Vor allem in der jüngeren Generation ist hierzulande die Bereitschaft zur Blutspende nicht mehr sonderlich stark ausgeprägt. Dabei bietet diese lebensrettende Hilfe auch eine Reihe von positiven Effekten für den Spender selbst, beispielsweise eine Regeneration der Blutzellen durch genetische Anpassung.
Im Sommer 2024 hatte das Deutsche Rote Kreuz (DRK) mal wieder Alarm schlagen müssen. Die Zahl der Blutspenden war während der Ferienzeit so stark zurückgegangen, dass die Reserven nahezu aufgebraucht waren und daher sogar schon anstehende Operationen teilweise verschoben werden mussten. Besonders in der warmen Jahreszeit pflegt alljährlich die Bereitwilligkeit der Bundesbürger zum Blutspenden deutlich nachzulassen.
Blutspendetag am 14. Juni
Zudem wird es zunehmend schwierig, den täglichen Bedarf von rund 15.000 Blutspenden in Deutschland zu decken. Seit 2014 ist die Zahl der Vollblutspenden laut dem Paul-Ehrlich-Institut stetig zurückgegangen. 2020 pendelte sie sich bei etwa 3,65 Millionen jährlich ein. Es gibt zusätzlich auch Thrombozyten- und Plasmaspenden, deren Zahl in den letzten Jahren leicht gestiegen ist. Nur drei Prozent der Bevölkerung spenden Blut, obwohl theoretisch jeder gesunde Erwachsene ab 18 Jahren und mit mindestens 50 Kilogramm Gewicht spenden könnte. Zudem werden laut DRK 80 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal im Leben eine Blutspende benötigen.
Doch trotz des alljährlich auf den 14. Juni terminierten Weltblutspendetages, bei dem die Öffentlichkeit immer wieder aufs Neue auf die Dringlichkeit von Blutspenden aufmerksam gemacht wird, konnte seit geraumer Zeit kein prägnanter Anstieg der lebensrettenden Hilfeleistung mehr registriert werden. Wofür hiesige Gesundheitsexperten vor allem die diesbezügliche Zurückhaltung der jüngeren Generation verantwortlich machen. Es besteht laut den „Wissenschaftlichen Diensten“ des Bundestags „die Sorge, dass in Zukunft die Zahl der Spenden den Bedarf nicht decken könnte. Die zunehmende Alterung der Bevölkerung lässt auch einen Anstieg des Transfusionsbedarfs erwarten, was sich insbesondere bei geburtenstarken Jahrgängen bemerkbar machen dürfte, wenn diese selbst nicht mehr spenden können, aber auf Transfusionen angewiesen sind. Bereits 2018 wurden in den einkommensstarken Ländern 76 Prozent der Blutprodukte an Menschen über 60 Jahre transfundiert.“ Es müsse daher künftig unbedingt gelingen, der Alterung der Spenderbasis entgegenzuwirken (wobei viele ältere Menschen wegen Medikamenteneinnahmen oder Krankheiten als Spender nicht mehr in Frage kommen) und mehr junge Menschen als Spender zu gewinnen, wobei neben einer verstärkten Ansprache in den sozialen Medien oder der Einbindung der Blutspende in das Arbeitsumfeld eventuell auch finanzielle Anreize hilfreich sein könnten.
Wobei es enorm wichtig ist, dass kontinuierlich Blut gespendet wird, weil die nach der Entnahme im Labor für den jeweiligen Transfusionsbedarf (rund ein Fünftel entfallen allein auf Krebskranke) aufbereiteten Blutpräparate teilweise nur über eine sehr kurze Haltbarkeit verfügen. Mit einer einzigen Vollblutspende kann das Leben von bis zu drei Menschen gerettet werden. Wobei Männern gemäß des Transfusionsgesetzes sechs Vollblutspenden innerhalb eines Jahres erlaubt sind, Frauen hingegen nur deren vier (weil sie in der Regel über eine geringere Blutmenge als Männer verfügen und zudem niedrigere Eisenwerte haben), bei beiden Geschlechtern muss der Abstand zwischen zwei Vollblutspenden mindestens acht Wochen betragen, damit der Körper in dieser Zeitspanne den Blutverlust wieder komplett ausgleichen und die Eisenreserven wieder aufbauen kann (bei Plasma- und Thrombozytenspenden sind pro Jahr mit 60 beziehungsweise 26 deutlich mehr Entnahmen erlaubt).
Blutspenden senkt Hypertonie
Seit einigen Jahren werden die Bundesbürger zur erhofften Steigerung der Spendenbereitschaft darüber informiert, dass das Blutspenden auch positive Auswirkungen auf den eigenen Körper und auf das psychische Wohlbefinden hat. Sowie zur kostenfreien Feststellung der eigenen Blutgruppe und der Überprüfung des allgemeinen Gesundheitszustandes genutzt werden kann. Mediziner der Berliner Charité konnten schon vor Jahren mit einer klinischen Studie den Nachweis erbringen, dass regelmäßiges Blutspenden den Blutdruck von Hypertonie-Patienten senken kann, was vor allem bei Erkrankten mit hohen Ausgangswerten deutlich festgestellt werden konnte. Der blutdrucksenkende Effekt hielt bis zu sechs Wochen an. Je häufiger die Betroffenen Blut gespendet hatten, umso stärker fiel dabei auf, dass der zu hohe Blutdruck abgefallen war. Eine schon ältere Langzeitstudie aus Finnland anno 1998 hatte belegen können, dass Freiwillige, die einmal pro Jahr Blut gespendet hatten, ein achtmal geringeres Risiko aufwiesen, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, als Personen, die niemals Blut gespendet hatten.
Da Helfen gemeinhin glücklich zu machen pflegt, dürfte sich der positive Effekt auf die Psyche des Spenders von selbst verstehen. Auch der mit der Blutabnahme verbundene Kalorienverbrauch dürfte manchen Spender erfreuen, auch wenn er sich mit 650 bis 800 Kalorien in überschaubarem Grenzen hält und eher bei der Steigerung des Grundumsatzes im Rahmen der Blutregeneration in den zwei bis drei Folgemonaten bemerkbar machen wird. Wer womöglich nicht weiß, welcher der acht hiesigen Blutgruppenkombinationen er angehört, die sich aus der Kombination der Antigene mit dem Rhesusfaktor ableiten, kann darüber beim Bluttest kostenlos (statt gegen Bezahlung in der Arztpraxis) Auskunft erhalten und sich seine Blutgruppe im zusätzlich ausgehändigten Blutspende-Ausweis für immer verewigen lassen. Last but not least wird das Blut nach der Entnahme auf etwaige Infektionskrankheiten wie HIV, Hepatitis B und C oder Syphilis überprüft. Wer unwissentlich erkrankt sein sollte, wird nach der Laboruntersuchung darüber sofort informiert, wer keine Rückmeldung erhält, kann sicher sein, dass sein Blut frei von diesen Erregern ist.
Jüngst hat ein internationales Team des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ, der mit mehr als 3000 Mitarbeitern größten biomedizinischen Forschungseinrichtung in Deutschland), des Heidelberger Instituts für Stammzelltechnologie und experimentelle Medizin (HI-STEM), des Francis-Crick-Instituts in London (dem wichtigsten britischen Biogenetik-Zentrum) sowie des DRK einen weiteren positiven Gesundheitsvorteil für Blutspender ermittelt und in einer im Fachmagazin „Blood“ unter Federführung der Erstautorin Dr. Darja Karpova (HI-STEM und Leiterin des DRK-Blutspendedienstes Baden-Württemberg/Hessen) publizierten Studie vorgestellt. Zielsetzung der neuen Forschung war dabei gewesen herauszufinden, ob häufiges Blutspenden die Frequenz oder die Art von Mutationen beeinflussen kann, die zur sogenannten klonalen Blutbildung führen. Und ob häufiges Blutspenden langfristige Spuren im menschlichen Körpern hinterlassen kann.
Blutstammzellen sind laut den Wissenschaftlern wahre Alleskönner. Sie erneuern ständig unser Blut und stellen dabei sicher, dass der Organismus stetig mit frischen roten und weißen Blutkörperchen versorgt werden kann. Im Laufe des Lebens häufen sich allerdings in einzelnen Blutstammzellen genetische Veränderungen an. Wobei sich die mutierten Stammzellen zu größeren Zellklonen auswachsen können, deren Zellen alle dieselbe Mutation tragen und die unter Umständen lebenslang erhalten bleiben. Genau dieses Phänomen wird als „klonale Blutbildung“ bezeichnet und konnte bei mehr als zehn Prozent der über 60-Jährigen und bei mehr als der Hälfte der über 80-Jährigen bereits registriert werden. Mit fortschreitenden Lebensjahren können sich im Laufe eines evolutionären Prozesses bestimmte genetische Veränderungen in den Blutstammzellen unterschiedlich stark durchsetzen und zu unterschiedlich großen Zellklonen führen. Wobei einige der Mutationen nicht nur das Risiko für die Ausbildung von Blutkrebs erhöhen können, sondern sie sind auch mit einem gesteigerten Risiko zur Entstehung von Herzinfarkt, Schlaganfall sowie Lungen- und Lebererkrankungen verbunden.
Keine negativen Auswirkungen
Um das Spektrum der DNA-Veränderungen genau analysieren zu können, sequenzierten die Forscher das Erbgut von insgesamt 429 Blutspendern. Dabei verglichen sie Spender, die über hundert Mal Blut gespendet hatten, mit Gleichaltrigen, die weniger als zehn Mal gespendet hatten. Dabei stellte sich heraus, dass sich besonders bei den Vielspendern Zellklone mit ganz bestimmten genetischen Veränderungen durchgesetzt hatten. Wobei es sich um eine Gruppe spezieller Mutationen im Bereich des sogenannten DNMT3A-Gens gehandelt hatte. Genau dieses Gen ist laut den Wissenschaftlern ganz entscheidend am epigenetischen Programm der Zelle beteiligt und sorgt durch seinen Einfluss auf die Genaktivität dafür, dass sich Zellen möglichst optimal an wechselnde Bedingungen anpassen können. In einer Situation wie nach der Blutspende, wenn der Körper das abgegebene Blut möglichst schnell nachbilden muss, besitzen die im DNMT3A-Gen mutierten Zellen einen klaren Vorteil. Weil sie sich unter dem Einfluss des Hormons Erythropoietin (EPO), das gemeinhin nach Blutverlust und daher auch nach einer Blutspende vermehrt ausgeschüttet wird, gegenüber anderen Blutstammzellen nicht nur behaupten, sondern sogar auch noch anreichern können. „Es ist, als würde sich der Körper an die Herausforderung anpassen und bestimmte Genvarianten begünstigen, die es erlauben, mit dem Stress nach der Blutspende besser umzugehen und die Blutzellen schneller zu ersetzen“, so Dr. Karpova.
Wobei diese spezielle Mutation laut den Forschern keinerlei negative Auswirkungen für den Organismus des Spenders hat. Im Unterschied zu anderen bereits bekannten Mutationen in den Blutzellen gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass diese besondere Veränderung das Risiko für die Entstehung von Leukämie oder andere mit der klonalen Blutbildung assoziierte Erkrankungen erhöhen kann. Sie scheint laut den Wissenschaftlern das Gleichgewicht der normalen Blutbildung nicht zu stören, sondern lediglich den Prozess der durch EPO gesteuerten Bluterneuerung nach Blutverlust zu verbessern.
Häufiges Blutspenden kann daher laut dem Team genau jene genetische Anpassung in Blutstammzellen hervorrufen, die für die Regeneration der Blutzellen, die Bluterneuerung sowie die Bildung frischer gesunder Blutzellen sogar förderlich ist. „Häufiges Blutspenden und die dadurch angeregte Erythropoietin-Produktion spielen eine zentrale Rolle bei der klonalen Evolution, die durch den Stress des Blutverlusts angetrieben wird. Dadurch lässt sich in Echtzeit beobachten, wie sich unsere Körperzellen kontinuierlich genetisch an Stressfaktoren anpassen. Blutspenden retten Leben – und selbst auf tiefster molekularer Ebene sehen wir keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für die Spender. Unser Ergebnis bestätigt nun mit molekularen Daten die jahrzehntelange klinische Erfahrung“, so der Biologe Prof. Andreas Trumpp, Leiter der Abteilung Stammzellen und Krebs am DKFZ und des HI-STEM, einer Gemeinschaftseinrichtung der Dietmar Hopp-Stiftung und des DKFZ.