Petra Jenal bietet bei Altforweiler Reittherapie für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen an. Für ihr Engagement wurde sie unter anderem mit der Bundesverdienstmedaille ausgezeichnet.

Wenn ich zwei Stunden ausreiten war, ist das für mich, als wäre ich drei Tage lang in einem Wellnesshotel gewesen“, sagt Petra Jenal. Die 63-Jährige aus Ensdorf verbringt täglich zwischen zwölf und 14 Stunden in „ihrem“ Zentrum für therapeutisches Reiten für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen. Inzwischen schon seit 15 Jahren befindet sich dies auf einem Privatgelände in unmittelbarer Nähe zur Pferdeklinik SaarLorLux in Altforweiler. Von Montag bis Sonntag trifft man sie dort beim Arbeiten an. Ehrenamtlich. „Das ist einfach meine Herzenssache“, sagt sie und stellt klar: „Auch, wenn wir das vielleicht nicht wahrhaben wollen: Behinderte Menschen stehen noch immer am Rande unserer Gesellschaft. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, sie in den Mittelpunkt zu ziehen und ihnen eine Stimme zu geben.“ Für ihr herausragendes soziales Engagement wurde Petra Jenal 2016 mit dem Leserpreis der „Goldenen Bild der Frau“ ausgezeichnet, überreicht von Bundesministerin Manuela Schwesig. 2017 folgte die Nominierung für den Deutschen Engagementpreis und 2021 die Bundesverdienstmedaille. Den Anfang machte Petra Jenal zusammen mit einer Therapeutin, zwei Pferden und pro Woche 18 Kindern und Jugendlichen. Um Spendengelder sammeln zu können, gründete Petra Jenal am 25. April 2010 den inzwischen vielfach ausgezeichneten Förderverein Ehrensache e.V. Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, die Reittherapie bekannt zu machen, zu fördern und Therapie-Einheiten für junge Menschen mit Behinderung zu finanzieren, die sich diese besondere Form der Krankengymnastik auf dem Pferd nicht leisten können. Inzwischen gibt es eine Angestellte, drei Minijobber sowie sieben ehrenamtlich tätige Therapeutinnen, die jede Woche mit zehn Pferden 131 Kinder und Jugendliche therapieren. „Vereinzelt sind auch Erwachsene dabei, denen das therapeutische Reiten bei ihrem Krankheitsbild sehr weiterhilft“, erklärt Jenal und betont: „Wir sind eine Familie. Jeder hat irgendeine Herausforderung zu stemmen. Der eine mehr, die andere weniger. Aber das spielt hier keine Rolle. Bei uns hilft einer dem anderen und wir halten zusammen.“
Komplett durch Spenden finanziert

Die Krankheitsbilder der Kinder und Jugendlichen sind vielfältig: „Schlaganfälle, Krebserkrankungen, unterschiedliche Formen von Autismus, Gen-Defekte, geistige Beeinträchtigungen, mehrfache Behinderungen“, zählt Jenal auf. Eine Schreckensliste für Eltern, die sich noch weiter fortsetzen ließe. „Krankheiten sind immer schlimm. Ganz am Anfang hat mir das Leid der Familien auch mächtig zugesetzt. Ich habe durch die Krebserkrankung meines Mannes erfahren, wie schwer und schlimm so etwas sein kann. Aber wenn es Kinder betrifft, ist das noch einmal ganz anders“, sagt Jenal, die heute lösungsorientiert damit umgehen kann: „Mitleid bringt uns nicht weiter. Es geht darum, Lösungen für jeden einzelnen Fall zu finden. Würde ich die individuellen Schicksale zu sehr an mich heranlassen, würde ich nicht die Kurve kriegen.“
Doch was genau hilft überhaupt? „Pferde sind ganz tolle, soziale Tiere, die sich auf einen einlassen. Sie sind hochsensibel und hochintelligent. Sie merken sofort, wenn etwas nicht stimmt“, erklärt Jenal. So überträgt sich der Takt, also der Wiegeschritt des Pferdes, über das Rückenmark der Reiter, was sich positiv auf die Nerven auswirkt. „Es fühlt sich fast so an, als würde man selbst gehen. Bei Rollstuhlfahrern kann man beobachten, wie sich Spastiken in den Beinen beim Reiten entspannen“, berichtet sie. Bis es soweit ist, kann es im Einzelfall aber dauern. Vor allem, wenn Angst vor den großen Tieren im Spiel ist. „Kein Problem“, sagt Jenal und erklärt: „Es gibt keinen Druck. Beim ersten Mal reicht es vielleicht, wenn sie das Tier anfassen. Beim zweiten Mal geht alles schon etwas besser und beim dritten Mal ist die Angst in der Regel schon kein Thema mehr.“
Reiten wirkt positiv auf die Nerven

Auch weil die Kinder merken, dass die Therapiepferde auf sie eingehen. Ein Beispiel: eine junge Dame, zu deren Krankheitsbild wiederkehrende epileptische Anfälle gehören – auch während der Reittherapie. Sie wollte gerade auf das Therapiepferd „Charisma“ aufsteigen, als sich ein solcher Anfall andeutete. „Unsere Charisma hat ihren Körper daraufhin um 180 Grad gedreht, ihren Kopf sanft an die Seite der jungen Dame gedrückt. Sie verharrte zunächst, streifte dann hoch bis zum Gesicht und der Anfall war vorbei“, berichtet Jenal, sichtlich gerührt von dieser emotionalen Erinnerung: „Das sind Momente, in denen ich weiß, weshalb ich 13, 14 Stunden am Tag arbeite.“

Die besondere Feinfühligkeit der Pferde in Altforweiler kommt nicht von ungefähr, sondern daher, dass das Tierwohl über allem steht und die Tiere selbst dadurch stets entspannt und zugänglich sind. Bis zu zwölf Stunden verbringen die Pferde täglich auf der großen Koppel. Zur Therapiestunde werden sie abgeholt und danach zurückgebracht. Das „Wellness-Team“ achtet darauf, dass sie gehegt und gepflegt werden. „Auf der Koppel ist das eine richtig wilde Bande. Sobald sie in die Halle kommen, wissen sie: ‚Das ist mein Job.‘ Dann geht der Kopf runter, sie gehen zur Aufstiegshilfe und konzentrieren sich voll und ganz auf die Kinder“, sagt Jenal. Und ergänzt: „Dieser Moment ist jedes Mal so berührend und ich denke jedes Mal: Die Pferde machen das so für uns, weil wir mit ihnen so umgehen, wie wir es eben tun. Dabei hat jedes Pferd auf dieser Welt eine artgerechte Haltung verdient.“
Das Tierwohl steht über allem

Bis auf die überstandene Erkrankung ihres Mannes blieb Petra Jenal selbst von großen Schicksalsschlägen verschont. Genau deshalb gründete sie die „Ehrensache“. „Ich bin mir bewusst und dankbar dafür, dass wir das große Glück haben, dass unser Sohn, unser Enkel und unsere Schwiegertochter gesund sind“, sagt sie und findet: „Wenn alles in Ordnung ist, muss man auch mal denen etwas abgeben, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen.“ In ihrem Fall geschieht das mit Erfolg: In 15 Jahren Vereinsarbeit gab es noch keinen Schützling, dem der Verein nicht helfen konnte. Obwohl die positiven Wirkungen in allen Fällen offensichtlich sind, ist eine Abrechnung der Therapie mit Krankenkassen nicht möglich. „Wir finanzieren uns nur aus Spenden. Ich brauche allein 10.000 Euro pro Monat, um das alles hier am Laufen zu halten“, stellt Jenal klar. „Davon habe ich dank einiger Großsponsoren 2.500 Euro sicher. Den Rest muss ich zu Beginn des Vorjahres immer wieder aufs Neue zusammenbekommen.“ Versicherungen für die Pferde und Gebäude, der Hufschmied, Tierarztkosten, Ausrüstung, Sonderanschaffungen wie ein Hebe-Lift zum Aufsitzen und vieles mehr müssen nun einmal bezahlt werden. Im Herbst 2024 hat der Verein dank der Vermittlung der LSVS-Koordinierungsstelle von der „Aktion Mensch“ eine Förderung in Höhe von 150.000 Euro für inklusive Projekte erhalten, die Kindern mit und ohne Behinderungen einander näherbringen werden.
Die Arbeit, zu der auch das Einsammeln von Spenden gehört, kostet Petra Jenal viel Energie und Zeit. Genau davon bleibt angesichts des hohen ehrenamtlichen Engagements nicht viel und besonders nicht für andere übrig. Selbst für die eigene Familie nicht. „Mein Mann und mein Sohn mit meiner Schwiegertochter stehen voll hinter mir und unterstützen mich wirklich. Sonst würde das alles nicht funktionieren“, sagt die 63-Jährige und merkt an: „Alle wissen, dass das meine Herzenssache ist.“