Mag sein, dass viele das Wort „Transformation“ nicht mehr hören können. Das ändert nichts daran, dass das Land mitten in diesem Prozess steckt. Dabei sollen auch die Hochschulen im Land eine treibende Rolle übernehmen. Die Start-up Factory ist ein Beispiel dafür.
Einmal in der Woche sind Mitglieder der saarländischen Landesregierung zu Gast bei der Landespressekonferenz (LPK). Gelegenheit, um im Anschluss an die wöchentliche Kabinettssitzung Beschlüsse und Projekte der Landesregierung der Öffentlichkeit vorzustellen und den Journalistinnen und Journalisten Rede und Antwort zu stehen.
In jüngster Vergangenheit war Wirtschaftsminister Jürgen Barke in schöner Regelmäßigkeit Gast mit unterschiedlichen Projekten, die, finanziert oder kofinanziert aus dem Transformationsfonds, den Umbau der saarländischen Wirtschaft vorantreiben sollen.
Das jüngste Projekt wirkt mit einem Volumen von zehn Millionen Euro angesichts anderer Projekte fast bescheiden, hat es aber in sich als Baustein einer Strategie, die Kompetenzen der Hochschulen systematisch für die wirtschaftliche Entwicklung zu nutzen.
Konkret geht es bei dem Förderprogramm „InnoBonus“ darum, auch kleinen und mittleren Unternehmen oder Existenzgründern zu ermöglichen, Forschungsaufträge zu erteilen, was große Unternehmen aus eigenen Möglichkeiten können. Ziel sei, Forschungsergebnisse schneller in marktfähige Produkte und Dienstleistungen zu übertragen, sagt der Minister und betont, dass es ein bundesweit einzigartiges Förderprogramm sei.
„Thema ist immer größer geworden“
Dass neben Minister Barke auch sein für die Wissenschaft zuständiger Kollege Jakob von Weizsäcker häufiger als frühere Wissenschaftsminister Gast der LPK ist, um seinerseits universitäre Projekte und Programme vorzustellen, die mit Hilfe des Transformationsfonds ermöglicht werden können, zeigt, dass man auch an der Universität des Saarlandes die Herausforderung angenommen hat, zur Transformation maßgeblich beizutragen.
„Das ist ein Thema, das an der Uni immer größer geworden ist“, betont Universitätspräsident Ludger Santen und verweist darauf, dass die Uni beim Gründungsradar des Stifterverbandes schon länger immer Spitzenplätze einnimmt. Eine Bestätigung dieser Arbeit ist auch, dass die Start-up Factory „Southwest X – The Bridge to Innovation“ im Bundeswettbewerb als eine von bundesweit zehn Start-up Factorys gekürt wurde.
Die Start-up-Szene im Land hat sich in der jüngsten Vergangenheit durchaus gemausert, die Landschaft entwickelt sich, aber es braucht noch einiges an Flankierung, bis daraus ein blühendes Biotop wird. Daran wird wiederum im Zusammenspiel von Politik und Hochschulen mit Nachdruck gearbeitet, wobei Jakob von Weizsäcker diesmal auch in seiner Rolle als Finanzminister mit Förderungen und Finanzierungskonzepten beiträgt.
Für diese Entwicklungen braucht es Angebote, und das heißt auch Platz. Die Erweiterung der Uni in Richtung Stadtwald (Stichwort „Hanni“) steht noch vor einer abschließenden juristischen Klärung. Gesellschaftspolitisch ist es einmal mehr die Entscheidung zwischen zwei Zielen, bei denen die jeweiligen Befürworter durchaus auch jeweils gute Argumente haben. Entscheidend dabei ist vielleicht die Perspektive auf das gesamte Land. Den Wissenschafts- und Forschungsstandort auszubauen und seine Expertise für konkrete Entwicklungen in der Transformation zu nutzen, ist im Wettbewerb der Standorte ein starkes Argument.
Dass das Land alle seine Potenziale angesichts der Herausforderungen nutzen muss, ist eigentlich ein Allgemeinplatz. Die Aufteilung des Drei-Milliarden-Transformationsfonds gibt Aufschluss über das Wie. Die Schwerpunkte sind mit den „drei I“ Industriepolitik, Infrastruktur und Innovation. Beim dritten „I“ spielen die Hochschulen und Forschungseinrichtungen eine zentrale Rolle. Es geht um Innovationsinfrastruktur an Hochschulen, Kofinanzierung neuer Forschungseinrichtungen, Erschließungsmaßnahmen neuer Forschungsgebäude, Start-ups und Gründungsförderung und Technologietransfer. Damit lässt sich einiges bewegen. Der kleine Haken: Sichtbare und zählbare Ergebnisse können sich naturgemäß nicht von heute auf morgen einstellen. Was unter anderem erklärt, dass sie weniger im Zentrum öffentlicher Wahrnehmung stehen. Aber sie sind Grundlage künftiger Entwicklungen und im besten Fall künftiger Stärken.
Industriepolitik, Innovation, Infrastruktur
Der gesamte Bereich IT und Informationswissenschaft und -technologie hat anfangs nicht zwingend erwarten lassen, wie stark und führend der Standort Saarland inzwischen dasteht. Im Bereich Biomed sind die Chancen vergleichbar mit einer Verknüpfung von Forschung, Entwicklung und Produktion.
Es sind viele Puzzleteile, die zusammenpassen müssen, neben den großen Brocken, die beim Transformationsprozess die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die Situation rund um ZF gilt als ein herausgehobenes Beispiel für Unsicherheiten und Unklarheiten, zu deren Klärung das Land nur bedingt etwas beitragen kann. Die Entscheidungen fallen an anderer Stelle. Hinzu kommt grüner Stahl, das ebenso ambitionierte wie immer noch umstrittene Megaprojekt.
Die Entwicklung nimmt an Dynamik zu. Dass hoffnungsvolle Leuchtturmprojekte wie Batterie- und Chipfabrik doch nicht zustande kamen, was nicht am Saarland, sondern an globalen Entwicklungen lag, scheint schon eine Ewigkeit her. Heute wird über Rüstungsindustrie diskutiert, die nennenswert neue Arbeitsplätze im Saarland bringen könnte. Die Zwiespältigkeit dabei liegt auf der Hand. Einerseits natürlich berechtigte Freude, dass nennenswerte Produktion mit guten Arbeitsplätzen im Saarland stattfindet. Gleichzeitig ist klar, warum es diese Aufträge geben muss.
Denn neben der ohnehin gigantischen Herausforderung durch den Klimawandel, die einen wesentlichen Teil der Transformation bedingt (E-Mobilität, grüner Stahl, Energiewende), verändert sich die geopolitische Lage. Das betrifft dann andere sicherheitspolitische Prioritäten, aber auch den Welthandel insgesamt.
Das alles verschärft noch einmal die ohnehin schwierigen Veränderungsprozesse, von denen das Land aufgrund seiner Wirtschaftsstruktur bekanntermaßen von allen Ländern am härtesten betroffen ist. Darauf gibt es nicht die eine Antwort.
Vorschläge wie etwa die Rücknahme des sogenannten „Verbrenner-Aus“, um den Automotiv-Standort zu sichern, sind selbst nach Einschätzung maßgeblicher Akteure in diesem Bereich ebenso wenig zielführend wie andere Vorschläge, die auf ein Beharren auf das fossile Zeitalter hinauslaufen.
Heutige Antworten sind sicherlich auch noch nicht abschließend die einzig möglichen.
Umso zentraler ist eben, das Know-how aus Wissenschaft und Forschung in konkrete Produkte und Dienstleistungen zu bringen, Kreativität und Mut in Start-ups zu fördern, und mehr als einmal über den weit verbreiteten Bedenkenträgerschatten zu springen.