Vor 200 Jahren wurde Emilie, die Frau von Theodor Fontane, geboren. Das Hugenottenmuseum am Gendarmenmarkt widmet ihr eine eigene Ausstellung. Sie wurde bis zum 30. August verlängert.
Elvis hält sich raus. Auch wenn der Straßenmusiker davon singt, dass er gerade dessen Geist gesehen habe. „Walking in Memphis“ – es klingt ein wenig wie Kaufhausmusik, was er auf seinem elektronischen Piano veranstaltet. Vielleicht lässt sich der Geist von Elvis deshalb nicht sehen. Vielleicht ist ihm an diesem sonnigen Vormittag auch einfach zu viel los auf dem Berliner Gendarmenmarkt. Touristenbusse entlassen ihre Fracht auf den Platz, zu dessen Neugestaltung die Meinungen auseinandergehen.
Die Debatte um Denkmalschutz oder zu wenig Bäume und damit zu wenig Schatten, wie sie in den Medien geführt wird, interessiert die Besucherinnen und Besucher eher weniger. Sie machen eilig Fotos, posieren vor dem Konzerthaus, vor der Schiller-Statue, vor dem Deutschen und dem Französischen Dom. Einige nehmen sich die Zeit, die Stufen zur Kuppel des Französischen Doms hochzusteigen, um die Aussicht zu genießen.
Für einen Besuch bei Emilie ist das Wetter an diesem Tag für die meisten zu gut. Ins Hugenottenmuseum im Erdgeschoss des Doms? Lieber wieder raus in die Sonne. Und so bleibt sie den meisten Besucherinnen und Besuchern verborgen, die Geschichte einer Frau, die mit diesem Gebäude eng verbunden ist.
Zu Beginn der Ausstellung wird diese Verbindung so beschrieben: „Auch wenn sie wie ihr Mann von eher durchschnittlicher Frömmigkeit war, sollte die Französische Kirche doch mit wesentlichen Stationen des Lebens (und schließlich des Sterbens) der Familie Fontane verbunden bleiben. Das erste dieser Erlebnisse ist nach Emilies eigener Aussage die Konfirmation des jungen Theodor von 1836, bei welcher sie zu Gast war. Dieses Ereignis markiert auch Theodors eigenen Eintritt in die Gemeinde. Die Szene hinterließ wohl auch deswegen bleibenden Eindruck, da Theodor der einzige Konfirmand war – es war ein nachgeholter Termin. Vor allem aber versuchte die noch kindliche Emilie bereits damals das Interesse des eher spröden Nachbarsjungen zu wecken – mit gemischtem Erfolg.“
Aber mit Erfolg: 1850 heiratete Emilie Rouanet Theodor Fontane, die beiden hatten sieben Kinder. Im vergangenen Jahr feierte Emilie Fontane, die nicht nur Ehefrau, sondern auch literarische Wegbegleiterin des Schriftstellers Theodor Fontane war, ihren 200. Geburtstag. Aus diesem Anlass zeigt das Hugenottenmuseum noch bis zum 30. August die Sonderausstellung „Emilie200“. Entwickelt wurde sie in Zusammenarbeit mit dem Theodor-Fontane-Archiv in Potsdam und der Theodor-Fontane-Gesellschaft.
„Einige bedeutende Stationen im Leben der Familie Fontane sind eng mit der französisch-reformierten Gemeinde in Berlin verbunden, zu der die Familie gehörte. Hier wurden die Eheleute getraut, ihre Kinder getauft und auf dem Kirchhof in der Liesenstraße liegt das Ehepaar begraben. Der Französische Dom, in dem sich die Französische Kirche und das Hugenottenmuseum befinden, ist somit genau der richtige Ort für eine Ausstellung über diese bemerkenswerte Frau, die das literarische Schaffen ihres berühmten Ehemannes auf vielfältige Weise unterstützte“, erklären die Macherinnen und Macher der Ausstellung.
Emilie war mehr als nur die Ehefrau Fontanes
Sie zeigt Objekte aus Emilies privatem Besitz, gibt einen Einblick in den Briefwechsel zwischen Emilie und Theodor und stellt Dokumente vor, die ihre Rolle im Leben und im Werk ihres Mannes beleuchten.
Als „Highlight“ sieht die Museumsleitung die „Lesende Dame“ von Adolph Menzel. Das in Gouache-Farben ausgeführte Bildnis zeigt eine Lesende auf einem Ausflugsdampfer. Auf der Rückseite befindet sich eine Widmung von Menzel an Emilie. Der mit den Fontanes befreundete Maler schenkte ihr das nur etwa postkartengroße Bildchen als Ausgleich für eine verlorene Wette. Das Kunstwerk befindet sich seit 2022 im Eigentum des Theodor-Fontane-Archivs.
1858 hatte Emilie begonnen, ihre Jugenderinnerungen aufzuschreiben. Damals lebte sie mit ihrem Mann in London. „Viele Details ihrer Biografie sind nur durch diesen Text bekannt, der mit dem Jahr 1839 abbricht, auch wenn darunter steht ‚Fortsetzung folgt‘“, wird dazu in der Ausstellung erklärt.
„Sie war nicht nur Ehefrau und Mutter, sondern unterstützte auch die schriftstellerische Arbeit ihres Ehemanns: beim Verfassen von Briefen und Büchern, beim Lektorieren und Bewerten seiner Texte, beim Abschreiben seiner Manuskripte, aber auch als Agentin und Netzwerkerin“, wird im Obergeschoss des Museums dokumentiert.
Theodor Fontane selbst wird dazu zitiert mit: „Um nur zwei Dinge zu nennen: Sie hat mir alle Bücher und alle Zeitungen vorgelesen und hat mir alle meine von Korrekturen und Einschiebseln starrenden Manuskripte abgeschrieben, also, meine dicken Kriegsbücher mit eingerechnet, gute vierzig Bände.“
Nach Theodor Fontanes Tod 1898 sichtete Emilie auch seinen Nachlass, ordnete ihn für eine Gesamtausgabe und verbrannte dabei unter anderem sämtliche Korrespondenz aus ihrer fünfjährigen Verlobungszeit. Emilie Fontane starb 1902 – bevor die Gesamtausgabe erschienen ist.
Im Tod waren Emilie und Theodor wieder vereint – nach dem Zweiten Weltkrieg auch auf einem gemeinsamen Grabstein. Bis dahin hatten sie getrennte Grabsteine. Die wurden 1945 durch Granatsplitter aber stark beschädigt. Die Französische Kirche ersetzte die beiden Steine durch einen gemeinsamen. Auch der steht in der Ausstellung.
Draußen auf dem Platz tobt das Leben. Schiller hat den Blick weiter in die Ferne gerichtet. Der Elektropiano-Spieler ist weg. Der Geist von Elvis bleibt in Memphis.