Investition in Kinder zahlt sich aus: Wie Jugendhilfe Gesellschaft formt und Chancen eröffnet. Ein Gastbeitrag der ehemaligen Leiterin der Katholischen Fachschule für Sozialpädagogik Saarbrücken, Mechthild Denzer.
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In zahlreichen wissenschaftlichen Studien zu pädagogischen Investitionen zeigt sich ein klares Ergebnis: Jeder Euro, der heute in Kinder und Jugendliche investiert wird, zahlt sich im Laufe ihres Lebens dreifach für unsere Gesellschaft aus.
Der „Sozialstaat“ überfordert Deutschland? – Im Gegenteil: Er hat es bislang getragen. Tausende Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene erhalten durch eine qualitativ hochwertige Kinder- und Jugendhilfe die Chance auf ein Leben ohne dauerhafte staatliche Unterstützung. Denn mit ihrer Hilfe steigen die Chancen auf Schulabschlüsse und berufliche Bildung deutlich. Auch die psychische und körperliche Gesundheit verbessert sich nachweislich, und kriminelles Verhalten kann erfolgreicher verhindert werden.
Rückblick und Kommentar
1988 trat ich meine erste Stelle als Psychomotorikerin in einem saarländischen Kinderheim an. Seitdem war ich diesem Lebensort in unserer Gesellschaft eng verbunden. Zweimal habe ich grundlegende gesetzliche Veränderungen miterlebt, die stets in hohem Maß partizipativ erarbeitet wurden. Mit dem Kinder- und Jugendhilfegesetz von 1990 entstand eine Vielfalt an Betreuungsangeboten. Es verpflichtete alle Beteiligten zu Kooperation und Mitbestimmung. Die Soziale Arbeit war und ist hier Pionierin gesellschaftlicher Entwicklung.
Getragen wurde diese Entwicklung von den in den 1970er- und 80er-Jahren gut ausgebildeten Sozialpädagogen sowie Therapeuten. Sie hatten die neuen Fach- und Hochschulen besucht, die nach der Heimkampagne der 60er-Jahre entstanden waren. Oft traf man dort auf engagierte Absolventinnen und Absolventen, die aufgrund der damaligen Akademikerarbeitslosigkeit den Weg in die Praxis fanden. Sie verwandelten den früheren „Ort des Schreckens“ in ein Zuhause: Gruppen mit festen Bezugspersonen, eine gestaltete Wohn- und Lebensumwelt, gezielte schulische Förderung, Angebote in Musik und Bewegung – und vor allem die Eltern- und Familienarbeit. Denn die Förderung von Kindern gelingt nur, wenn auch ihre Eltern einbezogen werden. Vor drei Jahrzehnten war das nicht selbstverständlich.
Welch ein Fortschritt! Darauf aufbauend entstand das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz: eine Weiterentwicklung, die auf gesellschaftliche Veränderungen reagiert und Inklusion sowie Partizipation in den Mittelpunkt stellt. Es sorgt für eine verantwortliche Stelle für alle Kinder, Jugendlichen und Heranwachsenden in unserem Land.
Und hier zeigt sich der große Erfolg der Jugendhilfe: Viele junge Menschen, die in Wohngruppen erwachsen geworden sind, vertreten heute selbstbewusst ihre Anliegen und geben dem System Jugendhilfe ihre eigene Stimme. Die Pflicht zur Partizipation wird sichtbar in bundesweiten Treffen gewählter Jugendvertreterinnen und -vertreter – etwa in den SOS-Kinderdörfern oder in Einrichtungen im Saarland.
Auch unbegleitete minderjährige Geflüchtete, die seit 2015 in bestehende Wohngruppen kamen, haben bemerkenswerte Wege beschritten. Viele von ihnen arbeiten heute selbst in der Jugendhilfe – mit ihren besonderen sprachlichen und kulturellen Kompetenzen – sowie in Ganztagsschulen, Kindergärten und an vielen anderen Orten unserer Gesellschaft. Das ist eine beeindruckende Integrationsleistung – der Jugendhilfe ebenso wie der beruflichen Schulen.