Eindrücke vom 45. Filmfestival Max Ophüls Preis
Maus den Kopf abgebissen …“, als ich aus dem Filmhaus komme, ohne den Film gesehen zu haben, um den es geht, assoziiere ich: „Der Wald …“ – „Genau“, erwidert der junge Mann auf der Straße und dreht sich um. Schon bin ich mit der Dreiergruppe im Gespräch und erzähle über das soeben Gesehene. Ein Kurzfilm. Thematisiert werden Arbeitsweise sowie Macht und Abhängigkeit in der künstlerischen Arbeit. Der Film zeigt Abgründe der darstellenden Kunst in der Welt des Tanzes. In wenigen Stunden beginnt die Preisverleihung. Nach der Vorführung, bei „Frage und Antwort“ rufe ich Linus von Stumberg zu: „Ich wünsche dir, dass dein Film einen Preis gewinnt!“ Während meiner Erzählung spüre ich Gänsehaut unter der dicken Winterjacke. „Der Film hat mich gepackt“, die drei blicken mich unverwandt an, bis einer ungeduldig fragt: „Wie heißt der Film?“ – „Syncope!“
Mein Wunsch ist in Erfüllung gegangen: Der Publikumspreis Kurzfilm geht an den Film „Syncope“ von Linus von Stumberg. Die Gespräche mit Zuschauern haben mich bei meiner Filmauswahl gut geleitet. „Syncope“ hatte ich gar nicht auf dem Schirm. Vor „Draußen brennt’s“ haben mich schlaue Zuschauer gewarnt. Mein Plan: „Electric Fields“, „Good News“ und „Geister“ sowie „Söder“ und „The French Flamingo Fucker“. Über diese persönliche Filmauswahl hatte ich in FORUM, Ausgabe 3/2024, geschrieben.
Die Karten zu bekommen, erlebte ich – und war damit nicht alleine – als ruckelig. Acht Minuten nach Freigabe des Kartenkontingents war es ausgeschöpft. Ich habe ungläubig geguckt. Schlussendlich konnte ich alle meine Favoriten sehen. Das Ticketing ist bei einem Festival eine Kunst für sich, mehr noch, eine Wissenschaft. Allen Beteiligten – besonders den stets geduldigen und freundlichen an den Cinestar-Kassen – kann man danke sagen.
Die Festivalleitung hat den Mitternachtstalk, der bei Lolas Bistro angesiedelt war, ersatzlos gestrichen. Der SR-Festivalfunk degradierte das Publikum zum passiven Zuhörer am unpassenden Ort. Man hatte die Cinestar-Lounge tagsüber zum Fernsehstudio gemacht, das für die Mediathek produziert. Die Mitternachtstalks waren ein wichtiges Diskussions- und Begegnungsforum, das sehr fehlt.
„Wir haben Stunden freudig geredet – bis spät in die Nacht“, sagt Lukas Nathrath, der Jurymitglied beim Wettbewerb Spielfilm war. Er ruft an, während ich schreibe. Das war nicht verabredet. Daran, dass er Zeit für ein Treffen in Saarbrücken finden würde, hatte ich ohnehin nicht geglaubt. Er ist wieder in München, spricht von „Einhelligkeit in der Jury“, mit der er drei Filme auszeichnen durfte: „Electric Fields“, „Arthur & Diana“ und „Good News“.
Die Schweizerin Lisa Gertsch ist mit „Electric Fields“ die große Gewinnerin. Sie erhielt zudem den Preis für das Beste Drehbuch und den Preis der Filmkritik. Lukas Nathrath schwärmt, spricht von „Sog und Atmosphäre“. Ich weiß, was er meint. Ich habe den Film teilweise als sinnlich erlebt, aber mein Köpfchen wollte diese Episoden nicht zu einem großen Ganzen zusammenfügen. Ob ich den Film noch einmal anschauen müsste, um ins Schwärmen zu geraten?
„Good News“ zeigt einen skrupellosen Journalisten. Als „beklemmend“ hat Nathrath den Film erlebt, viele Zuschauer (mich eingeschlossen) auch. Die Jurybegründung spricht von einer „universellen Parabel von Ausbeutung und Wertelosigkeit, von Manipulation und Macht“. Das Streaming-Angebot steht bis Sonntag, 4. Februar, bis 23.59 Uhr bereit. „‚Arthur & Diana‘ kann ich noch anschauen“, sage ich zu Lukas Nathrath, und lege ihm „The French Flamingo Fucker“ und „Syncope“ ans blaue Herz.
Die Spannweite der Filme, sowohl von den Themen her als auch ihrer Entstehungsgeschichte nach, ist enorm. Ich habe Filme mit Budget von 1.500 Euro bis drei Millionen gesehen. Weder „Electric Fields“, „Arthur & Diana“ noch „Good News“ sind mit Förderung oder großem Budget entstanden. Diese freien Produktionen sind mit Mut und Engagement, Können und Lust am Filmemachen zustande gekommen. Die Basis dazu wurde an deutschsprachigen Filmhochschulen gelegt.
Die Ausgezeichneten haben ihr Talent bewiesen. Lukas Nathrat, der im Vorjahr den Preis „Beste Regie“ für „Letzter Abend“ gewann, stellt die Zukunftsfrage: „Ich möchte wissen: Was machen die mit viel mehr Geld?“ Ja, das möchten wir wirklich sehen …