Warum ein Kleingärtner nie rastet – auch nicht im Winter
Ein Glück, wer sich jetzt Kleingärtner nennen kann und seinen Garten direkt neben der eigenen Wohnstätte hat. Dort, in meinem „safe space“, ist Platz für Gedanken der Milde und Güte, aber keiner für die kalte Welt da draußen. Während außerhalb meines Gartens allerhand Kriege geführt werden – gegen die Ukraine, im Nahen Osten oder um die Rohstoffe des Kongo – und in manchen Ländern sehr unsympathische Menschen die Regierungsgeschäfte führen, herrscht in meinem gärtnerischen Kosmos eine schier nie enden wollende Fülle an Sonnenschein, angenehmen Temperaturen und immer wieder neu hervorsprießenden Frühlingsgefühlen.
In meinem Garten ist die Welt in Ordnung und die Harmonie hat ein stabiles Zuhause. Pünktlich zur neuen Gartensaison habe ich bereits mehrere Reihen Dicke Bohnen und Zuckererbsen gelegt, die ab der zweiten Junihälfte reif sein werden. Dann ist die Eiweißversorgung mit frischem Gemüse gesichert. Und zu Hause auf der Fensterbank habe ich in Blumentöpfen Samen von verschiedenen Salatsorten, Gurken und Zucchini zum Vorziehen ausgebracht. Das gibt zwar immer familiären Stress, weil ein paar Krümel Erde zu viel weder im Blumentopf noch in den sonstigen Gefäßen auf der Fensterbank landen, sondern sich in Divisionsstärke im Haus verirren.
Währenddessen sehe ich aber auf meinem inneren Bildschirm, der weder digital noch analog ist, bereits die künftige blühende Landschaft meines kleingärtnerischen Universums vor mir. Vorbildlich und makellos wird dann alles sein, einfach perfekt. An uns Kleingärtnern wird schlussendlich die Welt genesen.
Bohnen wie Erbsen sind keine Starkzehrer, kommen also auch mit nicht ganz so nährstoffreichem Boden klar. Insbesondere Dicke Bohnen lassen sich mit wenig Aufwand kultivieren. Ab und an ein bisschen Wasser und Freihacken von unerwünschten Kräutern reichen aus. Vorausgesetzt natürlich, in den Boden wurde – optimalerweise im letzten Frühjahr – ordentlich Kompost eingearbeitet. Sie gehören zur Sorte der Leguminosen und haben die wunderbare Eigenschaft, an ihren Wurzeln das in der Luft reichlich vorhandene Element Stickstoff (N) einzulagern. Deshalb empfiehlt es sich, nach der Ernte die Wurzeln dieser Pflanzen und damit den dort befindlichen Stickstoff im Boden zu lassen. Die nächste Kultur dankt es einem mit gesteigertem Wachstum und Ertrag. Das war jetzt ein kurzer Ausflug in die Welt der ökologischen Kreislaufwirtschaft. Nicht alles, was Ökos predigen, ist von schlechten Eltern. Manchmal liefern sie unsereinem wirkliche Perlen auf den Gartentisch. Dann sollte man zugreifen und den Moment der Eitelkeit den Dummen überlassen.
Hinter all dem, was gerade im Garten passiert, steckt selbstredend ein großer strategischer Plan, der über Nacht das Licht der Gartenwelt erblickte. Ja, es stimmt schon, im zurückliegenden Winter sind keine Pflanzen gewachsen, was aber nicht heißt, dass wir Kleingärtner keine Arbeit hatten. Zum einen muss man jetzt tun, was man im Herbst wider besseres Wissen nicht erledigt hat – ein bisschen arg viel umgraben, Pflanzenreste entfernen und Kompost einarbeiten. Das ist zwar gut für den Boden, aber schlecht für den Rücken. Und zum anderen heckte ich bereits seit Weihnachten die großen kleingärtnerischen Pläne für die Aussaat für das jetzt startende Frühjahr aus.
Da brauchte es viel Überlegung, enorme Rechenkapazitäten in meinem Kopf und natürlich den strategischen Weitblick eines Kleingärtners. Ich habe im Winter unentwegt gearbeitet, auch wenn das von außen nie zu erkennen war. Ein Kleingärtner rastet nie, deshalb setzt er auch keinen Rost an. Das hat schon Neil Young erkannt, als er in einem seiner Songs auf der legendären Scheibe „Rust never sleeps“ der Menschheit die grandiose Zeile „Rock ’n’ Roll will never die“ schenkte. Wir Kleingärtner sind wie Rock ’n’ Roller. Unsereins arbeitet immer, für uns und für die Menschheit. Ohne uns hättet ihr da draußen nichts zu essen und keinen Rhythmus in eurem Leben. Seid uns dankbar und seid nett zu uns.