Unternehmen und wissenschaftliche Einrichtungen in Hamburg forschen an der Zukunft der Luftfahrt. Eindeutiger Favorit: Wasserstoff. Ein Jungfernflug steht noch aus, denn einige Fragen sind noch ungeklärt.

Denkt man an Hamburg, fallen einem zuerst Reeperbahn und Seemannsgarn ein, Schiffe, die Elbphilharmonie, die Speicherstadt. Wohl kaum aber die Luftfahrt. Dabei ist Hamburg der drittgrößte zivile Luftfahrtstandort der Welt, nach Seattle, wo der Flugzeughersteller Boeing daheim ist, und Toulouse, einem der beiden Produktionsstandorte von Airbus. Der zweite Airbus-Standort ist Hamburg. Und dort dreht sich mittlerweile vieles um Wasserstoff.
Bis zum ersten Einsatz dauert es dort aber noch. Im Februar dieses Jahres hat Airbus bekanntgegeben, dass es den Start eines mit Wasserstoff betriebenen Passagierflugzeugs für mehrere Jahre in die Zukunft schieben muss. Ursprünglich war der erste Flieger 2035 geplant. Das war wohl ein allzu ehrgeiziges Ziel. Dennoch soll in Zukunft Wasserstoff das Kerosin ablösen. Darum wird unbeirrt weiter geforscht. Nicht nur in Simulationsmodellen, sondern ganz real an einem ausrangierten Airbus, in den ein Innentank mit dem neuartigen Treibstoff eingebaut wird. „Dort wird er gasifiziert und in einer Brennstoffzelle zu Strom umgewandelt, um dann die inneren Prozesse eines Flugzeugs abzudecken“, erzählt Airport-Manager Julian Klaaßen. In der Versuchsmaschine auf dem Hamburger Flughafen werde die gesamte Supply-Chain abgebildet. Ein offenes Labor.
Kleinere Testflieger schon im nächsten Jahr
An dem Projekt sind mehrere Mitglieder des Hamburg Aviation Cluster beteiligt, etwa das 2009 gegründete Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL). „Man muss das Flugzeug komplett neu denken. Es wird völlig anders funktionieren, als es das heute tut. Wir brauchen ganz andere Regeln, wir brauchen ganz andere Überlegungen hinsichtlich der Sicherheit“, sagt Sebastian Altmann, Senior Expert für Wasserstoff im ZAL. „Wie viel Wasserstoff darf außerhalb der Tanks dann in so einem Flugzeug eigentlich durch die Gegend wabern? Muss die Anlage wirklich zu 100 Prozent dicht sein? Dann werden wir ein Problem haben.“ Das könnte durchaus passieren, denn in einem Fachartikel stellte kürzlich der Chefwissenschaftler der Bundesluftfahrtbehörde der USA fest: „Wir haben in einem Test herausgefunden, dass sich die Entflammbarkeit und die Brenneigenschaften von Materialien, die typisch für Kabinen sind, erhöhen, wenn man die Atmosphäre mit ein wenig Wasserstoff anreichert, etwa mit ein bis zwei Prozent.“ Bisher war man von etwa fünf Prozent ausgegangen. Hinzu kommt das Genehmigungsproblem: Wolle man etwa 2035 am Flughafen Hamburg mit Flüssiggas betanken und dafür eine entsprechende Infrastruktur aufbauen, müsste noch in diesem Jahr mit den Anträgen begonnen werden, weil das Planfeststellungsverfahren so lange dauere. Und schließlich gehe es auch um die Akzeptanz, sagt Altmann: „Wird ein Passagier in ein Wasserstoffflugzeug einsteigen? Oder kommt dann wieder: ja, aber die Hindenburg!?“
Nötig seien Komponenten, die klein, leistungsfähig und leicht sind, um sie ins Flugzeug integrieren zu können, „damit wir dann nicht am Ende einen A380 haben, in dem nur noch 20 Passagiere mitfliegen. Wie es am Anfang beim Pkw war, wo man einen Transporter umgebaut hat, der dann ein Zweisitzer war.“ In kleinen Flugzeugen scheint es aber schon zu funktionieren: Gemeinsam mit Kollegen vom Airport Rotterdam hat der Flughafen in Hamburg die Idee entwickelt, ein Wasserstoffflugzeug zwischen beiden Städten verkehren zu lassen. Der Demoflug soll Ende nächsten Jahres stattfinden.
Dafür braucht es an beiden Standorten die gleiche Infrastruktur, der Wasserstoff muss in der erforderlichen Qualität verfügbar sein. Seit eineinhalb Jahren arbeitet der Flughafen Hamburg daran. „Wenn wir jetzt über gasförmigen Wasserstoff sprechen, ist das relativ problemlos“, sagt Klaaßen. Zwar benötigt dieser bei gleicher Energiemenge deutlich mehr Volumen und hohen Druck. Aber: „Normale Speichertanks, Gastanks, würden dann hier gebaut werden, sobald wir in die Umstellung gehen.“ Bei Flüssigwasserstoff benötige aber das eigentliche Fliegen ganz andere Technologien, andere Tankarten, einen anderen Sicherheitsfaktor. Wasserstoff hat die Eigenschaft, leicht aus Behältnissen austreten zu können. Und: „Die Supply Chain, also die Verfügbarkeit von flüssigem Wasserstoff in der Größenordnung ist auch noch nicht gegeben“, sagt Klaaßen. „Aktuell ein Riesenthema ist auch noch die Vertankung. Kriegen wir Fast-Refueling hin, schaffen wir das mit Flüssigwasserstoff im Umlauf von 45 Minuten?“ Eine ähnliche Partnerschaft wie zwischen den Flughäfen Hamburg und Rotterdam gibt es nun auch mit den Anrainerstaaten der Ostsee. „Wir haben vergleichsweise kurze Strecken und können dann entlang der Ostseeküste verschiedene Flughäfen ausrüsten“, sagt Sebastian Altmann vom ZAL. „Und dann haben wir schon mal Strecken, auf denen wir testen können.“
Vom Ausschluss jedes Risikos wird der Erfolg von Wasserstoff als Treibstoff abhängen, meint der Luftfahrtexperte Gerd Strobl: „Es ist primär die Frage, ob es gelingt, die Lagerung von Wasserstoff, in welcher Form auch immer, in Flugzeugtanks in speziellen Druckgebilden so sicher zu machen, dass es unproblematisch ist.“ Das heute verwendete Kerosin ist zwar umweltschädlich, aber ungefährlicher: „Bei den Temperaturen in der Reiseflughöhe eines Passagierjets brennt das gar nicht. Ein sehr sicherer Treibstoff“, sagt Strobl. „Das wird erst brennbar, wenn es durch mehrere Hochdruckpumpen und einen Fuel Heat Oil Exchanger angewärmt wird. Wenn man einen Eimer Kerosin nimmt und ihn auf minus 20 bis minus 30 Grad abkühlt, kann man die Lötlampe draufhalten, es wird nicht brennen. Der Wasserstoff ist ein ganz anderes Kaliber, wie wir von den Raketen, die zum Mond fliegen, wissen.“
Wasserstoff auch für Transportdrohnen
Auch an neuartigen Drohnen und ihren Antrieben tüftelt das ZAL. Fynn Schröder ist Wasserstoffexperte für Drohnenantriebe. „Der große Anwendungsbereich werden Cargo-Drohnen sein“, sagt Schröder. Deren Gewicht liege schon bei 200 Kilogramm bis zu einer Tonne. Dafür arbeitet man am ZAL an leichten luftgekühlten Brennstoffzellen. „Wir forschen gerade am Projekt einer 25-Kilo-Wasserstoffdrohne, die dann nicht mehr 30 Minuten mit Batterien fliegt, sondern bis zu vier Stunden mit Wasserstoff, bei gleichem Gewicht“, sagt Schröder. „Bestes Beispiel: Wenn man zu den Windkraftanlagen der Nord- oder Ostsee rausfliegen möchte, würde jede 30 Minuten lang fliegende Drohne ins Wasser fallen. Mit vier Stunden kommt man schon hin und zurück.“

Und weil Hamburg ein wichtiger Schiffsstandort ist, liegt eine Kooperation hier nahe. Sebastian Altmann: „Wenn ich ein Problem habe mit einem System an Bord, sowohl beim Schiff als auch beim Flugzeug, funktioniert das berühmte Rechtsranfahren nicht. Das heißt, ich brauche Systeme, die eine hohe Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit und Sicherheit haben.“ Deshalb wolle man sich bei der Entwicklung zusammenzutun. „Die Leistungsklasse ist vergleichbar“, sagt Altmann. „Ein großes Containerschiff hat in etwa die gleichen Antriebsleistungen wie ein Flugzeug.“ Auch der Lebenszyklus ist ähnlich: Flugzeuge stehen wie Schiffe zwischen 30 und 50 Jahren in Betrieb. Hinzu kommt, dass auch im Schiffsverkehr nach einem Ersatz für den umweltschädlichen Schiffsdiesel gesucht und mit Wasserstoff experimentiert wird.
Auch am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Hamburg denkt man über die Zukunft der Luftfahrt nach, vor allem im Flaggschiff-Projekt Exakt, der größten zusammenhängenden Studie zur nachhaltigen Luftfahrt und zu Flugzeugen der Zukunft weltweit. Projektleiter ist Daniel Silberhorn vom DLR-Institut für Systemarchitekturen in der Luftfahrt: „Letztendlich sind wir aktuell beim Stand, dass wir grünen Flüssigwasserstoff als eine potenzielle Lösung haben, aber auch synthetisches Kerosin.“ Im Kurz- und Mittelstreckenbereich wurde auch ein Hybrid mit Batterie als vielversprechend identifiziert. Aber: „Eine dieser Technologien herauszupicken und zum heutigen Zeitpunkt zu sagen, das ist klar die Lösung, ist nicht möglich.“