Die künftigen Koalitionäre haben sich auf die Einrichtung eines eigenen Digitalministeriums verständigt. Das könnte ein schlankes Ministerium sein, aber mit starken Durchgriffsrechten, sagt Stefan Heumann, Geschäftsführer des Thinktank Agora Digitale Transformation.
Herr Dr. Heumann, noch im Februar haben Sie im FORUM-Interview ein Digitalministerium gefordert, dies wird kommen, waren Sie da bei den Koalitionsverhandlungen involviert?
Nein, wir als Think-Tank waren nicht direkt beteiligt. Aber unsere Expertise war sicherlich relevant. Wir haben in mehreren Studien herausgearbeitet, was ein Digitalministerium braucht, um erfolgreich arbeiten zu können. Im Digitalministerium liegt eine große Chance. Denn Digitalisierung ist ja kein neues Thema. Bereits die Ampel-Regierung hat einen „digitalen Aufbruch“ und Staatsmodernisierung versprochen. Am Ende war aber niemand am Kabinettstisch verantwortlich dafür, das auch abzuliefern. Das ändert sich jetzt endlich.
Das heißt dann auch für Sie, sie haben zukünftig einen konkret zuständigen Ansprechpartner, beziehungsweise, wie spekuliert wird, eine Ansprechpartnerin?
Da müssen Sie Herrn Merz fragen. In Berlin kursieren bereits Listen, wer welchen Posten bekommen soll. Ich möchte mich nicht an diesen Spekulationen beteiligen. Nur so viel: Auf Länderebene gibt es bereits Erfahrungen mit dem Aufbau von Digitalministerien, wie zum Beispiel in Hessen und Bayern. Wir brauchen auf jeden Fall einen Minister oder Ministerin mit Fachkompetenz und Gestaltungswillen. Das ist für den Erfolg entscheidend. Nicht gut wäre, wenn es am Ende eine Person wird, die eigentlich ein anderes Ministerium haben wollte.
Worüber wird das zukünftige Ministerium für Digitales und Staatsmodernisierung entscheiden?
Digitalisierung ist ein Querschnittsthema, das alle Fachbereiche betrifft, vom Gesundheitsministerium mit der elektronischen Patientenakte über das Bildungsministerium mit dem Digitalpakt für die Schulen bis hin zu digitalen Fähigkeiten von Polizei und Bundeswehr, was wiederum Aufgabe des Innen- beziehungsweise Verteidigungsministeriums ist. Da scheint es erst mal widersprüchlich, ein Ministerium für Digitalisierung verantwortlich zu machen. Die Aufgabe des Digitalministeriums ist es daher auch nicht, diese ganzen Aufgaben zu übernehmen. Vielmehr soll das Ministerium Kohärenz in die Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung bringen. Es müssen einheitliche Standards definiert, und vor allem Entwicklung und Einkauf von IT-Lösungen müssen zentralisiert werden. Im Moment sind die Ministerien selbst für ihre IT und digitale Lösungen verantwortlich. Das führt dann dazu, dass Dinge doppelt entwickelt werden oder Insellösungen gebaut werden, die mit den anderen Regierungssystemen nicht kompatibel sind. Hiermit muss endlich Schluss sein. Hierfür muss das neue Ministerium sorgen. Und hier liegt auch großes Einsparpotenzial, wie unsere Analyse der Digitalausgaben der Bundesregierung zeigt. Keiner hat zurzeit einen Überblick über die vielen Digitalisierungsprojekte in den einzelnen Ministerien und ihre Kosten. Darum braucht es auf jeden Fall diese Budgetkontrolle, bei dem das Digitalministerium Standards definiert, die eingehalten werden müssen, wenn neue Projekte gestartet werden.
Das würde bedeuteten, dass die Digitalisierung zentral über ein Ministerium läuft?
Ja, genau das ist notwendig. In jedem Unternehmen werden IT-Ausgaben zentral gesteuert. Das muss auch in der Bundesregierung so sein. Nur so kann die Bundesregierung auch ihre eigenen Ziele konsequent verfolgen, wie zum Beispiel die Förderung und Nutzung von Open Source Lösungen. Basierend auf dieser strategischen Entscheidung würde das Digitalministerium in Zukunft prüfen, ob Open Source Vorgaben eingehalten werden, und nur dann würden Mittel für die Entwicklung oder den Einkauf frei geben. Das ließe sich über ein Digitalbudget steuern. Zusätzlich braucht es dann auch eine starke Digitalagentur, die den Prozess umsetzt. Denn hierfür braucht es hohe IT-Fachkompetenz und Erfahrungen im Projektmanagement. Hierfür sind Ministerialbeamte gar nicht ausgebildet. In der Folge werden mit hohen Kosten viele Berater reingeholt, weil die Ministerien nicht ausreichend Kompetenzen und Ressourcen haben, solche IT-Projekte zu steuern. Darum braucht es eine starke Digitalagentur, die dann die IT-Projekte entweder selber entwickelt oder den Auftrag erteilt. Andere Länder, zum Beispiel Dänemark, zeigen, wie erfolgreich so ein Modell sein kann.
Es braucht also nicht nur ein Digitalministerium, sondern auch noch eine Digital-Agentur?
Das Ministerium würde politische Ziele definieren und die Gesetzgebungsverfahren verantworten. Das sind die klassischen Kernkompetenzen eines Ministeriums. Hierfür braucht es auch nicht viel Personal. Operative Tätigkeiten zur Umsetzung wie zum Beispiel die Entwicklung einer technischen Infrastruktur für die Registermodernisierung oder die Definition technischer Standards für digitale Identitäten sollten an die Digitalagentur abgegeben werden, wo das nötige technische Know-how sitzt.
Also ein privatwirtschaftliches Unternehmen?
Das gängigste Modell dafür wäre eine Bundes-GmbH, also ein Unternehmen im Staatsbesitz. Es wäre dann, was man „Inhouse-fähig“ nennt, es könnte also ohne langwierige Vergabeverfahren direkt vom Bund beauftragt werden. Die Digitalagentur könnte damit schnell auf Aufträge und Anforderungen reagieren und hätte den Vorteil, dass man eben auch nach marktwirtschaftlichen Kriterien agieren kann. Das ist vor allem für das Recruiting relevant. Denn gute IT-Spezialisten sind teuer, und agile Arbeitsmethoden der Software-Entwicklung, die sie gewohnt sind, lassen sich nicht gut mit hierarchischen Strukturen in Ministerien in Einklang bringen. Bei Vergütung, Personalmanagement und Organisationsstrukturen kann eine Bundes-GmbH ganz anders als ein Ministerium oder eine Bundesbehörde agieren. Darauf kommt es an.
Das heißt aber auch, dass das Digitalministerium eine ziemliche Macht innerhalb der zukünftigen Bundesregierung haben würde?
Ja selbstverständlich braucht das Digital-Ministerium starke Kompetenzen. Die Koalitionäre haben versprochen, die Themen gemeinsam voranzubringen. Hierfür müssen sie nun auch die richtigen Instrumente schaffen und aus dem alten Muster der Ressortegoismen ausbrechen. Ein starkes Digitalministerium mit Durchgriffsrechten gegenüber der gesamten Regierung wäre das richtige Signal, dass man Dinge wirklich verändern und besser machen will. Denn eine weitere Legislaturperiode mit großen Versprechen, aber wenig Fortschritten können wir uns wirklich nicht mehr leisten.