In der Stralsunder Altstadt macht Verena Klette Schmuck und Kunst. Schmiedet mit glücklichen Paaren ihre Trauringe – aber schmilzt sie wenn nötig auch wieder ein. Für getrennte Paare bietet sie sogar Workshops an.

Ihr Atelier liegt nicht weit vom Wasser, in der Heilgeiststraße in Stralsund. Möwen kreischen, Touristen laufen an der geöffneten Tür vorbei. Im vorderen Teil stellt Verena Klette, 47 Jahre alt, ihre Arbeiten aus und verkauft Ringe, Armbänder, Anhänger. Und Kunst, die mit herkömmlichem Schmuck nicht allzu viel zu tun hat. Im hinteren Teil des Ladens arbeitet sie an der Werkbank, mit Hammer, Lötrohr, Feilen und Zangen.
Als Kind in Stralsund in den Achtzigern und Neunzigern, umgeben von alten Gebäuden, manche im Begriff, zu verfallen, war sie fasziniert davon, Dinge wieder heil zu machen. Ihnen ein neues Gesicht und Leben zu geben. „Ich habe die Kataloge geliebt, die mein Vater aus der Baustofffirma mitbrachte, für die er arbeitete, und habe selber viel gebaut und gebastelt.“
Kunstwerke als Kommentare
Restauratorin wollte sie werden, erst aber ein Handwerk lernen, egal welches. Und schrieb Mitte der 1990er-Jahre, auf dem Höhepunkt der Verunsicherung der Nachwendejahre, über hundert Bewerbungen. Eine einzige Zusage kam, von einer Goldschmiede auf Rügen. „Die hatten das ganz klassische Programm: Angekaufter Industrieschmuck, dazu Umarbeitungen, Reparaturen und ein paar eigene Anfertigungen.“ Was sie dabei an „Arbeit und Denkweise“ mitbekam – auf der Hochschule Pforzheim hat sie gelernt, genau das zur Seite zu schieben, um Schmuck „anders und neu zu denken“.
Das Handwerk ist immer noch Grundlage ihrer Arbeit. Aber Verena Klettes Laden heißt „renitent“. Und das ist auch so gemeint. Das „klassische Programm“ ihres Lehrbetriebs bietet sie jedenfalls nicht an. Stattdessen eigenwilligen Schmuck, der Klassiker nicht nachmacht, sondern zitiert. Wie die Schmuckserie „Memoire“. Ohrschmuck, Broschen und Ringe, die an Brillanten erinnern. Oder ein Ring, der aus zwei miteinander verbundenen Ringen unterschiedlicher Materialien besteht.
Dazu Kunstwerke: Broschen, die vom Klimawandel bedrohte Inseln abbilden, die mit einer Kippbewegung „geflutet“ werden können. Blei-Projektile, die zu einer Halskette nach Art der traditionellen hawaiianischen Halsketten miteinander verbunden sind. „Make Love Not War“ heißt das Werk. „Der Anstoß ist immer ein Gedanke, etwas, das ich lustig finde oder kritisch sehe. Und dazu entsteht dann in meinem Kopf eine Idee.“ Ihre Kunstwerke wirken wie Kommentare zum Welt-, manchmal auch zum Stadtgeschehen.
Ein großer, 300 Jahre alter Backstein mit schwerer Kette in einem übergroßen Messingcollier, soll zum Beispiel zugleich Erbstück wie Erblast sein und ist ihr Beitrag zur Debatte um das äußere Erscheinungsbild von Stralsund. „Ich würde mir da weniger Verbissenheit wünschen. Statt zu versuchen, die Geschichte exakt nachzubilden, bräuchte es sehr viel mehr Mut für eine sinnvolle Verbindung von Altem und Neuem“, sagt sie. Der Backstein und viele andere Kunstwerke waren Teile von Ausstellungen. Wettbewerbe hat sie auch gewonnen, mit den Klimawandel-Broschen zum Beispiel den Wettbewerb der Galerie „Friends of Carlotta“ in Zürich.
Von Zeit zu Zeit teilt sie die Werkbank für einen halben Tag mit Paaren, die sich unter ihrer Anleitung Ehe- oder Partnerringe schmieden oder gießen. „Man merkt dabei natürlich schon die Dynamik in der Beziehung, die Konfliktlinien. Wer hat vermeintlich die Hosen an und wer ordnet sich eher unter?“ Nach ihrer Beobachtung sind das eher die Männer, vielleicht auch weil Schmuck als weibliche Domäne wahrgenommen wird. Meistens mache jeder der beiden seinen eigenen Ring, manche Paare vereinbarten aber auch zu tauschen – und guckten sich dann nicht selten kritisch über die Schulter: „Machst du das auch richtig?“ „Ich hab schon erlebt, dass dann wieder zurückgetauscht wurde, weil einer von beiden nicht so zufrieden mit dem Ergebnis war“, sagt sie.
„Ringe einschmelzen ist das stärkste Bild“
Erst neulich hatte sie ein Paar da, beide waren schon über 70, die sich einfach so, ohne konkreten Anlass einen schönen Ring als Zeichen ihrer Verbindung machen wollten. „Ringe sind ein traditionelles Verbindungssymbol, immer wieder totgesagt, immer wieder auferstanden“, sagt sie. Ein Ring symbolisiere Unendlichkeit, abergläubische Menschen fänden es darum sehr wichtig, dass es beim Guss keine Fuge gibt.
Aber die Ewigkeit dauert eben nicht immer ewig – jede dritte Ehe wird geschieden. Es kommt öfter vor, dass Stralsunder dann ihre alten Eheringe bei Verena Klette vorbeibringen, weil sie nicht wissen, was sie damit machen sollen. Wenn es ein Ringpaar ist, sei einer der Ringe oft kaum abgetragen, meistens der größere, der Herrenring. Sie biete gerne an, aus den alten Ringen neue Schmuckstücke zu machen.
So ist Verena Klette auch auf die Idee gekommen, mit getrennten Paaren Workshops zu machen, bei denen beide ihre ehemaligen Eheringe umarbeiten. „Ich habe im Freundeskreis Ehen schon sehr unschön zerbrechen sehen“, sagt sie, „oft zulasten der Kinder.“ Ihre Hoffnung sei darum, mit so einem Workshop auch ein bisschen was zu einem glimpflicheren Ende beizutragen. Gerade ist sie in Gesprächen mit dem Berliner Coaching Institut, das Interesse an ihren Workshops für Kommunikations- und Verhaltenscoaching bei Paaren in Trennungsprozessen hat. „Das Ganze hat natürlich auch etwas Therapeutisches, was nicht mein Fachgebiet ist“, sagt sie. „Ich würde mich freuen, wenn sich das verbinden ließe.“

Im Workshop verändert sie mit den Paaren die Eheringe, arbeitet Edelsteine ein oder teilt das Ringband, um es zu einem Ohrschmuck-Paar zu machen. Oder es wird ein Anhänger daraus. „Aber das stärkste Bild, das wir in der Werkstatt zusammen schaffen können, ist natürlich, die Ringe einzuschmelzen. Wenn man den Trauschmuck durchs Feuer jagt, ist ja nun wirklich alles passiert. Das Band, was da geschmiedet wurde, ist wieder offen.“
Verena Klette glaubt, dass sich eher solche Ex-Partner dafür entscheiden, ihre Trauringe zusammen umzuarbeiten, die aufgeräumt, mit sich im Reinen sind. Die das Ende der Beziehung nicht als persönliche Niederlage empfinden. „Ich glaube, man braucht Rituale, um Lebensabschnitte zu beginnen und auch zu beenden“, sagt sie. Neben den ideellen gebe es aber natürlich auch pragmatische Gründe für die Umwandlung des Eherings in etwas Neues: „Es war in der Kulturgeschichte des Menschen immer üblich, Schmuck und Werkzeuge umzuschmieden, sie zu verändern und für etwas anderes zu gebrauchen. Einfach weil es Sinn macht, auf Ressourcen zurückzugreifen, die schon da sind.“ Nicht zuletzt auch wegen der hohen Preise für Edelmetalle.
Aus Altem Neues machen, das, was war, mit dem zu verbinden, was ist und was einmal sein wird – seit sich Verena Klette als Kind gedanklich in den Baustoffkatalog mit den Werkzeugen und Materialien versenkt hat, ist das ein Prinzip, das sie interessiert. Es findet sich in ihrer Kunst wie auch in den Paarworkshops. „Ich finde es sinnstiftend, das, was nicht mehr gebraucht wird, in etwas Neues zu verwandeln, sodass vielleicht sogar etwas vom Charakter oder der ursprünglichen Idee erhalten bleibt. Ich mag es, wenn ein Gebrauchsgegenstand seine eigene Geschichte erzählt.“ Für Verena Klette ist das mehr als nur ein Interesse, am Ende sogar so etwas wie eine Lebenshaltung. Auf ihrer Website beschreibt sie ihren Laden so: „Wir sind renitent, ein ewiges Start-up.“ Und ein ewiges Start-up, ist das nicht auch etwas, das sich und seine Geschichte immer wieder neu erfindet?