Drei Fragen
„Sollstärke von 250.000 erreichen“
Die Bundeswehr muss kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen, betont Henning Otte, der neue Wehrbeauftragte des Bundestages.
Herr Otte, wie wollen Sie die Herausforderungen der personellen Wehrfähigkeit der Bundeswehr angehen?
Indem wir den Weg fortsetzen, der bereits eingeschlagen wurde. Es gilt, nicht immer mehr auf die Schultern der Soldaten zu packen, sondern die Schultern breiter zu machen. Der Generalinspekteur taxiert einen Aufwuchs von 182.000 auf insgesamt 250.000 Soldaten. Die Koalition hat sich festgelegt, dies freiwillig zu erreichen. Ich lege mir das aber auf Wiedervorlage, um zu prüfen, ob vielleicht mehr verpflichtende Punkte gesetzt werden müssen, damit insgesamt die Bundeswehr gut aufgestellt ist und wir tatsächlich die anvisierte Sollstärke von 250.000 erreichen.
Gleich zu Beginn Ihrer Aufgaben als Wehrbeauftragter steht eine Premiere, der erste Nationale Veteranentag. Ist das auch so ein bisschen Nachwuchswerbung in der breiten Öffentlichkeit?
Nein, das könnte dann ein positiver Nebeneffekt sein, wenn sich beim Veteranentag junge oder mitteljunge Menschen von der Bundeswehr angesprochen fühlen und über eine Tätigkeit bei den Streitkräften nachdenken. Der Veteranentag ist in erster Linie eine Anerkennung und eine Wertschätzung für die Soldatinnen und Soldaten, ehemalige und aktive. Die Bundeswehr wird einen Tag lang in die Mitte der Gesellschaft genommen und bekommt die gebührende, längst nötige Aufmerksamkeit, die sie verdient. Und diese Verbundenheit werden wir zukünftig immer an dem nächst gelegenen Wochenende des 15. Juni mit einem Fest begehen.
Was ist für Sie die Kernbotschaft dieses ersten Veteranentages in der Geschichte der Bundesrepublik?
Wie gesagt, es geht in erster Linie um Anerkennung, Wertschätzung und auch das Bewusstsein zu fördern, was Bundeswehr für unsere Gesellschaft bedeutet. Soldatinnen und Soldaten sind bereit, Leib und Leben zu geben für unserer aller Freiheit, für unsere gesamte Gesellschaft. Darum gilt die Devise, die Bundeswehr muss kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen. Wir müssen die Abschreckung stark machen, dass niemand es wagt, uns anzugreifen. Nur so können wir Frieden und Freiheit wahren. Die Bundeswehr ist dafür der Garant, wie sie es auch schon in den Zeiten des kalten Krieges war. Interview: Sven Bargel

Weniger Müll
Der positive Trend setzt sich fort. 2023 entstanden insgesamt 380 Millionen Tonnen Abfälle in Deutschland. Das ist der niedrigste Wert seit 15 Jahren. Pro Kopf landeten 433 Kilogramm Abfall im Hausmüll, der niedrigste Wert seit über 20 Jahren. Das geht zum einen Teil natürlich auf ein gestiegenes Umweltbewusstsein der Verbraucher in Deutschland zurück. Doch die Müllvermeidung ist zu einem guten Teil nur durch das Engagement der Händler möglich, so der Handelsverband Deutschland (HDE). Je weniger Verpackungsmaterialien bei den Handelswaren verwendet werden, desto weniger landet anschließend im Müll, so die Logik des HDE. „Die Entwicklung der Abfallmengen zeigt, dass das Engagement des Handels Früchte trägt und die Anstrengungen für die Reduzierung von Müll wirken“, so Antje Gerstein, HDE-Geschäftsführerin Nachhaltigkeit. So wird im Sinne der Kreislaufwirtschaft etwa das Recyclingmanagement stetig verbessert, um den Rohstoffverbrauch zu senken und vor allem Materialien wenn möglich wiederzuverwenden.
Klärungsbedarf
Die Bundesregierung will mit massiven Steuererleichterungen Impulse für die Wirtschaft setzen. Die Bundesländer begrüßen die Idee zwar grundsätzlich, wehren sich aber dagegen, dass ein Großteil der damit einhergehenden Steuermindereinnahmen zu ihren Lasten gehen soll. Steuersenkungen auf der einen Seite würde ziemlich wenig bringen, wenn gleichzeitig Städten und Gemeinden das Geld fehlen würde, um vor Ort überfällige Investitionen tätigen zu können, heißt es ziemlich unisono aus allen Bundesländern. So hält auch Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) zwar Maßnahmen, um die Wirtschaft anzukurbeln, für „richtig und wichtig“, warnt aber davor, angesichts der „teilweise dramatischen Haushaltslage vieler Länder und Kommunen“, die Einnahmeausfälle einfach durchzuwinken.
Der Bund plant unter anderem eine Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie oder eine Erhöhung der Pendlerpauschale sowie „Super-Abschreibungen“ für Unternehmen. Das könnte zu 46 Milliarden weniger Einnahmen (bis 2029) führen, was vor allem Länder und Kommunen treffen würde.
Diäten erhöht
Es ist ein eingespieltes Ritual mit eingebauter Kritik. Was wiederum an den Regeln selbst liegt. Die Anpassung der Diäten (Bezüge) der Bundestagsabgeordneten ist an die durchschnittliche Lohnentwicklung gekoppelt. Steigen die Löhne, dann steigen die Diäten in gleichem Maß. Grundlage sind Berechnungen des Statistischen Bundesamtes. Rein formal muss das aber der Bundestag als Haushaltsgesetzgeber beschließen. Die Abgeordneten erhöhen sich somit formal also selbst ihre Einkünfte. Das gibt regelmäßig Anlass zur Kritik. Mit den Stimmen von CDU, CSU, SPD und Grünen, bei Gegenstimmen von AfD und Linken, wurde eine Erhöhung um 5,4 Prozent (ein Plus von mehr als 600 Euro) beschlossen. Kritiker verweisen darauf, dass das zwar dem durchschnittlichen Anstieg der Bruttolöhne entspricht. Reallöhne (nach Abzug der Inflation) sind aber nur um 3,1 Prozent gestiegen.
Umstrittene Fluggastrechte

Die Rechte von Fluggästen bei Verspätungen könnten aufgeweicht werden. Eine knappe Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten hat sich für eine Abschwächung ausgesprochen. Wenn es so kommt, würden nach Berechnung von Verbraucherschützern etwa 80 Prozent der betroffenen Passagiere nicht mehr entschädigt. Geplant ist demnach, Entschädigungen erst bei Verspätungen ab vier Stunden (statt bislang drei) zu zahlen und bei längeren Flügen (über 3.500 Kilometern) sogar erst ab sechs Stunden Verspätung.
Außerdem wären Airlines von der Zahlungspflicht befreit, wenn etwa Streiks oder kurzfristig erkranktes Personal der Grund für Verspätung wären.
Etliche Mitgliedsstaaten, darunter auch Deutschland, sind gegen eine solche Aufweichung. Das letzte Wort liegt aber jetzt beim EU-Parlament. Sollte das die vorgelegten Pläne ablehnen, müsste erst mal neu verhandelt werden. Bis dahin bleibt es aber bei den jetzt gültigen Regelungen.

Kultur
Provozierend kämpferisch
Der neue Kulturstaatsminister im Kanzleramt, Wolfram Weimer, hat durch einen Gastbeitrag für heftige Diskussionen gesorgt. In der „Süddeutschen Zeitung“ zog Weimar gegen die „öko-sozialistische Empörungskultur“, wie er es nennt, zu Felde: „Die freiheitsfeindliche Übergriffigkeit der Linken hat in der Cancel Culture ihr aggressives Gesicht“, schreibt er in dem Beitrag. Als jüngstes Beispiel nennt Weimar die Entfernung einer nackten Venus-Statue aus einer Berliner Behörde wegen des Vorwurfs der Frauenfeindlichkeit. „Es ist nicht übertrieben, von einem Akt kulturferner Ignoranz zu sprechen“, argumentiert der Kulturstaatsminister. Die simple Gleichung, (weibliche) Nacktheit sei per se sexistisch und habe in der Öffentlichkeit nichts zu suchen, wirke „wie das Credo eines jakobinischen Bildersturms“, so Weimar. Zugleich warnt er: „Auch die rechten und rechtsradikalen bis rechtsextremen Kulturkampfreflexe lassen nichts an Engstirnigkeit vermissen“. Wie weit das geht, zeigt die USA unter Trump. Dort wurde eine Lehrerin gefeuert, weil sie den nackten David von Michelangelo gezeigt hat. Weimar wendet sich gegen derartige ideologischen Bevormundungen, egal von welcher Seite.
Hochwasserhilfen ausgezahlt
Ein Jahr nach dem Pfingsthochwasser (2024) sind 43 Millionen Euro an Hilfen für Kommunen ausgezahlt. Das Land hatte in einem Nachtragshaushalt 33 Millionen zur Regulierung von Schäden sowie zehn Millionen Soforthilfen bereitgestellt. Nach Angaben des Innenministeriums sind davon knapp 13 Millionen für Kommunen im Regionalverband Saarbrücken, gut 10,5 Millionen im Kreis Saarlouis sowie 2,5 Millionen im Kreis Merzig-Wadern bereitgestellt worden. Insgesamt sei damit möglich, rund 93 Prozent der Schäden abzudecken. „So ist es der engen und vertrauensvollen Abstimmung mit Gemeindeverbänden und Kommunen zu verdanken, dass fast genau ein Jahr nach dem Pfingsthochwasser alle Hilfen der Landesregierung genau an den Stellen liegen, an denen sie benötigt werden“, betont Innenminister Reinhold Jost. In der Krise habe das Land seinen „großen Solidaritätsgeist“ gezeigt, was auch für Hilfe von außerhalb gelte. Über 13.000 Einsatzkräfte aus mehreren Bundesländern waren in mehr als 4.000 Einsätzen beteiligt.
Russlandtrip mit Folgen
Der luxemburgische EU-Abgeordnete Fernand Kartheiser ist von der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer ausgeschlossen worden. Grund ist eine umstrittene Russlandreise des Luxemburgers. Damit habe er „eine rote Linie überschritten“, hieß es zur Begründung des Ausschlusses. Kartheiser war – trotz vorheriger Warnungen – nach Russland gereist, um dort mit Abgeordneten der Duma „Vermittlungsgespräche“ zu führen. Die Vorsitzende der luxemburgischen rechtspopulistischen Partei ADR, Alexandra Schoos, betonte, sie könne den Rauswurf nicht verstehen. Kartheiser war schon früher immer wieder durch seine rechtpopulistischen Äußerungen aufgefallen. Bei der Europawahl im vergangenen Jahr war er für die ADR ins Europaparlament eingezogen.
Auszeichnungen

Die Social Media Briefing Awards werden für besonders gelungene Performances in sozialen Netzwerken an saarländische Politiker und Politikerinnen, Kommunen und Vereine verliehen. Es geht vor allem um Inhalte, Kreativität, Authentizität und Information. Initiator ist die Union-Stiftung, die Preise werden von einer Jury ermittelt, bei der auch FORUM mitgewirkt hat. Den Social Media Briefing Award in der Kategorie Top Voice 2024 erhielt Marc Speicher (CDU), Oberbürgermeister der Stadt Saarlouis, für seine Reaktion in der sogenannten „Schnurres-Affäre“. Newcomer 2024 ist die Gemeinde Illingen, Durchstarter 2024 der SPD-Politiker Sascha Haas. Der Publikumspreis Bester Ortsvorsteher 2024 geht an den Ortsvorsteher Marko Cullmann (SPD). Bester Verein 2024 ist KUV Wiebelskirchen. Ein Sonderpreis wurde verliehen an die Stadt Ottweiler für transparente, verlässliche und schnelle Kommunikation während des Pfingsthochwassers 2024.

Bulgarien in Eurozone
Als 21. Mitglied der Eurozone kann Bulgarien die europäische Währung einführen. Dafür hat das Land einen langen Weg hinter sich. Eigentlich sollte der Euro schon 2024 die bisherige Landeswährung (Lew) ablösen, allerdings erfüllte das Land damals noch nicht die strengen Kriterien. Insbesondere die Inflation war viel zu hoch. Das sei aber nun durch „gewaltigen Einsatz“ geschafft, erläuterte der Chefökonom der Europäischen Zentralbank, Philip Lane. Die Umstellung ist allerdings im Land nicht unumstritten. Je nach Umfrage sind zwischen einem Drittel und der Hälfte der Bevölkerung skeptisch, teils aus ideologischen Gründen, teils, weil mit der Euro-Einführung steigende Preise befürchtet werden. Insbesondere nationalistische und pro-russische Gruppierungen organisierten Proteste gegen den Euro. Dass der Beitritt auf den letzten Metern noch scheitern könnte, gilt aber als unwahrscheinlich.
Damit bleiben noch sechs EU-Mitgliedsländer, die dem Euro noch nicht beigetreten sind: Polen, Dänemark, Rumänien, Schweden, Tschechien und (natürlich) Ungarn.
Verkehr
Mehr Tempo gefordert

Die Grünen im Saarland fordern ein „entschlossenes Vorgehen“ bei Reaktivierung von Bahnstrecken im Saarland. Es dürfe nicht bei schönen Studien bleiben, vielmehr müssten Ergebnisse jetzt „auf die Schiene kommen“, sagt Grünen Landeschef Volker Morbe. Dass manche Kommunen der Reaktivierung von Strecken eher zurückhaltend gegenüber stünden, liege an der mangelhaften Kommunikation nach einem anfänglich eigentlich gutem Start. Kommunen wie Merzig oder Losheim hatten sich gegen eine Reaktivierung ausgesprochen. Man müsse den Kommunen aber klar machen, welche Vorteile, auch wirtschaftlicher Art, es bringen würde, erklärten die Grünen. „Reaktivierung von Bahnstrecken ist nicht nur ein klimapolitisches Muss, sondern auch eine große Chance für die wirtschaftliche Entwicklung und Lebensqualität im ländlichen Raum“, heißt es in einer Erklärung. In einer Machbarkeitsstudie wurde vor allem drei Strecken eine Chance auf Reaktivierung eingeräumt: Primstalbahn, Rossel- und Bisttalbahn sowie die Strecke Merzig-Losheim. Die Grünen fordern die Umsetzung aller drei Projekte.

Parteien
Grüne streiten wieder
In den vergangenen fünf Jahren war es bei den Grünen innerparteilich auffällig ruhig. Drohende, größere Streitereien wurden gleich im Ansatz von den jeweiligen Parteiführungen im Keim erstickt. Nun, wieder in der Opposition gelandet, scheinen sich die Grünen auf ihre alte Streit-Kultur besonnen zu haben. Die Sprecherin der Grünen Jungend, Jette Nietzard, hatte mit mehr als despektierlichen Äußerungen über die Polizei die Altvorderen des gemäßigten Flügels der Mutterpartei gegen sich aufgebracht hat. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann empfahl seiner jungen Parteifreundin den Austritt bei den Grünen. Nun die Retourkutsche vom linken Flügel der Partei, dabei geht es auch um die Migrationspolitik. „Winfried Kretschmann kann ruhig mal den Mund halten, früher in Rente gehen oder gleich selber zur CDU wechseln“, polterte Enad Altaweel, Mitglied des Berliner Landesvorstands der Grünen gegen Kretschmann. Im Bundesvorstand herrscht Ratlosigkeit, wie nun der drohende, offene Konflikt zwischen den beiden Flügeln wieder befriedet werden kann.
Wiegand will's wissen
Blickpunkt Europa
Wer in Nahost etwas gelten will, braucht Einfluss, Strategie – und Realitätssinn. Die Europäische Union betreibt stattdessen entrückte Symbolpolitik. Ihre diplomatische Linie wirkt wie der Beipackzettel einer Selbsthilfegruppe: gut gemeint, aber machtlos.
Während regionale Player Fakten schaffen und Washington mit eiserner Hand Interessen durchsetzt, agieren Brüssel und die 27 EU-Staaten mit zerknüllbaren Resolutionen, Anerkennungsritualen für ein Phantompalästina oder moralischer Überheblichkeit. Eine Führungsrolle sähe anders aus.
Besonders bitter: Einzelne EU-Staaten geben sich der Illusion hin, eine Lösung der Nahostfrage rücke näher, wenn man den einzigen demokratischen Rechtsstaat der Region öffentlich an den Pranger stellt. Deutschland redet gar von „Zwangssolidarität“ mit Israel – gefährlich nah am rechtsextremistisch konnotierten Ausdruck „Schuldkult“. Das erzeugt Applaus pro-palästinensischer Demonstranten – durchsetzt von Weltrevolutionären, antisemitischen Hetzern und islamistischen Brandstiftern.
Eine Isolierung des diplomatisch sowieso schon international gebrandmarkten jüdischen Staates ist hochgefährlich. Wer Israel delegitimiert, bringt keinen Frieden. Er festigt nur Kräfte, die unter allerlei Labels nicht müde werden, Vernichtung zu predigen – im Inneren wie im Äußeren.
Die EU – eine Friedensmacht? Tatsächlich fällt sie durch Weltfremdheit und Doppelmoral auf. Europa steht in dem brutalen Spiel des Nahen Ostens an der Seitenlinie. Ein geopolitischer Zuschauer – laut, selbstgerecht, aber bedeutungslos.
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.