Das Deutschlandticket wird abermals teurer: Die Verkehrsminister einigten sich auf einen Preis von 63 Euro ab kommendem Jahr. Ein Index soll den künftigen Preis festlegen, je nach Personal- und Energiekosten. Die Auswirkungen des Tickets sind deutlich feststellbar.
Das Neun-Euro-Ticket war einmal. Der Preis des Deutschlandtickets im Nahverkehr soll im kommenden Jahr auf 63 Euro im Monat steigen. Das hat die Verkehrsministerkonferenz nun in München beschlossen. Erst zu Beginn dieses Jahres war der Preis des Tickets auf 58 gestiegen. Das Deutschlandticket gibt es seit Mai 2023, es ermöglicht bundesweit Fahrten im öffentlichen Regional- und Nahverkehr.
Kritik von Linkspartei
Die Preiserhöhung ruft Kritik auf den Plan. Der Fahrgastverband Pro Bahn hielt im Vorfeld der Konferenz bereits die zunächst von der Berliner Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) vorgeschlagenen 62 Euro für zu viel und wirft den Verkehrsministern vor, ihr Versprechen gebrochen zu haben. „Die Politik hat für die nächsten Jahre Preisstabilität zugesagt und bricht jetzt ihr Wort gegenüber den Fahrgästen“, so Verbandschef Detlef Neuß gegenüber der „Rheinischen Post“. Auch die Linke im Bundestag sprach von einer „Verschärfung der sozialen Ungleichheit“ durch ein teureres Deutschlandticket.
Laut dem Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) handelt es sich bei dem Ticket um eine regelrechte Revolution im deutschen Nahverkehr. Am 1. Mai 2025 feierte das Deutschlandticket seinen zweiten Geburtstag. Die Bilanz, die der Verband zieht, ist deutlich positiv. So nutzen immer mehr Menschen den ÖPNV dauerhaft, 13,5 Millionen Menschen besitzen mittlerweile das Deutschlandticket, das zeigte die größte Marktforschung zum Deutschlandticket von VDV und Deutsche Bahn mit über 200.000 Befragten. 62 Prozent mehr ÖPNV-Abonnentinnen und Abonnenten hat der Nahverkehr seit Einführung des Tickets hinzugewonnen. 2,3 Millionen Tonnen CO₂ konnten so seit Einführung des Deutschlandtickets eingespart werden. Zum Vergleich: 2024 stieß Deutschland insgesamt 572 Millionen Tonnen CO2 aus, so das Umweltbundesamt.
Das Ariadne-Projekt, das Themen der Energiewende über zahlreiche Sektoren, Branchen, Politik und Gesellschaft hinweg analysiert und diskutiert, kam im April dieses Jahres zu etwas anderen Ergebnissen: Zwar sei das Ticket wichtig, es generiere jedoch kaum Neuverkehr. Allerdings habe das Deutschlandticket zu einer „bedeutenden Verkehrsverlagerung vom Pkw zum ÖPNV“ geführt. Forscher des Ariadne-Projektes haben hierzu mehrere Studien ausgewertet, darunter auch jene des VDV. Zwölf bis 16 Prozent aller Fahrten mit dem Deutschlandticket seien der Studienlage nach Fahrten, die vom Pkw auf den Nahverkehr verlagert wurden. Wichtig für die Umweltwirkung sei, dass es sich bei den verlagerten Fahrten im Schnitt um längere Strecken von etwa 30 km (oft über ein Verkehrsverbundgebiet hinaus) handelte. Die Nutzer seien zudem in der Regel bereits vorher ÖPNV-Pendler gewesen, ließen aber nun das Auto auch für längere Fahrten stehen. Dies führe zu Einsparungen von CO2-Emissionen in einer Größenordnung von 4,2 bis 6,5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr – finanziell ein Gewinn für die Gesellschaft in einer Größenordnung von circa drei Milliarden Euro pro Jahr dadurch, dass Folgekosten vermieden werden, so die Forschenden.
Trotzdem wird es nun teurer. Hintergrund der erneuten Preiserhöhung zum 1. Januar 2026 ist ein Finanzstreit zwischen Bund und Ländern. Knackpunkt bei Verhandlungen war die Frage, wie erwartete Mehrkosten bei Verkehrsunternehmen ausgeglichen werden sollen –
über die drei Milliarden Euro pro Jahr hinaus, die Bund und Länder bisher zusammen bereitstellen und auch für das kommende Jahr geben wollen. Sowohl der Bund als auch die Länder geben jeweils 1,5 Milliarden Euro. Das Deutschlandticket ist im Vergleich zu bisherigen Abos günstiger, das sorgt in der Folge für Einnahmeausfälle bei den Verkehrsunternehmen. Ohne eine sogenannte Dynamisierung der drei Milliarden Euro von Bund und Ländern, sprich eine Preiserhöhung, drohe bereits 2026 eine massive Finanzierungslücke von prognostizierten 800 Millionen Euro, hatte Alexander Möller, Geschäftsführer des VDV, gesagt.
Ohne höheren Preis droht hohes Defizit
Die Entscheidung der Minister begrüßte VDV-Präsident Ingo Wortmann nun. „Wir haben jetzt Gewissheit, wie der Rahmen bis 2030 für das Deutschlandticket ist“, so Wortmann. Und dennoch: „Die Preiserhöhung im Rahmen der Kostenentwicklung schließt allein die Finanzierungslücke für 2026 nicht.“ Es brauche mehr Verkäufe, also mehr Werbung für das Ticket. Zudem müsse der gesamte ÖPNV in Deutschland weiter modernisiert werden und dies in kritischer wirtschaftlicher Lage. „Deshalb ist nun schnell die künftige Finanzierungsverantwortung für den deutschen ÖPNV zwischen Bund, Ländern, Kommunen und Branche durch den von der Bundesregierung im Koalitionsvertrag beschlossenen Modernisierungspakt anzugehen.“
Vor der Verkehrsministerkonferenz hatten Länderminister der Bundesregierung die Schuld an einer Preiserhöhung gegeben. So sagte die rheinland-pfälzische Verkehrsministerin Katrin Eder (Grüne), der Bund löse seine Versprechungen aus dem Koalitionsvertrag nicht ein. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD heißt es zum Deutschlandticket, der Anteil der Nutzerfinanzierung solle ab 2029 schrittweise und sozialverträglich erhöht werden. Allerdings stehen Vorhaben im Koalitionsvertrag generell unter Finanzierungsvorbehalt, und in der Finanzplanung des Bundes klaffen bereits jetzt Milliardenlücken, trotz Sondervermögens.
Auch die Länder wollten für das Deutschlandticket nicht mehr als 1,5 Milliarden Euro pro Jahr geben. Die saarländische Verkehrsministerin Petra Berg war mit dem Ergebnis der Konferenz dennoch zufrieden. „Der neue Preis von 63 Euro ist ein Kompromiss, damit Busse und Bahnen ausreichend finanziert sind und das Deutschlandticket ein attraktives Preis-Leistungsverhältnis behält. Jetzt muss es darum gehen, noch mehr Nutzerinnen und Nutzer für das Deutschlandticket zu gewinnen. Je mehr Menschen sich für ein Deutschlandticket und je mehr Arbeitgeber sich für ein Jobticket entscheiden, umso weniger muss in Zukunft der Preis steigen.“ Auf der Verkehrsministerkonferenz wurde außerdem ein Preismechanismus diskutiert, der je nach Personal- und Energiekosten der Branche greifen soll – ein Indexsystem, offenbar auf Vorschlag des VDV. Beide Faktoren wurden in den vergangenen Jahren deutlich teurer, die Verkehrsunternehmen suchen händeringend nach Fachkräften. Ein moderner ÖPNV böte jedoch eine wichtige Chance, heißt es im Gutachten des VDV zur Modernisierung des Nahverkehrs bis 2040: So könne dieser „konkret die Lebensqualität der Menschen überall im Land“ verbessern. Dies sei „eine Investition in gleichwertige Lebensverhältnisse und Klimaschutz“.