Innovation mal Vielfalt gleich Zukunft: Die Technologietransfer-Gesellschaft der Hochschule für Technik und Wirtschaft veranstaltet zum zweiten Mal eine Zukunftskonferenz. Im Mittelpunkt stehen diesmal neben technischen auch soziale Fragen, sagt Mirjam Schwan, Geschäftsführerin von FITT.
Frau Schwan, eine Zukunftskonferenz des FITT gab es schon vor zwei Jahren. Warum diesmal unter dem Motto „Innovation und Vielfalt“?
Wir wollten für die Zukunftskonferenz 2025 eine Formel finden, die unser Tun bestmöglich auf den Punkt bringt, die ein Spannungsfeld eröffnet und auch neugierig macht: Innovation x Vielfalt = Zukunft. Oft wird Innovation automatisch mit Technologie gleichgesetzt – und natürlich sind wir als Institut für Technologietransfer stark in den Ingenieurwissenschaften verankert. Doch inzwischen sind bei uns mindestens ebenso viele sozialwissenschaftliche Projekte angesiedelt, bei denen der Mensch beziehungsweise der gesellschaftliche Wandel im Mittelpunkt stehen. Das hat sich in den letzten Jahren deutlich verschoben. Neben dem klassischen Technologietransfer geht es bei uns heute genauso um Themen wie Integration, Migration, Pflegewissenschaften, Kindheitspädagogik, Jugendhilfe oder Antidiskriminierung und Diversity. Die Sozialwissenschaften an der HTW sind sehr transferstark. Genau diese Vielfalt an Innovationsansätzen wollen wir mit unserer Veranstaltung sichtbar machen.
In einem Ihrer Programme geht es um die Qualifizierung von Migrantinnen und Migranten. Wie funktioniert das?
Seit 20 Jahren koordinieren wir am FITT das von Bund und EU geförderte Netzwerk „Integration durch Qualifizierung“ und binden dabei zahlreiche Partner im Saarland wie Arbeitsagentur, Ministerien oder auch Unternehmen ein. Ziel ist es, Zugewanderte beim Eintritt in den Arbeitsmarkt zu unterstützen – sei es durch spezielle Ausbildungslehrgänge, Anerkennungsberatung für ausländische Abschlüsse oder praxisnahe Qualifizierungen. Gleichzeitig machen wir auch den aufnehmenden Institutionen Angebote, wie die Integration internationaler Fachkräfte besser gelingen kann. Daraus hat sich nach und nach ein weiterer Schwerpunkt unserer Transferarbeit entwickelt: die Gründungsberatung für Menschen mit internationalem Hintergrund. Jährlich führen wir rund 200 Beratungsgespräche mit Gründungsinteressierten aus aller Welt durch – von Ukrainerinnen über Syrer bis hin zu anderen Nationalitäten. In einem einjährigen Inkubatorprogramm, unterstützt von Stiftungen wie Generali The Human Safety Net, erhalten Teams neben fachlicher Beratung auch Sprachtrainings wie „Business-Deutsch“ und präsentieren ihre Ideen schließlich bei einer großen Pitchveranstaltung im Passage-Kino. Auch das Thema Antidiskriminierung greifen wir in unserer Projektarbeit sehr praxisnah auf – etwa in Projekten mit Jugendhilfeeinrichtungen, mit denen gemeinsam wir Leitfäden und Handreichungen für eine diskriminierungskritische Jugendarbeit erarbeitet haben. Wichtig ist uns dabei immer die enge Verbindung von Wissenschaft und Praxis: Professorinnen und Professoren begleiten die Projekte wissenschaftlich, während wir gleichzeitig Modelle entwickeln und in der Praxis erproben, die dann auch auf andere Regionen oder Anwendungsbereiche übertragbar sind. In der Gründungsberatung für Newcomer haben wir beispielsweise ein Train-the-Trainer-Programm für Gründungsberatende in ganz Deutschland entwickelt, das sehr gut angenommen wird.
Das ist nun die zweite Konferenz dieser Art. Haben sich die Schwerpunkte verändert?
Beim ersten Mal, im Jahr 2022, stand unser 20-jähriges Jubiläum als gGmbH im Vordergrund. Damals haben wir vor allem unsere technischen Projekte präsentiert: Themen wie Mobilität, Strukturwandel oder Start-ups, die stark ingenieurwissenschaftlich geprägt waren. In diesem Jahr wollen wir bewusst die soziale Dimension unserer Arbeit stärker zeigen, sowie auch die Verzahnung mit technologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Diese Interdisiziplinarität und die starke Fokussierung auf den Faktor Mensch unterscheidet uns vielleicht auch am stärksten von anderen Instituten und Transferakteuren im Saarland. Durch die Breite der HTW decken wir sowohl technische als auch sozialwissenschaftliche Themen ab – und gerade die Verbindung beider Perspektiven macht unsere Arbeit spannend. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz werfen schließlich nicht nur technische Fragen auf, sondern auch gesellschaftliche: Wo bleibt der Mensch, welche neuen Herausforderungen entstehen, und wie können wir Teilhabe aller gesellschaftlichen Gruppen sichern? Ein Beispiel ist das Thema Inklusion. Hier arbeiten Ingenieure und Sozialwissenschaftler gemeinsam an Lösungen, die etwa sozial benachteiligten oder behinderten Menschen den Zugang zu neuen Technologien ermöglichen. So entstehen Innovationen, die nicht nur technisch machbar, sondern auch gesellschaftlich relevant sind.
Auf welche Zielgruppe richtet sich die Konferenz?
Wir wollen bewusst ein breites Publikum ansprechen – so, wie auch unsere Arbeit und unser Team am FITT vielfältig sind. Besonders im Fokus stehen kleine und mittelständische Unternehmen aus dem Saarland, denen wir zeigen möchten, wie fruchtbar die Zusammenarbeit mit einer Hochschule sein kann. Dafür gibt es eigene Workshops. Genauso wichtig sind uns soziale Träger, die wir mit passenden Sessions einbinden, sowie die Wissenschaft selbst: Professorinnen und Professoren, Forschende und natürlich Studierende. Hinzu kommen internationale Gründerinnen und Gründer, Start-ups und ihre Netzwerke. Es geht uns darum, unterschiedliche Akteure miteinander ins Gespräch zu bringen – ganz im Sinne einer klassischen Zukunftskonferenz. Mit 250 Teilnehmenden aus den verschiedensten Bereichen erwarten wir eine spannende Mischung. Gerade in den Pausen oder an den Ausstellungsständen entsteht oft der Austausch, aus dem neue Projekte und Ideen hervorgehen können.
Welche Impulse erhoffen Sie sich von der Konferenz – für FITT, aber auch für die Teilnehmenden?
Ein ganz wichtiger Aspekt ist sicherlich, dass bei der Zukunftskonferenz Menschen aus unterschiedlichen Bereichen zusammentreffen, miteinander ins Gespräch kommen und neue Perspektiven kennenlernen. Gerade beim Thema Diversity ist es für manche kleine und mittlere Unternehmen nicht immer nachvollziehbar, welchen Sinn eine Beschäftigung mit diesem Thema für sie machen könnte. Auf der Konferenz schaffen wir einen Raum, in dem solche Fragen offen diskutiert werden können – begleitet von wissenschaftlichen Impulsen und Expertinnen-Inputs, die Anregungen für die Praxis im Unternehmensalltag, aber sicherlich auch Stoff für Diskussionen geben werden. Gleichzeitig wollen wir zeigen, in welchen Themenfeldern konkret an der HTW und am FITT geforscht und entwickelt wird. Deshalb gibt es auch zahlreiche Stände, an denen Projekte und Prototypen präsentiert werden – damit sichtbar wird, was aus unserer Arbeit tatsächlich entsteht.
Können Sie ein Beispiel geben – woran arbeiten Sie konkret am FITT?
Ein aktueller Schwerpunkt liegt im Kompetenzzentrum für Klimafolgenanpassung und Katastrophenschutz. Dort geht es um Hochwasser- und Starkregenprävention – Themen, die gerade im Saarland nach den jüngsten Ereignissen sehr präsent sind. Die Projekte reichen von Bodenerosionskarten über den „Hochwasserpass“ für private Haushalte bis hin zu Forschungsarbeiten im Bereich Agroforstwirtschaft, also der Kombination von landwirtschaftlichen und Waldflächen, um Böden widerstandsfähiger gegen den Klimawandel zu machen. Daneben gibt es innovative Vorhaben wie einen KI-gestützten Bienenstock: Sensoren liefern Daten, mit denen sich Krankheiten im Volk frühzeitig erkennen lassen. Auch praxisnahe Technik wie beispielsweise Zugfestigkeitsmaschinen für Materialprüfungen, insbesondere für additiv gefertigte Produkte, wird vorgestellt. So wird deutlich, dass Forschung an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften wie der HTW nicht abgehoben ist, sondern konkrete Antworten liefert – für Unternehmen, Kommunen und die Gesellschaft insgesamt.
Welche konkreten Projekte sind aus der vergangenen Konferenz hervorgegangen?
Tatsächlich entstehen bei solchen Formaten oft ganz praktische Kooperationen. Ein Beispiel war ein Handwerksbetrieb, der über einen Zeitungsbericht auf unsere letzte Zukunftskonferenz aufmerksam wurde und bei mir anrief, um zu fragen, ob wir ihm helfen könnten, Materialtests für ein neues Produkt durchzuführen: leicht, wetterfest und hitzebeständig. Gemeinsam mit einem Professor für Materialwissenschaften haben wir im kleinen Rahmen verschiedene Zusammensetzungen getestet – ein überschaubares Projekt, aber mit direktem Nutzen für den Betrieb. Ein größeres Vorhaben ergab sich nach einem unserer sogenannten „Laborgespräche“. Dabei öffnen wir die Labore der HTW für Unternehmen, zeigen Infrastrukturen, Geräte und Projekte. Ein mittelständischer Betrieb aus der Baubranche entwickelte daraus mit uns eine Idee für intelligente Fenster, die mit Sensorik ausgestattet sind. Über das Bundesprogramm „Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand“ konnten wir Fördermittel vermitteln. Nach zweieinhalb Jahren Projektlaufzeit wird es einen Prototypen geben. Solche Beispiele zeigen, wie wir als Schnittstelle arbeiten: Unternehmen kommen mit einer Fragestellung, wir identifizieren passende Partner an der HTW und begleiten den Prozess – sei es durch Auftragsforschung, gemeinsame Förderprojekte oder die Nutzung unserer Labore und Geräte wie Rasterelektronenmikroskope oder Windkanäle. Für viele Betriebe sind wir damit eine Art externe Forschungsabteilung.
Manche saarländischen Unternehmer sagen, Innovationen im Saarland seien fast zum Erliegen gekommen, weil wenig Geld in neue Materialien oder Produkte investiert werde. Sehen Sie das auch so?
Im bundesweiten Vergleich liegen die Innovationsausgaben saarländischer Unternehmen tatsächlich eher hinten. Förderprogramme können hier ein Hebel sein, aber sie allein reichen nicht. Viele kleinere Unternehmen scheuen den Austausch mit Hochschulen oder Forschenden, aus Sorge, es sei zu aufwendig, langwierig oder irrelevant für den eigenen Betrieb. Wir müssen stärker zeigen, was die Kooperation mit einer Hochschule oder Forschungseinrichtung konkret bedeutet und welche Marktchancen sich daraus ergeben. Wenn man die Menschen zusammenbringt und Praxisbeispiele aufzeigt, wird deutlich, dass Forschung und Innovation greifbar sind – und mit den bereitgestellten Fördermitteln können Unternehmen diese Chancen auch nutzen.
Ein Großteil des Transformationsfonds im Saarland fließt in die Industrie.
Ja, lange wurde dafür gekämpft, dass auch kleine und mittlere Unternehmen davon profitieren. Gerade Start-ups brauchen Förderung, um zu überleben und zu wachsen. Gleichzeitig gilt es, etablierte Betriebe zu unterstützen, die etwa durch Nachfolgeprobleme oder Strukturwandel gefährdet sind. Solche Initiativen machen sich nicht von selbst – wir müssen immer wieder sensibilisieren, Kontakte herstellen und auf die Chancen hinweisen. Gerade in kleinen Unternehmen muss häufig der Geschäftsführer selbst aktiv werden, da sonst kaum Kapazitäten vorhanden sind. Dennoch gibt es viele beeindruckende Betriebe, die trotz knapper Margen viel erreichen. Natürlich hängt die Innovationsfähigkeit stark von Branche und Ressourcen ab, aber Förderung und Beratung können dort wirksam unterstützen, wo Spielräume bestehen.
Vielen jungen Unternehmen fehlt im zweiten Schritt das Geld, um zu skalieren. Können Sie hier helfen?
Ja, wir sind natürlich auch in der Gründungsförderung aktiv und beteiligen uns an mehreren gemeinsamen Initiativen hier im Saarland, darunter die Start Factory und der Bridge Incubator des Landes. Ziel ist es, vielversprechende Ideen aus der Hochschule schneller zu skalieren, indem wir Kapital und Know-how bereitstellen. Durch die Kooperation mit überregionalen Partnern, etwa aus Frankreich oder der WHU Vallendar, können wir zusätzliche Hebelwirkung für die Region erzeugen. So sollen Gründerinnen und Gründer schneller wachsen und den Sprung vom Konzept zum marktfähigen Produkt schaffen.
Wie wichtig ist die Verzahnung von Unternehmen und Start-ups für Innovation in einem industriell und mittelständisch geprägten Land wie dem Saarland?
Sehr wichtig – vor allem als Impulsgeber für den Mittelstand. Wir achten darauf, dass bei unserer Zukunftskonferenz und anderen Veranstaltungen junge Start-ups immer wieder auf etablierte Unternehmer treffen und umgekehrt. Daraus können Kooperationen entstehen, etwa in Form von Reallaboren, bei denen Unternehmen Anlagen oder Technologien bereitstellen, die Start-ups nutzen können. Gerade kleinere Unternehmen tun sich manchmal schwer mit dieser Öffnung, weil Unternehmenskulturen stark unterschiedlich sind. Aber wenn der Austausch gelingt, profitieren beide Seiten. In der Gründungsförderung an der Hochschule arbeiten wir daher intensiv daran, langfristige Partnerschaften zu ermöglichen, die über einmalige Besuche oder reine Finanzierungsfragen hinausgehen und echten Wissenstransfer schaffen.
In welchen Bereichen sehen Sie Potenziale für das Saarland – etwa KI, Kreislaufwirtschaft oder Gesundheit?
KI und Digitalisierung werden alle Branchen betreffen, ob Gesundheitswirtschaft, Energiewirtschaft oder andere Sektoren. Im Saarland sehen wir insbesondere Potenziale im Gesundheitsbereich und Themen rund um die alternde Gesellschaft – ein oft unterschätzter Wirtschaftsbereich, wo wir in den nächsten Jahren sicherlich noch zahlreiche Herausforderungen bearbeiten werden, gerne auch in Kooperation mit anderen Akteuren hier im Saarland. Weiterhin spielt natürlich das Thema Klimawandel und dessen Folgen in unserer Arbeit eine große Rolle, um nur einige Bereiche zu nennen. Ein weiteres zentrales Thema sehe ich in der Unternehmensnachfolge. Es wird immer schwerer, Nachfolger zu finden – auf fünf übergebende Unternehmen kommt heute nur noch ein potenzieller Übernehmer. Ein mögliches Potenzial eröffnet sich meines Erachtens in der Zielgruppe der Internationalen. Wir lernen durch unsere Arbeit viele Menschen aus aller Welt kennen, die bereits unternehmerische Erfahrung mitbringen, und die in Deutschland gründen möchten. Eine Unternehmensübernahme wäre hier ebenfalls eine Option, bei der wir durch unsere Netzwerke oder unsere interkulturellen Kompetenzen unterstützen könnten. So würden wir nicht nur Neugründungen fördern, sondern auch einen Beitrag zum Erhalt bestehender Unternehmen leisten. Gerade in Zeiten, in denen oft über die Grenzen von Vielfalt diskutiert wird, sehe ich es als Aufgabe unserer Transferarbeit an, einen Beitrag zu einem gelingenden Miteinander zu leisten und dadurch unsere Innovationsfähigkeit dauerhaft zu stärken.