Das Saarland hat erstmals einen Champions-League-Sieger: Der 1. FC Saarbrücken Tischtennis setzt sich nach einer fast fünfstündigen Nervenschlacht gegen den deutschen Rekordmeister Borussia Düsseldorf durch und schreibt Geschichte.
Sensationell, historisch, unfassbar – die Zuschreibungen für das, was dem 1. FC Saarbrücken Tischtennis gelungen ist, kennen nach oben keine Grenze. Mit einer fantastischen Energieleistung ist es den von Wang Zhi trainierten Blau-Schwarzen gelungen, den ersten Champions League-Titel ihrer Vereinsgeschichte zu gewinnen. Das entscheidende Final-Rückspiel gegen Borussia Düsseldorf gewann der FCS TT vor 1.100 Zuschauern im ausverkauften Arag Centercourt in Düsseldorf denkbar knapp nach einem sogenannten Golden Match. Wie schon im Hinspiel fehlte Düsseldorfs Star Timo Boll wegen einer Schulterverletzung.
Die Krönung von Bergs Lebenswerk
„So langsam kommt es an“, sagt Erwin Berg. Der sportliche Leiter des FCS TT wurde erst vor Kurzem für sein Lebenswerk geehrt. Auch Teammanager Nicolas Barrois muss alles erst einmal sacken lassen: „Noch habe ich es nicht so richtig realisiert, was wir da am Montag geleistet haben. Dafür ist es einfach zu krass.“ Dabei hat das Team eigentlich gar keine Zeit, das Erlebte in Ruhe zu verarbeiten. Oder ausgiebig zu feiern. „Wir waren zwar erst gegen halb vier im Bett, aber es ging leider sehr gesittet zu“, bedauert Barrois schmunzelnd und verrät: „Nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft 2020 oder dem Pokalsieg 2022 ging es mehr ab. Das lag aber auch am Termin: An einem späten Montagabend geht selbst in Düsseldorf nicht mehr allzu viel – die Feier wäre an einem Freitagabend sicher mehr ausgeartet.“ So blieb lediglich der Terminkalender der Spieler voll: Jorgic und Franziska reisten noch in der gleichen Woche zu einem wichtigen Turnier nach China.
Mit im Gepäck: Die noch frischen Erinnerungen daran, wie die beiden Weltklasse-Spieler mit ihrem Team den Arag Centercourt aufgemischt hatten. Nach der 2:3-Niederlage im Hinspiel in Saarbrücken mussten die Gäste auch in Düsseldorf zunächst einem Rückstand hinterherlaufen. Das Auftaktmatch sicherte sich Dang Qiu mit einem klaren 3:1-Erfolg über Saarbrückens Darko Jorgic. Zwar konnte Patrick Franziska mit seinem 3:2-Sieg nach 0:2-Rückstand gegen Anton Källberg ausgleichen, doch Kay Stumper markierte mit seinem glatten 3:0-Sieg über Takuya Jin die erneute Führung für die Hausherren. Nur noch ein Sieg und Düsseldorf gewinnt, wie schon 2021, im Champions-League-Finale gegen den FCS TT. Doch Patrick Franziska und Darko Jorgic hatten etwas dagegen. Nervenstark setzte sich zunächst Franziska auch gegen seinen Nationalmannschafts-Kollegen Dang Qiu mit 3:2 durch. Auch dieses Spiel verlief auf Messers Schneide: „Als Patrick die drei Matchbälle gegen sich hatte, waren die Argumente nicht mehr unbedingt auf unserer Seite. Sicher hätte jeder gegen uns gewettet“, erinnert sich Barrois an die heißeste Phase dieses Duells: „Aber wie er das dann noch zieht … das war phänomenal. Ich habe ihm beim Abendessen gesagt: ‚Du bist heute aufgetreten wie ein Kapitän. So brauchen wir dich, und deshalb wissen wir, was wir an dir haben.‘“ Mit seinem 3:1-Erfolg über Anton Källberg sicherte Darko Jorgic seinem Team schließlich das Golden Match.
Nach dieser 2021 eigens für die K.o.-Phase der Champions League eingeführten Regelung werden drei Paarungen ausgelost, die jeweils in nur einem Satz ausgespielt werden. Wer zuerst zwei Spiele gewinnt, ist der Sieger. Zunächst gingen die Gastgeber durch einen 11:7-Sieg von Dang Qiu über den Saarbrücker Takuya Jin in Führung. Patrick Franziska glich mit seinem 11:6-Erfolg über Anton Källberg aus – es kam zum Showdown zwischen Saarbrückens Darko Jorgic und dem Borussen Kay Stumper. Die Kontrahenten schenkten sich nichts, es ging hin und her, ehe Jorgic seinen Matchball zum 11:9 und damit zum Titelgewinn verwandelte. Der Rest ist blau-schwarze Geschichte.
„Es hätte nicht knapper sein können und wir hatten das nötige Quäntchen Glück auf unserer Seite. Aber wir sind natürlich unfassbar stolz auf die ganze Mannschaft. Wir haben immer an uns und unser Team geglaubt“, freute sich der Olympia-Team-Zweite von Tokio, Patrick Franziska, nach dem nervenaufreibenden Finaltag: „Meisterschaft und Pokal haben wir schon gewonnen, aber im Champions League Finale gegen Düsseldorf – das Rückspiel sogar noch in Düsseldorf, ist etwas ganz Großes für den gesamten Verein.“ Das bestätigt auch Teammanager Nicolas Barrois, der die Bedeutung des Titelgewinns für den Verein nach den Pokalsiegen 2012 und 2022, dem Gewinn des Europapokals 2013 und der Deutschen Mannschaftsmeisterschaft 2020 als „unmessbar“ bezeichnet: „Wir haben in den vergangenen Jahren alle Titel geholt, die man in Europa holen kann. Das ist eine Ansage, das haben nicht viele Mannschaften in Deutschland geschafft“, sagt er und ergänzt selbstbewusst: „Wir können in Europa jeden schlagen und wollen auch in Zukunft ganz oben mitspielen.“
Kaderplanung abgeschlossen
Die Kaderplanung für die kommende Saison ist beim 1. FC Saarbrücken Tischtennis bereits abgeschlossen. Die Weltklasse-Spieler Jorgic und Franziska sowie der Belgier Cedric Nuytinck stehen weiterhin unter Vertrag. Mit dem Tschechen Tomáš Polansky, der seit 2016 für den Verein an der Platte stand, und dem Japaner Takuya Jin stehen zwei Abgänge fest. Takuya Jin, der erst 2022 zum FCS TT gekommen war, wird allerdings auch weiterhin in Saarbrücken leben und mit der Mannschaft trainieren, aber für einen anderen Verein in Europa spielen. Neu hinzu kommen der 26-jährige Japaner Yūto Muramatsu und der deutsche U23-Nationalspieler Cedric Meissner. Abwehrspieler Yuto kommt von Aufsteiger FSV Mainz 05, in dessen Trikot er die ligaweit zweitbeste Einzelbilanz aufweist, und will mit dem FCS TT erneut „um Titel mitspielen.“ „Er hat in der kompletten Vorrunde bewiesen, dass er ein absoluter Topspieler ist“, findet Erwin Berg und ergänzt: „Siege gegen eigentliche ‚Abwehrkiller‘ wie Steffen Mengel oder Kilian Ort sprechen für sich. Er wird mit seinem spektakulären Spielstil die Zuschauer begeistern und wichtige Siege für uns einfahren, da bin ich mir sicher.“ Linkshänder Meissner kommt vom aktuellen Zweitliga-Spitzenreiter TTC OE Bad Homburg an die Saar und wird als Nummer Fünf des Bundesligakaders in die kommende Saison starten.
Bevor es so weit ist, steht noch ein Saisonziel auf dem Zettel: „Ein Double hatten wir noch nicht“, sagt Nicolas Barrois mit Blick auf die anstehenden Bundesliga-Playoffs um die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft. Schon vor dem letzten Hauptrunden-Spieltag am 30. April haben die Saarländer das Ticket für die K.o.-Runde in der Tasche. Sollte der 1. FC Saarbrücken Tischtennis auch hier Historisches leisten, könnte das zum „Nachfeiern“ des Champions-League-Titels geplante Sommerfest auch gleich als Meisterfeier genutzt werden. Ganz ohne Termindruck im Anschluss.