Für viele Menschen scheinen Lifestyle-Coaches Retter in emotionalen Ausnahmezuständen zu sein. Während sich die einen an verkürzte Lebensweisheiten krallen, machen sich andere genau darüber lustig.
Ob dieser Tipp für Hilfe in einer Selbsthilfegruppe für Krebskranke im Endstadium gut ankommt: „Heilung ist ein zyklischer Prozess. Sie ist eine Spirale, die Dich immer weiter nach oben führt“? Das frage ich mich, als ich den Post von Laura Malina Seiler lese, einer „Person des öffentlichen Lebens“, wie mir Instagram mitteilt. Genau genommen ist die 39-Jährige Autorin, Podcasterin und –
Coachin. Auf Instagram folgen ihr Stand Ende Juni rund 440.000 Follower. Ihr Youtube-Kanal erfreut sich an 208.000 Abonnenten.
Für mein Abtauchen in die Welt der Lifestyle-Coaches anlässlich dieses Textes höre ich mir ein Stück ihres Podcasts „happy, holy & confident“ an. Keine Frage, der Titel der Folge „Psychologin erklärt: Wie du People Pleasing stoppst und ENDLICH Grenzen setzt!“ spricht mich am ehesten an. Doch Schlagworte wie „Ich finde 2025 hat so ne ganz andere Qualität wie ’24 und ’23“ (die Folge ging im Mai online), „Energie“, „Schöne Frage“, „superviel“, „mein absolutes Herzensthema“ oder „mir wurde gespiegelt“ langweilen mich ebenso wie Analysen wie „Es war ein Kommunikationsfehler von uns beiden“, die für mich eher nicht danach klingen, Grenzen zu setzen.
Schon sind wir mitten im kunterbunten Netzwerk von Lifestyle-Coaches. Obwohl – so bunt scheint sie gar nicht zu sein. Es scheint sich eher aufzuteilen in die Coaches, die betont ruhig und um korrekte Wörter ringend darüber reden, wie man sein Leben austariert oder dass man klar kommuniziert, wo man gerade im Leben steht, und in diejenigen, die mir mit Lautstärke 11 klarmachen, dass 2.000 Euro „nix“ sind, oder die das berühmte „Mindset“ betont krawallig in Richtung Kamera brüllen und mir aufzeigen, was für ein kleiner Wicht ich doch bin.
Influencer Rezo analysiert das in seinem gemeinsamen Video mit Mahluna („LIFE COACHES sind SO WEIRD!!“) eigentlich ganz treffend: „Das Ding ist: Die denken ja immer in Superlativen. Es ist immer das Wichtigste, was ich Dir jetzt sagen kann.“ In diesem Satz scheint mir ebenso viel Wahrheit zu stecken wie darin, dass die journalistische Berichterstattung über Life-Coaches sich vor allem auf die Krawall-Vertreter konzentriert. Und das ist auch durchaus unterhaltsam, denn ehrlich: Viele der Kalender-Sprüche aufsagenden Coachinnen und Coaches haben jeden Spott verdient, und es erschließt sich mir nicht, wie man verbale Facebook-Memes so ernst nehmen kann, dass man gewillt ist, unter Umständen Tausende von Euro für Tipps zu berappen, die ich in tiefgekühlten Glückskeksen deutlich günstiger finde. Zumindest scheint ihr unternehmerischer Geist ausgeprägter als meiner zu sein.
Eigenwillige Finanz-Tipps

Mal im Ernst: Wer nimmt solche Leute ernst, wie sie Rezo und Mahluna in ihrem sehr unterhaltsamen Reaction-Video zeigen? Den Holzhacker etwa, der es im „Männer-Retreat“ schafft, beim Hacken das Holz von der Axt zu schleudern, die er übrigens mit bemerkenswertem Dilettantismus schwingt. Oder den Jogger, der mit beängstigendem Hass in den Augen darüber sinniert, dass die Abschaffung der Wehrpflicht das Schlimmste war, was der Gesellschaft passieren konnte. Oder den deutlich adipösen Zeitgenossen, dessen Video mit „Wer nicht fünf Döner schafft, ist kein Löwe“ betitelt ist, und der auf der Suche nach „fünf stabilen Männern“ ist.
Immerhin ist folgender Tipp von einem oberkörperfreien Selbstoptimierungs-Guru nicht von der Hand zu weisen: „Also wenn Du nur 1.000 Euro im Monat machst, würde ich Dir empfehlen, mehr zu machen.“ Die Suchmaschine meines Vertrauens zeigt mir erstens, dass es sich dabei um Jeremy Fragrance handelt, und zweitens, dass sein Youtube-Kanal 195.000 Abonnenten hat. Ich bin erleichtert. Ich hatte schon befürchtet, es seien mehr, die seinem stolz zur Schau getragenen Chauvinismus und seiner AfD-Nähe folgen.
Wie es in der Welt der „Branche, die Dich durch jede Krise trägt“ zugehen kann, dem geht „Reschke Fernsehen“ im satirisch-investigativen Beitrag „Psychotricks: Die bizarre Show der Life-Coaches“ auf den Grund; zu sehen in der ARD Mediathek. Dabei passt die trockene Ironie von Moderatorin Anja Reschke perfekt zum galligen Sarkasmus von Heinz Strunk, der mit Tipps wie „Lache, solange Du noch Zähne hast“ genialisch die Beliebigkeit von vielen Life-Hacks auf den Punkt bringt. Immerhin betont die Reschke-Redaktion aber auch – wenn auch wirklich wirklich nur ganz kurz –, dass es auch „wirklich viele viele seriöse Coaches“ gibt, die eine wissenschaftlich fundierte Ausbildung hätten.
Und auch ich finde, dass es ja grundsätzlich nicht schlimm ist, sich seiner selbst weiter bewusst zu werden. Schließlich verschieben sich im Laufe eines Lebens oftmals Prioritäten, und da ist es nicht schlecht, mal einen Blick von außen zu bekommen. Nicht mit jeder Problematik muss man direkt eine Therapie beginnen, zumal Termine für die Bewältigung von wirklichen Traumata schwer zu bekommen sind. Man sollte halt erkennen, wann professionelle Psychotherapie angebracht ist und wann emotionale Verknotungen auch einfacher zu entwirren sind.
In einem Interview mit dem Nachrichtenportal von „1und1.de“ wird Alexander Brungs als Vorstand für Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Coaching Verband (DCV) wie folgt zitiert: „Ganz generell gilt: Nutzen Sie aufmerksam sämtliche Informationen, die Sie über den Coach erhalten können, und überprüfen Sie, ob diese Informationen in sich schlüssig und plausibel sind. Kommt Ihnen etwas merkwürdig vor, suchen Sie eine andere Person – der Markt ist groß genug.“
Er gibt Leserinnen und Lesern auch einige Tipps an die Hand – und die klingen sowohl plausibel als auch seriös. Ein guter Coach würde beispielsweise keine Versprechen auf konkrete Ergebnisse abgeben. Man solle auch darauf achten, vertraglich nicht auf die Ableistung und Zahlung bestimmter Stundenzahlen und nicht auf die Befolgung von Anweisungen, Techniken et cetera verpflichtet zu werden. Wichtig sei es zudem, jederzeit die Frage zu stellen, was im Coachingprozess weshalb unternommen werde, und man müsse darauf eine zumindest plausible Antwort erwarten können. Und vor allem anderen gelte dies: „Gibt Ihnen Ihr Bauchgefühl nicht ,grünes Licht‘, heißt das nicht, dass es sich um einen schlechten Coach handelt, aber Sie beide passen vielleicht einfach nicht zueinander, weshalb auch immer.“
Und der Wirtschaftspsychologe Uwe Kanning sagt im gleichen Artikel: „Ein guter Coach muss zunächst einmal eine fundierte Ausbildung aufweisen, in der Grundlegendes gelernt wurde, und zwar im Hinblick auf etwa menschliches Verhalten, Emotionen, Konflikte und Problemlösestrategien. Diese Ausbildung sollte auf wissenschaftlichen Erkenntnissen fußen und nicht vor dem Hintergrund diverser Schulen oder weltanschaulicher Ideologien laufen.“ Ein Coach sei eben weder Psychotherapeut noch Mediziner. Im Zweifelsfall müsse er also auf den eigenen Profit verzichten und seinen Klienten raten, sich an professionellere Berufsgruppen zu wenden.