In einer Welt, in der Schönheitsideale immer mehr propagiert werden, will Vika (@vikykid) insbesondere eines: aufklären. Die Content-Creatorin litt selbst jahrelang an einer Essstörung und weiß, wie schwer es ist, sich selbst zu akzeptieren – und wie wichtig.
Liebe Vika, Du sprichst auf Deinen Kanälen von Bodyneutrality und nicht von Bodypositivity – wo liegt für Dich der Unterschied?
Es gibt mehrere Unterschiede zwischen den Begriffen. Erst mal ist für mich ganz wichtig: Bodypositivity kommt ursprünglich aus dem Fat-Acceptance-Movement – das ist eine politische Bewegung, gegründet von dicken schwarzen Frauen, vor allem auch von Frauen mit sichtbarer Behinderung. Und zu dieser Gruppe gehöre ich einfach nicht. Auf meinem Kanal geht’s viel mehr um die individuelle Ebene als um die politische, weil ich mit meinem Körper nicht marginalisiert bin – außer, dass ich eine Frau bin. Ich genieße sonst viele Privilegien. Und dann ist da noch dieser Hauch von toxischer Positivität bei Bodypositivity. Man muss sich nicht komplett lieben – Akzeptanz reicht vollkommen aus. Genau das ist auch die Idee bei Bodyneutrality: Der Körper ist weder gut noch schlecht – er ist einfach da. Und das ist okay so. Wir müssen ihn gar nicht bewerten. Das finde ich eine sehr starke Botschaft.
Warum ist es Dir wichtig, dieses Thema in den Fokus zu rücken?
Aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen: Schönheitsideale spielen aus weiblicher Perspektive für uns alle eine große Rolle. Wir werden ständig damit konfrontiert – Social Media, Werbung, früher waren es Magazine, auf deren Covern nur superdünne, normschöne Menschen abgebildet waren. Aber nie echte Körper – unretuschiert, so wie sie eben sind. Ich erinnere mich, als ich das erste Mal in der Therme war. Ich hatte davor echt Angst – aber als ich dann dort war, war ich total erleichtert. Ich habe gesehen: Menschen sind keine Cover-Bilder, das sieht in Wirklichkeit ganz anders aus. Und genau das ist wichtig, damit wir ein Stück weit glücklicher mit uns selbst sein können.
Wie groß ist der Druck durch Social Media – gerade auch für junge Menschen?
Aktuell ist „Skinny Tok“ (Anm. d. Red.: ein Trend, bei dem vornehmlich junge Frauen von ihrer Reise zum „Idealkörper“ erzählen) wieder total präsent. Das erinnert mich an vor zehn, 15 Jahren – da hatte ich meine Essstörung. Und jetzt kommt dieses Thema wieder zurück. Es gab Zeiten, da war ich gar nicht in dieser Bubble drin. Wenn ich mit meiner Community spreche, frage ich, ob es für sie heute besser ist als damals für mich als Teenie. Und sie meinen: Nein, es hat sich überhaupt nicht verändert. Es sind immer noch die gleichen Struggles. Das ist natürlich traurig zu hören – aber gleichzeitig ist es ein Ansporn, mit meinem Account weiterzumachen. In diesem Sinne: Ja, der Druck ist enorm.
Betrifft es Frauen und Männer gleichermaßen?
Männer haben natürlich auch Schönheitsideale. Aber es ist wichtig, zu verstehen, dass diese Schönheitsideale sozial konstruiert sind. Und weil wir in einer Gesellschaft leben, in der die meisten Menschen mit Macht Männer sind, sind diese Ideale oft von patriarchalen Strukturen geprägt – unter denen dann natürlich alle leiden.
Würdest Du sagen, dass soziale Medien eine ganze Generation – vielleicht sogar schon die zweite – anfälliger für psychische Erkrankungen wie Essstörungen machen?
Ja, auf jeden Fall. Früher waren es Magazine oder das Fernsehen – heute ist es Social Media. Das ist nun mal das Medium, das aktuell am meisten konsumiert wird. Und durch diese ständige Verbindung über Social Media lassen sich viel schneller Communities bilden, Kontakte knüpfen – im Guten wie im Schlechten. Alles ist schnelllebiger und dadurch auch potenziell gefährlicher. Ich habe letztens eine Statistik gesehen, dass die Zahlen von Essstörungen bei Teenager-Mädchen wieder steigen.

Du hast selbst unter einer Essstörung gelitten. Wie hast Du Dich da rausgekämpft?
Mit viel Zeit und Therapie – es war ein langer Prozess. Ich würde sagen, heute bin ich recovered, aber es hat locker zehn Jahre gedauert. Bei mir war es eine Magersucht – später kamen dann Bulimie und Binge-Eating dazu. Diagnostiziert wurde nur die Magersucht, und das ist – wie der Name schon sagt – eine Sucht. Also ein Zwang. Die meisten erkennen gar nicht, dass sie ein Problem haben. Ich war so tief drin in dieser Gedankenwelt, so besessen davon, dünn zu sein.
Gab’s einen Moment, in dem Du gemerkt hast: Ich muss etwas ändern?
Es gab kaum einen klaren Punkt, an dem ich gesagt habe: „Jetzt komme ich da raus.“ Es war eher ein schleichender Prozess mit sehr viel Arbeit an mir selbst. Es gab allerdings diesen Moment, in dem ich gedacht habe: „Vielleicht bin ich gut so, wie ich bin“ – das war, als ich mit Tiktok angefangen habe. Ich dachte damals schon, ich sei essstörungsfrei, aber wenn ich heute zurückblicke, sehe ich, wie viele Muster noch da waren. Ich habe auf Tiktok angefangen, offen über meine Essstörung zu sprechen – das hat vielen geholfen. Und mir auch. Zu sehen, dass mein unbearbeiteter Körper anderen Mut macht, hat mir Kraft gegeben. Seitdem wurde es besser und besser. Heute geht’s mir gut – mal sehen, wie ich in fünf Jahren darauf zurückblicke.
Man hört ja oft, dass man von einer Essstörung nie ganz geheilt ist. Wie stehst Du dazu?
Ich mag diese absoluten Aussagen nicht – dieses „nie“ oder „nicht“. Ja, es ist schwer. Aber ich glaube, es gibt Menschen, bei denen wirklich keine Muster mehr vorhanden sind – die ganz frei davon leben. Für mich war die Aussage „Das geht nie weg“ eher demotivierend. Warum sollte man sich dann überhaupt bemühen? Auch wenn ich verstehe, dass sich andere dadurch gesehen fühlen in der Schwere ihrer Erkrankung.
Welche Reaktionen bekommst Du auf Deinen Content?
Extrem viel Dankbarkeit. Vor allem Frauen schreiben mir so liebe, wertschätzende Nachrichten. Viele sagen, sie fühlen sich durch mich gesehen, trauen sich mehr – zum Beispiel, bestimmte Kleidung zu tragen oder einfach mehr sie selbst zu sein. Das finde ich wunderschön. Aber es gibt auch viele Männer, die mich sexualisieren. Das ist nicht so schön.
Du hast kürzlich etwas zu Hasskommentaren gepostet. Warum, glaubst Du, schreiben Menschen so etwas?
Ich glaube, das ist viel Projektion. Es tut mir manchmal eher leid. Gerade Männer, die diese Kommentare schreiben – da merkt man häufig, wie sehr sie selbst unter ihren eigenen Körperbildern leiden. Sie haben krasse Ansprüche an sich selbst und projizieren die auf mich. Und das Traurige ist: Sie hören nicht auf Frauen. Frauen sagen ständig, dass sie kein Sixpack brauchen – dass sie andere Dinge wichtig finden, wie Wertschätzung oder mal Blumen geschenkt bekommen. Aber diese Männer hängen noch in dieser Spirale fest: „Ihr wollt doch einen Sixpack.“ Nein, wollen wir nicht. Niemand will das. Wenn sie mir schreiben, ich sähe nicht so aus, wie ich „sollte“, dann ist das eigentlich ihr eigener Anspruch an sich selbst. Sie sind unzufrieden mit sich – und das projizieren sie auf andere.
Kommen wir zurück zu dem positiven Feedback. Frauen, die Dir schreiben, dass es ihnen durch Dich besser geht. Hättest Du früher jemanden wie Dich gebraucht?
Ich hatte tatsächlich jemanden wie mich. Es ist ganz lustig, weil meine ganze Reise mit Essstörungen von Social Media begleitet wurde. Ich habe damals den Account eines Mädchens gefunden, das nicht dünn, eher dicker war. Ein ganz realistischer Körpertyp mit Dehnungsstreifen und allem. Ich weiß noch, dass sie einmal ein Bild gepostet hatte, auf dem sie Blumen auf ihre Dehnungsstreifen gemacht hatte – das fand ich so schön und künstlerisch. Und ich dachte: Wenn ich das bei ihr schön finde, kann ich das vielleicht auch bei mir schön finden. Das hat mir damals enorm geholfen. Ich folge ihr heute noch.
Was würdest Du jungen Menschen mitgeben, die mit ihrem Körper struggeln?
Dass sie etwas tun können. Dass sie einen Einfluss darauf haben, wie es ihnen geht – indem sie genau hinschauen, was sie sich auf Social Media anschauen. Aber ich würde ihnen auch sagen: Macht, was Ihr für richtig haltet. Denn das ist der Weg zu mehr Selbstbewusstsein – auf Euch selbst vertrauen, Fehler machen, daraus lernen, Euren eigenen Weg gehen. Ich kann sagen, was ich will – aber am Ende müsst Ihr Euren Weg finden.