Sie gelten als Alternative zu den teuren Mietwohnungen in den Innenstädten: Tiny Houses. Doch trägt diese Art des „anderen“ Wohnens zur Linderung der Wohnungsnot bei?
Der Tisch ist zum Umklappen, eine Leiter führt in die Schlafkoje unter der Decke. Im Bad ist beim Duschen die Toilette im Weg, jeder Quadratzentimeter ist verbaut. Das ist das Leben in einem Minihaus. Für die einen ist es gemütlich eng, für die anderen bedrückend beschränkt. Mini-Häuser, auf Englisch „Tiny Houses“, werden immer wieder als alternative Wohnform und Ausweg aus den teuren Innenstädten angepriesen. Doch für wen eigenen sie sich wirklich?
„Tiny Houses“ sind zwischen zehn und 55 Quadratmeter groß, haben ursprünglich eine konventionelle Form mit einem Satteldach, sind oft auf Rädern montiert und transportabel. Die „Tiny Houses“-Bewegung kommt aus den USA, wo sich niemand darum kümmert, wenn Menschen in Trailer Parks oder selbstgebauten Hütten leben möchten. Anders als in Europa ist in Amerika das „Wohnen-To-Go“ etwas ganz Normales.
Die Bewegung ist seit einigen Jahren in Europa angekommen. In Zeiten steigender Mieten und knappen Wohnraums scheinen die Mini-Häuser eine Möglichkeit zu bieten, kostengünstig und dazu noch umweltverträglich zu wohnen. Die winzigen Häuser verschlingen weniger Ressourcen, bieten wenig Stauraum für Konsumgüter und finden selbst in überfüllten Städten Platz – auf Parkplätzen etwa.
Standorte müssen genehmigt sein
Doch im Gegensatz zu den USA gelten in Deutschland komplizierte Bauvorschriften, Genehmigungspflichten und nicht zuletzt die Straßenverkehrsordnung. Wenn ein Häuschen auf Rädern („to go“) steht und transportiert werden soll, gilt es als Anhänger und braucht eine Zulassung vom Tüv oder der Dekra. Auch eine Deklaration als abnehmbare Ladung ist möglich. Aber noch wirkt es in Europa ziemlich exotisch, wenn jemand mit so einem Miniholzhaus auf dem Anhänger durch die Lande zieht und sich mal hier, mal dort niederlässt. Wer so etwas mag, wird womöglich doch eher auf ein komfortabel ausgestattetes Wohnmobil zurückgreifen.
Wird ein „Tiny House“ als Wohn-, Ferien- oder Wochenendhaus genutzt, ist grundsätzlich eine Baugenehmigung einzuholen. Es einfach an die zu Straße stellen geht nicht. Der Standort muss sich auf einer von der Kommune dafür genehmigten Fläche befinden, zum Beispiel in einer Ferien- oder Wochenendhaussiedlung. Das Baurecht verlangt, dass der Bauherr die sichere Versorgung seines Häuschens mit Strom, Wasser sowie Abwasser und Müllabfuhr nachweist. Sofern das „Tiny House“ aus Holz gebaut ist, kommt ebenfalls der Brandschutz ins Spiel. Ausnahmen sind Campingplätze – dort kann ein „Tiny House“ grundsätzlich ohne explizite Baugenehmigung aufgestellt werden. Je nach Größe muss man für ein „Tiny House“ bis zu 50.000 Euro aufbringen. Es gibt jedoch handwerklich geschickte Idealisten, die ihr Minihaus mit Materialien aus dem Baumarkt errichten und mit 15.000 bis 20.000 Euro auskommen.
„Tiny Houses“ lassen sich natürlich komfortabel aufrüsten. Wer sich auf dem Campingplatz nicht an die öffentlichen Versorgungseinrichtungen anschließen möchte, sondern lieber autark bleibt, kann sich Sonnenkollektoren für den eigenen Strom aufs Dach setzen. Auch eine Wasseraufbereitungsanlage lässt sich einbauen. Wärmedämmung, ein Gasofen oder Fußbodenheizung – mittlerweile gibt es auf dem Markt für jeden Wunsch entsprechende Angebote. Im Internet finden sich bereits mehr als 50 verschiedene Minihaustypen. Eine Website listet Dutzende von Anbietern in Deutschland und Österreich auf.
Modell für junge Leute aus dem Mittelstand
Bisher nutzen zum Beispiel Pendler oder Studenten, die für eine überschaubare Zeit in einer anderen Stadt eine Unterkunft brauchen, solche Minihäuser. Familien legen sich „Tiny Houses“ als Wochenendhaus zu. Selbstständige nutzen sie als alternative Büros. Und einzelne Aussteiger, die das Leben in der Stadt satt haben und umweltbewusst wie naturverbunden leben möchten, kaufen oder mieten sich ein Minihaus. Es handelt sich oft um gut verdienende Akademiker, pensionsberechtigte Staatsdiener oder einfach Lebenskünstler, die ihre Ruhe haben und allein leben möchten. Deswegen ist auch oft von „Single Houses“ die Rede.
Van Bo Le-Mentzel hat in Berlin eine „Tiny-House University“ (TinyU) ins Leben gerufen und will neue Möglichkeiten urbanen Zusammenlebens ausloten. Innenstädte sollten sozial durchmischt und zugänglich für Menschen mit jedem Einkommen sein. Der Architekt mit Wurzeln in Laos hat im Innenhof des Bauhaus-Museums in Berlin eine ganze „Tiny House“-Schau aufgebaut.
Er ist davon überzeugt, dass in zehn Jahren „Tiny Houses“ etwas ganz Normales sind. Mit seinem Team hat er Häuschen gebaut, die weniger als sieben Quadratmeter Wohnfläche bieten und die er für 100 Euro monatlich an Bedürftige vermieten möchte. Er startete sein Projekt mit Flüchtlingen, die er auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise in den endlosen Warteschlangen am Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales antraf. Für sie war es eine vorübergehende Möglichkeit unterzukommen.
Le-Mentzel sagt selbst, dass sich eher junge Leute aus der oberen Mittelschicht so etwas bauten. Verzicht sei für diese Menschen eine Mischung aus Haltung und Lifestyle. Selbstreduktion gehe nur freiwillig, fügt er hinzu: „Der Wandel muss aus der Mitte der Gesellschaft kommen, sonst wäre das ja Kommunismus.“