Geltung kam. Dennoch war Herthas Übungsleiter nicht unzufrieden. „Nach dem 0:1 haben wir das Energie-Level deutlich nach oben gepackt, die Reaktion war gut“, sagte Leitl.
Fehlen zweier Stammkräfte
Spätestens nach dem dritten Sieg in Folge hat sich dabei um den neuen Trainer im blau-weißen Teil Berlins bereits ein Hype entwickelt, der so ganz im Widerspruch zu der Persönlichkeit von Stefan Leitl steht. Eher der Typ „akribischer Fußball-Nerd“, verbreitet der 47-Jährige mehr Bodenhaftung als Glamour – doch der Erfolg, sofern zu diesem Zeitpunkt schon davon gesprochen werden darf, weckt Euphorie. Statistiken wie Platz zwei in der „Leitl-Tabelle“ (also die der 2. Liga seit seinem Amtsantritt am 23. Spieltag) will der gebürtige Münchener dabei aber gar nicht erst kommentieren. Für ihn spricht eindeutig, dass er denselben Spielern, die unter Vorgänger Cristian Fiél von Woche zu Woche, von Halbzeit zu Halbzeit ein unterschiedliches Gesicht zeigen konnten, den Weg zur Kontinuität auf höherem Niveau beigebracht hat. Dazu zählt auch, dass er ihnen noch mal die Charakteristika des Fußballs in der 2. Liga vor Augen geführt hat und nicht abgehoben ein System des dominanten Ballbesitzfußballs propagiert. Diese Umstellung funktioniert immer besser – und zwar mit niedrigeren Werten bezüglich Ballbesitz, aber stärkeren in der Zweikampfquote oder bei den Sprints. Schon ist das geflügelte Wort von der neuen „Leitl-Kultur“ an der Spree in aller Munde – die ersten Erfolge hat die strapazierte blau-weiße Fanseele jedenfalls förmlich aufgesaugt. Allein: Es geht eben nur noch um den möglichst schnell zu fixierenden Klassenerhalt. Und da zeigte sich, dass die zehn Punkte aus vier Partien Gold wert waren, weil zuletzt einige Clubs im Tabellenkeller zum Teil unerwartete Erfolge feiern konnten.

Auch in Bezug auf das Heimspiel gegen Darmstadt 98 war Stefan Leitl dabei gefragt, was Problemlösungen angeht. Das Fehlen zweier gelbgesperrter Stammkräfte – Rechtsverteidiger Jonjoe Kenny und Mittelfeldspieler Michael Cuisance – sorgte jedenfalls für Planspiele, weil der Coach auch ungewöhnliche Ansätze einbezieht. Denn angesichts der Rückkehr von Marton Dardai nach seiner Sperre schien die Umstellung im Team eigentlich auf der Hand zu liegen: Der Innenverteidiger würde wieder links in der Dreierkette spielen und Deyovaisio Zeefuik die Aufgabe des rechten Schienenspielers an Stelle von Kenny übernehmen. Auf dieser Position ist der Niederländer ohnehin zu Hause – wenn er dort auch aufgrund seiner Vielseitigkeit in dieser Saison selten aufgeboten worden war, weil auf der linken Außenbahn längere Zeit größere Personalnot herrschte. Bis er angesichts der Ausfälle von Dardai und Pascal Klemens (Hüftprobleme) vom Trainer ausgerechnet im Spiel bei Spitzenreiter 1. FC Köln auf der Position links in der Dreierkette das Vertrauen geschenkt bekam. Allein angesichts der Tatsache, dass der 1,78 Meter große Zeefuik über zehn Zentimeter weniger mitbringt als seine Mitstreiter auf letzter Linie (in dem Fall Linus Gechter und Leistner), warf Leitls Entscheidung dabei Fragen auf. Doch mit Kampfgeist, Sprungkraft und seinem taktischen Verständnis lieferte der 27-Jährige in der Dreierkette nicht nur solide Arbeit ab – er fand auch noch die Zeit, den für ihn auf die linke Seite ins Team gerückten Marten Winkler immer wieder während der Partie zu coachen. Auch deswegen hatte Leitl in Erwägung gezogen, die in Köln erfolgreich operierende Kette gegen Darmstadt personell nicht zu verändern. Letztlich entschied er sich dann aber doch für die „konventionelle“ Lösung in der Defensive – und auch beim wichtigen Spiel in Ulm am Ostersonntag wird der Trainer wieder umbauen müssen, denn mit Ibrahim Maza fehlt ihm dort ein Kreativspieler wegen der fünften Gelben Karte. Dafür könnten Rückkehrer Cuisance, Diego Demme und der gegen Darmstadt in die Startelf gerückte Kevin Sessa gemeinsam in der Schaltzentrale das Zepter schwingen. Allemal lautet der Auftrag an der Donau, mit einem Sieg als erstem Teilschritt zum Klassenerhalt den direkten Abstiegsplatz endgültig aus den Rechenspielen streichen zu können.