Wird von neuen Weltrekorden berichtet, kommt sofort der Verdacht auf: Doping. Der Profisport steht unter Dauerverdacht, leider manchmal zu Recht. Doch der Breitensport steht dem in nichts nach, auch mit Todesfällen. Die kommen dann aber nicht in die Schlagzeilen.
Kurz nach 23 Uhr bekommt ein renommiertes Fitnessstudio in der Berliner City-West besonderen Besuch. Bereits gut trainierte Damen und Herren, allerdings in Polizeiuniform. Und sie wollen an diesem Abend garantiert keine Gewichte stemmen. Es sind Mitglieder einer Sonderkommission der Polizei. Ihr Auftrag: Auffinden und Beschlagnahme von illegalen Substanzen, medizinischen Stimulanzien und anabolischen Steroiden. Es geht weniger um Personenüberprüfungen, sondern direkt in den Umkleidebereich der Männer. Gesucht werden verschlossene Schränke, die als Zwischenlager für den täglichen Verkauf dienen. Der Hinweis zur Durchsuchung kommt offenbar aus der Pumper-Szene selbst, mehr ist von der Staatsanwaltschaft dazu nicht zu erfahren.
Mit dem Handel dieser Substanzen zwischen Hantelbank und Rückenmaschine werden Millionen verdient. Doch es geht dabei nicht nur um den Verdacht des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz oder um illegalen Medikamentenhandel, sondern auch um vorsätzliche Körperverletzung. Nur der Betrugsvorwurf entfällt, hier geht es nicht um das Erreichen der Bestleistung in einem Wettkampf, sondern allein um den privaten Nutzen. Um eine besondere Form der Selbstoptimierung.
Das betrifft nicht nur Kraftsportler, die damit so schnell wie möglich sichtbare Ergebnisse erzielen wollen, sondern auch angehende Marathonläufer, Rad-Amateure oder Schwimmer. Sie nehmen gesundheitliche Gefährdungen in Kauf, von denen sie meist nicht den Hauch einer Ahnung haben.

Der Einstieg ist schleichend – und gesetzlich nicht zu beanstanden. „Ich habe vor dem Lauftraining immer eine Kopfschmerztablette genommen, irgendwann waren es zwei und dann drei“, berichtet Ausdauersportler Klemens F., der seine Leistungen mit den klassischen Blutverdünnern gesteigert hat. Das ging fünfzehn Jahre gut. In der Zwischenzeit waren es nicht mehr die freiverkäuflichen Schmerztabletten, sondern die rezeptpflichtigen, deren Wirkung um ein Vielfaches höher liegt. Durch die Schmerzmittel bekam der 46-Jährige gar nicht mit, dass seine Laufeuphorie von bis zu 100 Trainingskilometern die Woche die unteren Bandscheiben nach und nach völlig ruinierte. Irgendwann ging es nicht mehr. Die Folge: eine Operation. Heute freut sich Klemens, dass er immerhin noch 40 Kilometer am Stück Rad fahren kann. Zumindest organisch ist er noch glimpflich davongekommen, keine merklichen Schäden durch den Medikamentenmissbrauch.
Schwere Schäden an Leber und Niere
Etwas, das bei Kraftsportlern nach jahrelangem Konsum von leistungssteigernden Substanzen fast nie zutrifft. Ihre sportliche Selbstoptimierung läuft hauptsächlich über die Einnahme von Wachstumshormonen, die vor allem Leber und Nieren schwer schädigen. Allein das verfügbare Spektrum von anabolischen Steroiden auf dem deutschen Markt ist schier unüberschaubar, aber erstens nicht ohne Weiteres zu bekommen und dann auch teuer. Wer es raffiniert anstellt, bekommt seinen Arzt dazu, dass dieser ihm Testosteron-Tabletten verschreibt, was aber nur für kurze Zeit klappt.
Doch dafür gibt es das Internet. Über entsprechende Portale ist alles verfügbar, was der Wachstumshormon-Markt hergibt – und vor allem auch bezahlbar. Von anabolischen Präparaten bis zum Stierhoden-Extrakt. Ob als Pulver, Tabletten oder gleich zum Injizieren per Spritze direkt in den zu trainierenden Muskel. Die gesundheitlichen Folgen sind für die Konsumenten katastrophal. Leberwerte, die auch mal das 20-Fache des Normalen erreichen können. Bei Männern ebenfalls nicht selten: sich zurückbildende Hoden, was genauso irreparabel ist wie schwere Schädigungen der Gebärmutter bei Frauen. Dazu kommen schwerste psychische Beeinträchtigungen bereits wenige Wochen nach Beginn der Ersteinnahme.
Der Konsum der Blutverdünner dient der Leistung. Es wirkt gegen schmerzende Gelenke, erlaubt dauerhafte Überlastung. Die Hormone lassen dagegen die Muskeln in ungeahnten Dimensionen wachsen und versetzen den Körper obendrein in ein dauerhaftes Hochgefühl. Ein Zustand, der sich psychisch dann noch mal von selbst durch das Belohnungszentrum des Gehirns verstärkt, wenn die zehn Kilometer in neuer Bestleistung absolviert wurden oder Kniebeugen mit 120 Kilogramm Langhantel wie geschmiert laufen. Doch in dem Augenblick, in dem die Substanzen nicht mehr eingenommen werden können, weil in der Regel entweder Magen, Leber oder Nieren, im schlimmsten Fall alle zusammen, nicht mehr mitspielen, kommt es zu schwersten Depressionen. Zahlen zu den Folgeschäden bis hin zu Todesfällen durch Doping im Amateur- und Breitensport liegen bundesweit nicht vor, da es keine gezielte Erfassung gibt.