Das Saarland macht sich auf den Weg, ein Start-up-Land zu werden. Doch der Weg vom Ende der deutschen Gründerstatistik nach vorne ist lang. Erste Anläufe sind jedoch erkennbar.
Das Saarland gilt traditionell als Industrieland, geprägt von Stahl, Automobil und Chemie. Doch seit einiger Zeit vollzieht sich ein Wandel: Die Region will ihre industrielle Stärke bewahren und zugleich eine lebendige Start-up-Szene aufbauen. Sie soll auch ein Fundament für die wirtschaftliche Zukunft legen.
Nur 1,3 Gründungen auf 100.000 Einwohner
Noch liegt das Land im unteren Viertel von Statistiken wie der des Start-up-Verbandes, wonach im Saarland auf 100.000 Einwohner 1,3 Neugründungen kommen (auf Platz eins Berlin mit 13,2 Neugründungen). Das soll sich verbessern. In den vergangenen zwei Jahren hat die Förderung junger Unternehmen Fahrt aufgenommen. Sichtbarer Wendepunkt war der Erfolg im bundesweiten Wettbewerb „Start-up-Factories“. Mit dem Konsortium „Southwest X – The Bridge to Innovation“ gewann die Universität des Saarlandes gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Nachbarländern eine Förderung in zweistelliger Millionenhöhe. Das Projekt soll nichts weniger leisten, als die Region zu einem international wettbewerbsfähigen Gründungsstandort für forschungsintensive Start-ups zu machen.
Mehr als 20 Millionen Euro stehen über die kommenden fünf Jahre bereit – ein Mix aus Bundesmitteln und privatem Kapital. Im Zentrum stehen Technologie, Deep Tech, Künstliche Intelligenz und grüne Transformation. Partner sind neben den saarländischen Hochschulen und dem DFKI auch Max-Planck-Institute, die Hochschule Trier, die RPTU Kaiserslautern und internationale Institutionen aus Frankreich und Luxemburg. Der Anspruch ist klar: Das Saarland will nicht nur regionale Gründungen hervorbringen, sondern Start-ups, die von Beginn an international denken. Am „Bridge Incubator“, angesiedelt am Innovation Center der Universität, sollen forschungsnahe Start-ups bereits in der Frühphase professionelle Begleitung erhalten – von Business-Coaching über Netzwerkvermittlung bis hin zu Internationalisierung. Das Konzept setzt auf die Verknüpfung von Wissenschaftstransfer, Technologieentwicklung und Marktzugang.
Parallel hat das Land selbst neue Impulse gesetzt. Anfang 2025 startete ein 40-Millionen-Euro-Wachstumsfonds, der Unternehmen in ihrer zweiten Entwicklungsphase adressiert. Bis zu 2,5 Millionen Euro Beteiligung stellt das Land bereit – vorausgesetzt, ein externer Investor zieht mit. Gefördert werden Firmen, die den Markteintritt bereits geschafft haben und nun skalieren wollen. „Wir wollen Gründer nicht nur in der Garage unterstützen, sondern ihnen auch die Mittel geben, wirklich groß zu werden“, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium.
Doch nicht nur große Summen spielen eine Rolle. Für junge Gründerinnen und Gründer, die noch ganz am Anfang stehen, gibt es weiterhin ein bewährtes Instrument, das „Starter Stipendium Saar“. Bis zu 3.000 Euro monatlich für ein Jahr können abgerufen werden – eine Anschubfinanzierung, die Zeit verschafft, um an Ideen und Geschäftsmodellen zu arbeiten. Das Auswahlverfahren ist bewusst streng: Bewerbungen durchlaufen ein dreistufiges Verfahren, am Ende steht ein Pitch vor dem Ministerium. Daneben existieren Beratungszuschüsse, Wachstums- und Transformationsdarlehen sowie bundesweite Programme wie „Exist“, die im Saarland eng mit den Hochschulen verknüpft sind.
Ein weiterer wichtiger Baustein: Sichtbarkeit. Start-ups brauchen Bühnen, um Investoren zu überzeugen und Kunden zu gewinnen. Programme wie der Saarland Accelerator oder die „Saarfari“, Netzwerkreise zu benachbarten Gründer-Hubs, schaffen genau solche Plattformen. Beim Accelerator werden jährlich über 20 Teams aufgenommen, die drei Monate lang intensiv gecoacht werden und zum Abschluss beim „Demo Day“ ihre Fortschritte präsentieren. Das Start-up LAHA, das ein lasergestütztes Hörgerät entwickelte, gewann zuletzt einen Preis und verschaffte sich so nicht nur regionale, sondern auch nationale Aufmerksamkeit. Pitch-Events wie der Saarland-Pitch haben ebenfalls Strahlkraft. Gewinner der vergangenen Jahre – darunter Niftee, ein Blockchain-Ticketing-Start-up, oder Delfa Systems, das Lösungen für die Industriedigitalisierung entwickelt –
verdeutlichen die thematische Breite: von Software über Biotechnologie bis hin zu Nachhaltigkeit und KI reicht die Palette. Die Verknüpfung von Forschung und Wirtschaft ist ein Kern des Modells. Einrichtungen wie die FITT gGmbH an der Hochschule für Technik und Wirtschaft spielen dabei eine zentrale Rolle. Sie verstehen sich als Brücke zwischen Hochschule und Unternehmen, begleiten Projekte, vermitteln Kontakte und übersetzen Forschungsergebnisse in marktfähige Produkte. Auch das DFKI, die Max-Planck-Institute und Fraunhofer-Einrichtungen bringen ihre Expertise ein. Die wissenschaftliche Dichte des Saarlandes könnte auf diese Weise zum Standortvorteil werden.
Doch bei allem Optimismus bleiben genügend Fragen offen. Denn der Fachkräftemangel trifft auch Start-ups: Besonders Entwicklerinnen, Data Scientists und KI-Spezialisten sind schwer zu gewinnen – und noch schwerer im Saarland zu halten, wenn Berlin, München oder internationale Tech-Zentren locken. Zudem bleibt der Sprung von der regionalen Nische auf den europäischen Markt ein Kraftakt, gerade für kleine Teams. Auch das Finanzierungsökosystem muss sich weiterentwickeln. Zwar gibt es Netzwerke von Business Angels und privaten Investoren, doch der Zugang zu Venture Capital, um eine Start-up-Idee mit Marktreife zu skalieren, ist noch immer begrenzt.
Darüber hinaus gilt es, die Balance zu halten: Das Saarland ist und bleibt Industrieland. Die Transformation sollte daher auch traditionelle Unternehmen einbinden, mit Start-ups als Partner und nicht als Konkurrenz. Dennoch: Der Aufbruchswille ist deutlicher erkennbar als noch vor wenigen Jahren. Inzwischen existiert ein dicht geknüpfter Teppich aus Förderprogrammen, Fonds, Acceleratoren und Netzwerken im Land. Gründerinnen und Gründer finden Ansprechpartner, Beratung und finanzielle Unterstützung –
und zunehmend auch Vorbilder, die zeigen, dass Erfolg möglich ist. Für manchen sicherlich zu viel Netzwerk- und Förderdschungel, der erst einmal durchblickt werden muss. Förderlich ist ein solches Geflecht aus Zuständigkeiten und Hilfestellungen auf den ersten Blick nicht.
Und dennoch: Das Saarland arbeitet daran, sein Image als reines Industrieland hinter sich zu lassen, ohne die Industrie selbst zu vernachlässigen. Stattdessen soll offenbar eine Mischung entstehen: die Industrie als Fundament, Start-ups als Innovationsmotor, Forschung als Impulsgeber. Gelingt dieser Dreiklang, könnte das kleine Bundesland in den kommenden Jahren überregionale Strahlkraft entfalten – nicht als Ersatz für die alten Branchen, sondern als Standort, der zeigt, wie Tradition und Zukunft zusammenfinden können.