Wälder sind echte Klimaschützer. Nur verständlich, dass es weltweit Initiativen zur Aufforstung gibt. Doch eine unüberlegte Aufforstung kann die CO2-Bilanz sogar verschlechtern. Jetzt soll Hightech helfen. Mit KI, Vertical Farming, Drohnen, Sensoren und anderen neuen Techniken soll das Pflanzen neuer Bäume und Wälder nachhaltiger werden.

Sie schwärmen aus. Ben Harrower steuert die mehrere Kilogramm schweren Drohnen über ein Waldgebiet im Kreis Herzogtum Lauenburg, östlich von Hamburg. Harrower ist mit seinem Team aus Schottland angereist, er ist Pionier in seinem Feld: Mit Wärmebildkameras erfasst er die Zahl der Wildtiere. Und weil er gelernter Förster ist, kann er sogar das Geschlecht der Tiere bestimmen. Am Boden zählt ein Team von Forstleuten ganz analog junge Bäume und Fressspuren an ihnen. Das Pilotprojekt soll über fünf Jahre Daten sammeln und klären, wie viel Wild denn wirklich in den Wäldern unterwegs ist. Denn bislang weiß man das nur von sehr groben Schätzungen.
Dabei ist das Wissen, wie viele Rehe, Hirsche und andere Felltiere im Wald leben, elementar wichtig für die Aufforstung des Waldes – schließlich mögen die Tiere junge Bäume und sind eine der größten Herausforderungen für die Aufforstung.
Neben Harrower und seinem Unternehmen BH Wildlife arbeiten gleich mehrere Unternehmen an Systemen, die Bewegungen von Wild in Echtzeit abbilden können und etwa Förster automatisch benachrichtigen, wenn die Tiere in der Nähe von neuen Anpflanzungen auftauchen – damit die einen sicheren Schuss abgeben können, wenn eine Überpopulation vorliegt.
Weltweiter Waldverlust
Das ist nur ein Beispiel dafür, dass Hightech immer wichtiger wird für die Aufforstung. Und die ist bitter nötig. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat die Erde nach einem Bericht der Umweltorganisation World Resources Institute pro Jahr zwischen drei und vier Millionen Hektar Tropenwald verloren. Im Jahr 2023 lag der gesamte Waldverlust auf der Erde bei rund 23 Millionen Hektar, ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr, was besonders an den Großfeuern in Kanada lag. Brandrodung, Abholzung, extreme Dürre wegen des Klimawandels – der Großteil des Waldverlusts ist von Menschen gemacht.
Häufiger Anlass für große Aufforstungen sind Waldbrände. Große Feuer nehmen weltweit zu. Und die Brände selbst sind stärker als die gesunden, natürlich entstandenen Brände der Vergangenheit, die Gestrüpp und Totholz beseitigen und die natürlichen Erholungsmechanismen des Waldes aktivieren. Die Brände, die heute wüten, überziehen viel mehr Fläche und hinterlassen nichts als Asche und Holzkohle. Die bisher effektivste und am weitesten verbreitete Technik zur Wiederaufforstung eines abgebrannten Waldes bedeutet, dass menschliche Pflanzer Säcke mit Setzlingen tragen und diese von Hand in die nährstoffreiche Erde einsetzen. Das dauert nicht nur lange, die Arbeit ist auch mühsam, die Fluktuation hoch, die Arbeitskräfte sind knapp.
Selbst in den fortschrittlichsten Unternehmen der Welt sind die Pflanzer Superhelden, die mit Taschen und einer Schaufel Bäume pflanzen. Hier setzen Unternehmen wie SkySeed aus Berlin an. Das Unternehmen nutzt Drohnen, um Flächen aufzuforsten. Die Flächen werden mit Drohnen analysiert, ein Plan entwickelt und die Samen dann mit Drohnen ausgebracht. Damit die Samen vor Vögeln, Mäusen, Wind und Wetter geschützt werden und die Keimquote hoch ist, umhüllt Skyseed das Saatgut mit einem selbst entwickelten, patentierten Verfahren, dass die Samenkörner zu kleinen Pellets macht.
Bilanz nicht eindeutig positiv
Das Pflanzen und Pflegen von Bäumen war immer Handwerk. Man sammelte Samen, zog aus ihnen die Setzlinge, drückte sie in die Erde von Baumschulen und brachte sie dann, wenn sie groß genug waren, mit dem Spaten in den Wald. Heute hält Hightech Einzug in die Forstwirtschaft. Neben den Drohnen von Unternehmen wie DroneSeed sollen auch Künstliche Intelligenz, Sensoren und Machine Learning Aufforstung nachhaltiger gestalten und ihre Ergebnisse messbar machen.
Aufforstungen sind nicht zwangsläufig nachhaltig – im Umweltsinn. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte man in Deutschland und anderen Ländern stark auf schnellwachsende Nadelbaum-Monokulturen. Wie schlecht solche Monokulturen im Wald auf Probleme vorbereitet sind, lässt sich etwa im Harz beobachten, wo durch Trockenheit angeschlagene Fichten ein leichtes Opfer für Borkenkäfer werden und absterben.
Für ehrgeizige Klimaschutzziele – Deutschland will bei den Emissionen aller Treibhausgase bis 2045 auf netto-null kommen – sind Bäume wichtig. Die entziehen der Atmosphäre CO₂, das als Treibhausgas zur Erderwärmung beiträgt. Über die Fotosynthese speichern Bäume Kohlenstoff im Holz und geben Sauerstoff ab. In Kurzform: Wer Wälder rodet, treibt den Klimawandel an – wer Bäume pflanzt, kann helfen, ihn aufzuhalten.
Doch die Bilanz von Aufforstungsaktionen ist nicht so eindeutig positiv wie es hier klingt: Aufforsten verursacht Emissionen – denn schließlich müssen Samen gesammelt, Setzlinge gezogen und die kleinen Bäume dann ausgepflanzt werden. Das braucht Menschen, Material und Fahrzeuge. Schlecht gemacht verbraucht das Pflanzen viel Energie und damit CO₂, im schlechtesten Fall mehr, als die Bäume speichern können.
Es gibt viele Wege, beim Aufforsten nach Optimierungen zu suchen. Das schottische Unternehmen Intelligent Growth Solutions (IGS) versucht, Tempo in die erste Phase des Wachstums zu bringen und gleichzeitig die Überlebensraten der jungen Bäume zu erhöhen. IGS ist ein weltweit führender Anbieter von Vertical-Farming-Anlagen und hat kürzlich 200 riesige Wachstums-Türme in die Wüste von Dubai verkauft. In so einem Turm können auch 900.000 Nadelbäume angezüchtet werden – auf einmal. „Total Controlled Environment Agriculture“, so nennt man das bei IGS. Die Temperatur im Turm wird automatisch gemessen, die Bodenfeuchte, auch die Belüftung und Klimatisierung, die Düngeintervalle mit exakter Rezeptur werden per App gesteuert.
Solche Technik kommt – wenn auch bislang nur versuchsweise – beim Aufforsten 2.0 zum Einsatz. Ein Pilotprojekt mit der schottischen Forstbehörde FLS brachte beachtliche Ergebnisse: Die jungen Bäume wachsen unter diesen Idealbedingungen bis zu sechsmal schneller als in der Natur. Die ersten Bäume aus dem Hochregal sind ausgepflanzt und wachsen auch außerhalb der Laborumgebung, nun unweit von Loch Ness, bestens weiter.
Waldbrandrisiken bewerten
Die Satellitentechnologie hat sich in den vergangenen Jahren enorm verbessert. Spätestens mit dem Nasa-Satelliten „Jedi“ im All und dessen Lidar-Daten lassen sich der Zustand der Wälder, die Qualität der Böden, das Wachstum der Flora und auch die Rodungen praktisch in Echtzeit verfolgen. Auch der neue Esa-Satellit Biomass soll helfen, bessere Daten über den Wald zu sammeln. Dank Machine Learning und KI können die riesigen Datenmengen erstmals gezielt analysiert und angewendet werden – und lösen Begeisterung bei Forschenden aus.
Auch die Forstwirtschaft nutzt die neuen Möglichkeiten. Das finnische Unternehmen Arbonaut erstellt digitale Replikate von Waldökosystemen, sogenannte „Digital Twins“, und bietet verschiedene Softwarelösungen an. So lassen sich Waldbrandrisiken besser bewerten. Für Forstbehörden wird so auch eine Inventur des Waldes möglich. Es lassen sich Anzahl, Höhe und Volumen genauso messen wie der Kronenschluss der Bäume. Auch vom Wind oder Feuer zerstörte Gebiete oder invasive Arten können so automatisch entdeckt werden.
Neue Bäumen können mit noch so guter Technik ausgewählt und gepflanzt werden – entscheidend für den Erfolg und damit die CO2-Bilanz ist die Zeit danach. Überlebt ein Baum die ersten drei Jahre, ist er in der Regel stark genug, um Krankheiten, Käfer oder fressende Rehe zu überstehen. Diesen Erfolg zu messen hat sich das brasilianische Unternehmen Treevia zur Aufgabe gemacht. Es hat intelligente Sensorlösungen für die Forstwirtschaft entwickelt. Ihre kabellosen Sensoren, die direkt an ausgewählten Bäumen angebracht werden, messen in Echtzeit Parameter wie Wachstum, Feuchtigkeitsgehalt, Temperatur und Bodenbeschaffenheit. Über eine drahtlose Verbindung werden die gesammelten Daten an eine Cloud-Plattform gesendet, wo sie automatisch analysiert werden. Von den Beispiel-Bäumen können die gemessenen Daten auf das gesamte Waldgebiet hochgerechnet werden. Die Daten ermöglichen es etwa Forstunternehmen, Veränderungen schneller zu erkennen und frühzeitig auf Umweltbedingungen oder Krankheiten zu reagieren.
Werden zum Alltag im Wald

Viele der neuen Techniken befinden sich noch in einer Test- oder Pilotphase, werden jedoch zunehmend skaliert und in größeren Projekten angewendet. Große Flächenländer mit großen Aufforstungsprojekten, wie Kanada, Brasilien oder die skandinavischen Länder sind oft Vorreiter in der Nutzung solcher Technologien. Und der Markt bleibt in Bewegung. Das Unternehmen DroneSeed aus den USA etwa hat kürzlich seinen Fokus verändert, weil Drohnen für Gebiete, die nach Waldbränden neu aufgeforstet werden sollen, nach eigenen Angaben nicht die Erwartungen erfüllt haben. Das Unternehmen hat sich mittlerweile in Mast Reforestation umbenannt. Drohnen liefern weiter wertvolle Daten aus schwer erreichbaren Gebieten, das Unternehmen investiert aber zugleich massiv in eine eigene Saatgut- und Pflanzgutversorgung und will die klassische Pflanzarbeit möglichst effektiv machen. Man brauche gutes Saatgut und gute Technik, um alles nachhaltig in die Erde zu bekommen, heißt es beim Unternehmen.
Viel Bewegung also in den Wäldern der Welt. Auch in Deutschland kommen die Technologien zum Einsatz, werden Lidar-Daten für die Waldinventur oder Drohnen für Wildtierbewegungen genutzt. Und auch eine Start-up-Szene entsteht, mit Vorreitern wie Skyseed aus Berlin, die beispielsweise mit der TU München zusammen Auspflanzversuche aus der Luft im Frankenwald durchgeführt haben. Die Aufforstung, der Waldumbau und die Flächensicherung etwa gegen Erosion oder invasive Arten wird durch den Klimawandel immer wichtiger. Auch hierzulande werden die neuen, smarten Techniken zukünftig zum Alltag im Wald gehören.