Die Stimmung ist angespannt zwischen den USA und der Europäischen Union. Jeanne Dillschneider (Grüne) mahnt dennoch: Die transatlantischen Beziehungen dürfen unter keinen Umständen abreißen – müssen aber sehr wohl neuen Regeln folgen.
Frau Dillschneider, in diesem Jahr startete US-Präsident Donald Trump in seine zweite Amtszeit. Wie steht es seitdem um das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA?
Das Verhältnis steht an einem sehr schwierigen Punkt. Schon Trumps erste Amtszeit hat den USA einiges zugemutet, aber jetzt hat sich das noch einmal weiter verschärft. Er hat inzwischen de facto nur noch Leute in seiner Administration, die seine Politik eins zu eins umsetzen. Alle anderen wurden mehr oder weniger entlassen. Wie jüngst im Außenministerium, in dem über 1.300 Beschäftigten fristlos per E-Mail gekündigt wurde. Wir schauen mit Sorge darauf, was gerade passiert: Es gibt Angriffe auf die Forschung, auf die Justiz, auf Minderheiten und auf Teile der eigenen Bevölkerung. All das macht es auch für uns in Deutschland schwer, einen klaren Umgang zu finden. Vor allem angesichts der großen Unbeständigkeit von Trump. Man weiß nie, was er morgens entscheidet und was er dann abends wieder dazu sagt. Für die EU und auch für uns hier in Deutschland ist es enorm herausfordernd, darauf zu reagieren.
Seit Amtsantritt hat er zahlreiche internationale Abkommen verlassen oder infrage gestellt, etwa das Pariser Klimaabkommen. Welche Auswirkungen hat das auf Deutschland?
Das Interesse am Klimaschutz der aktuellen Regierung ist ohnehin nicht besonders hoch. Wenn dann die USA Standards auch noch aufweichen, Gelder für die Klimaforschung kürzen und aus dem Pariser Abkommen aussteigen, schwächt das den globalen Kampf gegen die Klimakrise massiv. Trump setzt klar auf fossile Energien wie Kohle, Öl und Gas und verhindert gleichzeitig Windkraft und Solarenergie. Das ist ein Rückschritt, weil wir beim Klimaschutz auf globale Zusammenarbeit angewiesen sind.
Besteht die Gefahr, dass andere Staaten diesem Kurs folgen könnten?
Das Klima droht, unter die Räder zu geraten. Die Tatsache, dass Trump hier mit negativem Vorbild vorangeht, hilft nicht gerade. Doch wir sehen die Auswirkungen auch an anderen Stellen. Zum Beispiel daran, wie viele Unternehmen sich innerhalb kürzester Zeit von Diversity-Programmen verabschiedet haben, weil Trump einen queerfeindlichen Kurs fährt. Das setzt ein schlechtes Zeichen und strahlt auf andere Länder aus, insbesondere auf rechtsextreme und rechtspopulistische Kräfte, die dann denken, dass sie mit solchen Narrativen erfolgreich sein können.
Ein weiteres zentrales Thema seiner Politik sind Strafzölle. Viele Medien titeln von einem unvermeidbaren Handelskrieg. Wie sehen Sie das?
Die Sorge teile ich leider. Trumps Unbeständigkeit spielt auch hier eine zentrale Rolle. Er spricht ständig von „Deals“, verursacht mit seinem Zickzackkurs aber Chaos und schürt Unsicherheiten in der Weltwirtschaft. Planbarkeit existiert kaum noch. Er hat angekündigt, Zölle zu verschieben, dann doch wieder einzuführen. Betroffen ist auch der Digitalbereich. Es ist beispielsweise unklar, ob es Trump durch den Druck auf die EU-Kommission gelingt, den europäischen Digital Markets Act aufzuweichen. Das würde die EU politisch enorm schwächen und ihr auch wichtige Hebel zur Begrenzung der Macht amerikanischer Tech-Unternehmen nehmen.
Warum schaffen es die EU-Staaten nicht, hier geschlossen zu agieren?
Wir haben eigentlich keine andere Wahl, als an einem Strang zu ziehen. Gerade jetzt wäre das wichtiger denn je. Wir müssen uns bewusst machen, wie abhängig wir in vielen Bereichen von den USA sind. Das zeigt sich zum einen beim Thema Verteidigung: Viele militärische Fähigkeiten, von Satellitenaufklärung bis zu Raketen für die Luftverteidigung, hängen von den USA ab. Doch auch unsere digitale Souveränität ist ein wichtiges Stichwort. Auch im Digitalen zeigt sich unsere Abhängigkeit und Verwundbarkeit: Microsoft hat beispielsweise auf Anweisung Trumps die E-Mail-Konten des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichtshofs gesperrt. Das macht deutlich, dass selbst kritische Infrastruktur den Launen eines Präsidenten ausgesetzt sein kann. Europa muss unabhängiger werden und eigene Alternativen schaffen.
Wie könnte sich die EU unabhängiger machen, ohne die transatlantischen Beziehungen komplett aufzugeben?
Es geht nicht darum, alle Türen zu schließen. Wir brauchen Verbündete, die mit uns gemeinsam die transatlantische Partnerschaft stärken. Gleichzeitig müssen wir klare Grenzen ziehen, wenn Trump gegen unsere europäischen Werte Stimmung macht und vorgeht – sei es bei der Forschungsfreiheit oder durch Strafzölle, die uns schaden. Wir müssen unsere europäische Integrität massiv stärken. Deutschland spielt dabei gemeinsam mit Frankreich eine Schlüsselrolle. Leider sehe ich gerade nicht, dass diese Verantwortung ausreichend wahrgenommen wird. Grenzkontrollen beispielsweise stoßen europäische Partner vor den Kopf. Wenn wir uns alle ins Nationale zurückziehen, schwächt uns das gegenüber Autokraten wie Trump, der lieber mit jedem Land einzeln verhandelt als mit einer geschlossenen, starken EU.
Denken Sie, dass Trumps Politik das Verhältnis langfristig belastet?
Ich möchte nicht von einer langfristigen Schwächung sprechen, weil ich die Hoffnung habe, dass wir die USA wieder als verlässlichen Partner gewinnen können. Positiv stimmt mich, dass sich vor allem viele junge Menschen klar von Trumps Kurs distanzieren. Die Proteste werden lauter und ich habe das Gefühl, die Demokraten erwachen langsam wieder. Doch die USA waren immer Taktgeber der internationalen Ordnung. Wie sich Trumps erratische Politik langfristig auswirkt, lässt sich angesichts der aktuellen geopolitischen Lage schwer vorhersagen.
Welche Auswirkungen hat seine Politik auf die junge Generation hier in Europa?
Die junge Generation wächst mit einem anderen Bild von Amerika auf. Universitäten stehen unter Druck, Forschung wird eingeschränkt. Das schafft ein Klima der Angst und vertieft gesellschaftliche Spaltungen. Doch es birgt auch Chancen: Viele junge Menschen organisieren sich und setzen sich für Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und gemeinsame Lösungen statt Nationalismus ein. Sie könnten den Wandel einleiten, den wir brauchen. Früher war es selbstverständlich, im Ausland zu studieren und internationalen Forschungsaustausch zu betreiben. Das alles steht unter Druck. Umso wichtiger ist es, die progressiven Kräfte in den USA zu stärken.
Was befürchten Sie für die verbleibenden Jahre seiner Amtszeit?
Dass die Polarisierung weiter zunehmen wird, wie auch bei uns in Europa. Rechtspopulistische, queer- und transfeindliche Positionen erleben ein Comeback. Umweltstandards könnten unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus gekippt werden. Gleichzeitig wächst die Gefahr, dass sich Staaten wieder ins Nationale zurückziehen. Für uns bedeutet das, entschieden für unsere Werte einzutreten: Klimaschutz, Demokratie, Wissenschaftsfreiheit, eine offene Gesellschaft. Wir dürfen den Dialog zwischen unseren Ländern, so schwierig er aktuell auch ist, nicht abbrechen lassen.
Trump hat Friedrich Merz als „starken und klugen Mann“ bezeichnet. Stimmt Sie das ein wenig hoffnungsvoll, dass der Bundeskanzler die Beziehungen verbessern könnte?
Ich finde es bemerkenswert, dass Friedrich Merz überhaupt einen kommunikativen Draht zu Trump gefunden hat. Er hat auch gezeigt, dass ihm europäische Integration wichtig ist, zum Beispiel durch seine Treffen mit Macron oder seiner Reise in die Ukraine. Doch hinter diesen Bildern müssen auch Taten stehen. Merz muss klare rote Linien aufzeigen und formulieren, welche Erwartungen wir als EU und als Deutschland an Trump haben. Gleichzeitig darf er im Inland kein Chaos verursachen, wie beim Thema Grenzkontrollen und seinen großen Ankündigungen, die er selbst nicht einhalten kann.