Wer den politischen Betrieb lange beobachtet, gewöhnt sich an einiges. Etwa Floskeln. Über viele lässt sich noch wohlwollend weghören. Andere sind schlicht ärgerlich inflationär.
Besonders beliebt ist seit geraumer Zeit der Vorwurf an die politische Konkurrenz, „rein ideologisch“ zu agieren. Das sagt sich schnell daher, wenn einem etwas nicht gefällt, und vermittelt, dass andere nur Böses im Schilde führen. Und wenn andere „ideologisch“ sind, ist umgekehrt die eigene Position selbstredend vernünftig und sachlich.
Eigentlich ein ganz lustiges Ritual. Nur wird das Wörtchen „ideologisch“ damit so entwertet, dass es kaum noch etwas taugt, wenn es wirklich angebracht wäre.
Womit wir, leider, einmal mehr bei Migration landen. Seit Jahresbeginn immer weiter sinkende Zahlen von Asylanträgen zwingen offenbar, Grenzkontrollen weiter ebenso zu verschärfen wie die Diskussion darüber. So oft, wie ich in letzter Zeit höre, dass wir überfordert sind, könnte ich langsam selbst daran glauben. Wenn ich nicht wüsste, dass ein Teil der Überforderung auch darin besteht, Integrationsmöglichkeiten so schwer wie möglich zu machen, um dann zu erklären, dass Integration ja nicht gelingt, was natürlich nur an den Migranten liegt.
Zweifelsohne gibt es Missbrauch und illegale, kriminelle Machenschaften. Es gibt immer Menschen, die gezielt Systeme ausnutzen. Laufende Korrekturen sollten – wie in jedem System – deshalb eigentlich eine pure Selbstverständlichkeit sein.
Aber sicher kein Grund, ganze Gruppen von Menschen unter Generalverdacht zu stellen, so zu tun, als wären sie schuld, wenn es dem Land nicht besser geht. Was tatsächlich eine ideologische Haltung ist. Gerade bei denen, die ansonsten alles ideologiefrei und pragmatisch wollen. Und dann kurzerhand Steuererleichterungen beschließen, die zu Lasten der Kommunen gehen würden, die das Geld dringend – auch für Migration und Integration – bräuchten.
Höchste Zeit, derartige Diskussionen ganz schnell zu entschärfen. Wohin es sonst führen kann, zeigt ein Blick zu unseren Nachbarn, wo jetzt schon selbsternannte Bürgerwehren private Grenzkontrollen machen. Wer weiß, wann in derselben Art auch nach Bürgergeldempfängern gefahndet wird.