Argumente statt Verbote
Ein Kommentar zur Kunstfreiheit
Die Welt ist verrückt“, habe ich gedacht, als ich die Pressemitteilung der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz gelesen habe. Die geplante Ausstellung mit der Künstlerin Candice Breitz werde wegen „der medialen Berichterstattung über die Künstlerin im Zusammenhang mit ihren kontroversen Äußerungen im Kontext des Angriffskrieges der Hamas auf den Staat Israel“ abgesagt. Die Begründung enthält eine Feinheit. Wäre die Ausstellung eröffnet worden, hätten Medien nicht darüber berichtet, was eine Künstlerin zum „Angriffskrieg der Hamas“ meint? Weder interessiert mich, was Frau Breitz zum „Angriffskrieg der Hamas“, noch, was Frau Netrebko zu Putins Krieg in der Ukraine meint. Die eine soll fotografieren und Videos drehen, die andere singen. Mehr noch: Es geht mich nichts an. Ich interessiere mich für Kunst und Kultur. Und wenn, wie gerne gesagt wird, Kunst und Kultur immer politisch sind, ja, wie mancher fordert, sogar sein müssen, könnten wir an deren Werk Meinungen, die als Haltung deklariert werden, ablesen?
So simpel ist es nicht. Will das Kunstwerk eine Verunglimpfung, eine Spiegelung von Verhältnissen, deren Kritik oder eine Zustimmung oder Propaganda sein? Fest steht, wer Kunst gegenübertritt, kreiert in dem Moment das Kunstwerk für sich, losgelöst davon, was der Künstler intendiert haben mag oder nicht. Kunst ist fluid und entsteht im Kopf. Manche Kunst bleibt auch stumm. Die Beschäftigung mit Kunst ist ein kreativer Prozess und nicht notwendigerweise ein moralischer Exkurs. Bertolt Brecht widerspricht, ich weiß.
Vier Tage nach der Pressemitteilung der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz folgte eine Erläuterung zur Absage: „Dr. Andrea Jahn möchte klar zum Ausdruck bringen, dass es hier nicht um eine Kritik am Werk und der künstlerischen Position von Candice Breitz geht.“ Kunst zensieren, aber behaupten, dass man das nicht tue? Eine Diskussion über Kunstfreiheit, die zunehmend durch Moral-Philisterei bedroht wird, tut not.
Danach geschah aus journalistischer Sicht Interessantes. Der Saarländische Rundfunk gab Dr. Andrea Jahn, Vorstand der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, Gelegenheit zur Äußerung. Uwe Loebens wollte herausfinden, wer letztendlich die Absage zu verantworten hat: Dr. Andrea Jahn, Museumsdirektorin im Vorstand der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, oder Christine Streichert-Clivot, Ministerin für Bildung und Kultur und Vorsitzende des Kuratoriums Stiftung Saarländischer Kulturbesitz? Zunächst äußerte Dr. Jahn, es habe sich um eine „gemeinsam als Vorstand getroffene Entscheidung“ gehandelt. Der Journalist Loebens hakt nach: „Es war eine Entscheidung, die das Kuratorium empfohlen hat, und wir als Vorstand haben sie dann umgesetzt.“ Zwei Stunden nach dem Interview – berichtet der SR – wurde diese Aussage widerrufen. Die Redaktion beschnitt den Beitrag jedoch nicht, sendete, was gesagt worden war, und legte die Widersprüche oder auch vermeintliche Zwänge und Abhängigkeiten, die zur Ausstellungsabsage geführt haben mögen, offen.
Angeblich wandten sich Menschen an Manfred Krug mit der Bitte, sie anwaltlich zu vertreten. Der Schauspieler hatte in einer Fernsehserie den Anwalt Robert Liebling dargestellt. Die Unterscheidung zwischen Rolle und Person scheint manchen zu überfordern.
Meine Fragen an Dr. Andrea Jahn und Ministerin Christine Streichert-Clivot: Warum unterscheiden Sie nicht zwischen Person und Werk? Wer bezahlt die Konventionalstrafe, die bei Vertragsbruch gemeinhin fällig wird? Mir scheint: Die Welt wird immer verrückter.