Udo Jürgens’ Tournee „Mitten im Leben“ zum 80. Geburtstag sollte 2015 vom Saarländischen Rundfunk präsentiert werden. Doch der österreichische Sänger, Komponist und Pianist starb ein Jahr zuvor. Rolf Ganz leitete beim SR die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und erinnert sich …

Udo Jürgens schrieb dem Saarländischen Rundfunk: „Der Saarländische Rundfunk in Saarbrücken war mehr als alle anderen Radioanstalten für meine Karriere von entscheidender Bedeutung. In den ersten Jahren habe ich in unendlich vielen Sendungen für Fernsehen und Radio auf dem Halberg mitgewirkt, zusammen mit bedeutenden Künstlern von den Bee Gees bis Gilbert Bécaud. Truck Branss war ein Regisseur der ersten Stunde und hat mich besonders geprägt.“
Auf SR 3 Saarlandwelle ging er noch einen Schritt weiter: „Saarbrücken und ich – das ist eine Liebesbeziehung“. Schon 1981 hatte er im „Porträt in Musik“ (Regie: Truck Branss) eingestanden: „Beim SR bin ich schon fast zu Hause.“ Was Wunder, dass das Fernseharchiv auf dem Halberg eine echte Udo-Fundgrube ist. Da gibt es Beiträge, Dokus, Interviews in Hülle und Fülle, beginnend mit der Sendung „Musik-Auktion“ im Frühjahr 1965.
„Das ist eine Liebesbeziehung“

Meine persönliche Erinnerung an den Sänger und Komponisten geht jedoch noch weiter zurück: Auf meinen ersten Schüler-Partys Anfang der 60er-Jahre in Saarbrücken drehte sich schon Jürgens’ Single „Jenny“ auf dem Plattenteller. Damals konnte ich noch nicht ahnen, dass ich später als Mitarbeiter der SR-Pressestelle bei der Aufzeichnung der Unterhaltungs-Show „Meine Melodie“ des Studios verwiesen werden sollte. Und schon gar nicht, dass ich mal mit Udo Jürgens nach Paris fliegen würde …
Auch wenn das Radio – die Europawelle Saar – die Nase bei Udo Jürgens leicht vorn hatte, seine bundesweite Karriere nahm mit seinen Fernsehauftritten beim Saarländischen Rundfunk so richtig Fahrt auf. Erst in der Sendung „Musik-Auktion“ im März 1965, dann vor allem als Interpret und Moderator der SR-Reihe „Meine Melodie“ (ARD 1966 bis 1970). Da war Udo Teil des Erfolgsquartetts mit Truck Branss, Marianne Koch und Thomas Fritsch – hieß es in „SR-info“ im Februar 1991.
Der frühere Unterhaltungschef Albert C. Weiland erinnert sich an die erfolgreiche Zusammenarbeit, aber auch an das Ende. „Udo Jürgens war schon in dieser Zeit ein Künstler, kein Typ ‚von der Stange‘. Ich habe ihn als einen Individualisten geschätzt – und ihn infolgedessen auch machen lassen. Da gab es nichts zu meckern.“ Bei aller Individualität sei er jedoch stets offen für Anregungen gewesen. Zwei Momentaufnahmen kommen ihm und mir dabei in den Sinn. Weiland: „Udo und Gilbert Bécaud. Der SR produzierte in der zweiten Hälfte der 60er-Jahre die ‚Gilbert-Bécaud-Shows‘ – live! – mit vielen internationalen Künstlern. Als Bécaud einmal mit der Hand auf den Flügel geklatscht hat, um seiner folgenden Moderation mehr Nachdruck zu verleihen, hat Udo das bei seinem Liedvortrag übernommen und nachgemacht. Sicher kein Zufall.“
Als Individualist offen für Anregung
Im Fernsehstudio I auf dem Saarbrücker Halberg gaben sich damals nationale und internationale Stars die Klinke in die Hand. Als ich als frisch gebackener Redakteur der Pressestelle 1966 oder 1967 bei den Dreharbeiten zu „Meine Melodie“ zuschauen wollte, hörte ich eine keinen Widerspruch duldende Stimme: „Ik kann nich arbeeten, wenn da een Fremda im Studio steht.“ Branss musste mich am Studioeingang entdeckt haben. Also ging ich und kam erst wieder, nachdem ich eine Genehmigung des großen Meisters hatte.
Rasche Klärung hier, baldige Trennung da: Eine längere Zusammenarbeit mit Jürgens als Moderator des Fernseh-Wunschkonzerts „Meine Melodie“ scheiterte schon bald am schnöden Mammon. A. C. Weiland: „Der damalige Manager von Udo Jürgens, Hans R. Beierlein (1963 bis 1977; Nachfolger wurde Freddy Burger, Anm.d.R.), wollte eine höhere Gage. Die gab mein Etat jedoch nicht her. Als auch der Vermittlungsversuch unseres Intendanten Dr. Franz Mai scheiterte, mussten wir – so Mai – ‚leider auf Herrn Jürgens verzichten‘. Nachfolgerin bei ‚Meine Melodie‘ wurde Marianne Koch.“

im Mai 1977 - Foto: picture-alliance/ dpa
Kein Grund jedoch, die Verdienste des Sängers Udo Jürgens fürderhin zu übersehen. Im Gegenteil: Er gehörte zu den ersten Preisträgern der „Europa“, wie der Preis 1969 bei der Verleihung während des Filmballs in Wiesbaden noch hieß. Nach zwei Gastspielen in Wiesbaden wurde die Verleihung der „Goldenen Europa“ schließlich zum jährlichen Stelldichein der deutschen Unterhaltungsbranche in Saarbrücken. Den Sprung ins Abendprogramm der ARD schaffte die Verleihung 1981. Auch hier war Jürgens Premieren-Gast und Preisträger – inzwischen zum fünften Mal nach 1968, 1976, 1977 und 1978. Einmal sogar reiste ein SR-Team nach London, um ihm die „Goldene Europa“ zu übergeben. Noch bevor der SR Show und Verleihung aufgab, erhielt Udo 1998 seine sechste Trophäe – für sein Lebenswerk! Da war er mit 64 noch nicht einmal im Pensionsalter.
Die sechste Trophäe erhielt er für sein Lebenswerk
Für Jürgens wie für alle anderen Teilnehmer wird die zehnte Verleihung der „Goldenen Europa“ im Mai 1977 in besonderer Erinnerung geblieben sein. Fand doch die Verleihung an einem Tag in zwei verschiedenen Städten statt: Vormittags wurden wie gewohnt im Großen Saal des Konferenzgebäudes die Spitzenreiter der von Dieter Thomas Heck moderierten Deutschen Schlagerparade – darunter Udo Jürgens – ausgezeichnet. Und nachmittags erhielt Leonard Bernstein einen Sonderpreis – in Paris im legendären Hôtel de Crillon an der Place de la Concorde. Ein überaus würdiger Rahmen für Teil zwei der Verleihung an einen Weltstar, der zu Aufnahmen von Richard-Strauss-Liedern in Paris war.Der imposante ehemalige Adelspalast aus dem 18. Jahrhundert, der während des Zweiten Weltkriegs Hauptquartier der deutschen Truppen war, beherbergte den Komponisten, Dirigenten und Pianisten Leonard Bernstein so häufig, dass später eine Suite nach ihm benannt wurde.
Noch ohne TGV und ICE starteten die Gäste mit Programmdirektor Dr. Heinz Garber an der Spitze vom Flughafen Saarbrücken-Ensheim aus mit einem Charterflugzeug, einer Boeing 737, Richtung Paris zur Verleihung an Bernstein. An Bord auch die Preisträger Boney M., die schon auf dem Pariser Flughafen von Fotografen und Kamerateams umringt wurden. Mit Bussen ging’s zum Hotel. Ein Konzertflügel stand bereit. Rasch war eine Wand mit dem SR 1-Logo dahinter aufgebaut. Journalisten, Preisträger und die SR-Delegation warteten geduldig, bis der Meister kam – freundlich lächelnd.
Garber übergab unter dem Beifall der 200 Ehrengäste den Sonderpreis der „Goldenen Europa“. Und dann der Höhepunkt: Weltpremiere des Duos Bernstein und Jürgens am Klavier; sie spielten und sangen „Maria“ aus Bernsteins Musical „West-Side-Story“. So ganz zwanglos war das, als würden sie schon ewig zusammen auftreten. Bernstein kommentierte das lachend mit den Worten: „Jetzt bin ich ein Popstar.“

Im Bus zurück zum Flughafen schlug Udo Jürgens seinem Manager Beierlein auf die Schenkel und sagte ob dieser Welturaufführung: „Hans, wie du das wieder hingekriegt hast.“ Auch wenn Beierlein in dieser Zeit ein hilfreicher Partner des SR bei der „Goldenen Europa“ war, diese Verleihung hatte Udo nun wirklich nicht ihm allein zu verdanken.Und wer hat den ganzen Spaß bezahlt? Die Gebührenzahler? Weit gefehlt. Emil Lehnen, Chef von Werbefunk Saar, hatte die Aktion eingefädelt und einen Reiseveranstalter mit ins Boot beziehungsweise in den Flieger geholt. Mit diesem Hinweis wurden auch Nachfragen in den Gremien zufriedenstellend beantwortet.
Noch vor der Verleihung der sechsten „Goldenen Europa“ – und der damit ersten im ARD-Abendprogramm 1981 – gab es ein weiteres Highlight. Wenige Wochen vor der TV-Show aus der Saarlandhalle sendete der SR das „Porträt in Musik – Udo Jürgens“. Mancher SRler erinnert sich noch an den weißen Flügel, auf dem Udo Jürgens Playbacks eingespielt hatte. Dass dieser sogenannte „Udo-Flügel“ noch existiert, ist SR-Bibliothekar Roland Schmitt zu verdanken. Seit 2009 steht der Konzertflügel in der ehemaligen Grundschule des Saarbrücker Stadtteils Eschringen, die unter anderen vom Musikverein „Lyra Eschringen“ für die musikalische Früherziehung genutzt wird.