Nach einem fulminanten Wahlsieg in Mecklenburg-Vorpommern mit 39,6 Prozent hat die SPD nun die Wahl, mit wem sie im Nordosten der Republik regieren möchte.
Schnell war am Wahlabend klar, dass Manuela Schwesig die große Gewinnerin der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern sein würde: Schon in den ersten Prognosen stand ihre Partei, die SPD, bei 40 Prozent. Schließlich wurden es dann 39,6 Prozent, ein Plus von 9 Prozentpunkten im Vergleich zur letzten Landtagswahl und das zweitbeste Ergebnis der SPD in Mecklenburg-Vorpommern. Das Ergebnis zeichnete sich schon im Wahlkampf ab, die SPD war daher sogar lange bemüht die Erwartungen an die Wahl etwas runterzuschrauben, um am Ende nicht doch übermäßig enttäuscht zu werden. Aber die Strategie und die Politik von Manuela Schwesig, die das Amt als Ministerpräsidentin 2017 von Erwin Sellering übernommen hatte, der sich aus gesundheitlichen Gründen aus der Politik zurückzog, ging auf.
Die Entwicklung war nicht unbedingt abzusehen: Als Schwesig das Amt übernahm, galt sie vielen als unnahbar und abgehoben, ihre Corona-Politik, die Debatte um die russische Gaspipeline Nord Stream 2 mit Russland sowie die damit zusammenhängende Umweltstiftung waren alles andere als förderlich für ihren Wahlkampf. Im Mai sahen die Umfragen sie Richtung 20 Prozent rutschen, die CDU war ohne viel Eigeninitiative dicht auf den Fersen der SPD. Aber Schwesigs Beharrlichkeit und Diskussionsbereitschaft zahlten sich aus. Sie kam bei den Menschen an, hörte ihnen zu und konnte einige Erfolge ihrer ersten Amtszeit zu überzeugenden Wahlargumenten für die Sozialdemokratin münzen: höhere Löhne für Lehrer, keine Kita-Kosten oder den höchsten Impferfolg im Osten. Das zahlte sich aus, am Ende waren 65 Prozent der Wähler in Mecklenburg-Vorpommern mit der Arbeit der Ministerpräsidenten zufrieden. Selbst knapp 40 Prozent der CDU-Mitglieder wünschten sich die SPD-Kandidatin als Chefin im Land. So nahm sie vielen ihrer Konkurrenten den Wind aus den Segeln, auch der AfD, die sich mit 16,4 Prozent deutlich gegenüber der letzten Landtagswahl verschlechterte. Sie ist damit aber dennoch auf dem zweiten Platz im Vergleich mit den anderen Parteien.
Bürgernaher Wahlkampf der SPD zahlte sich aus
Die Führung der rechten Partei zeigte sich schließlich trotz Verlusten mit dem Ergebnis zufrieden. Interne Machtkämpfe zerrütteten in der letzten Legislaturperiode von Anfang an das Vertrauensverhältnis zwischen den Mitglieder. Die Fraktion spaltete sich schon 2017 auf, 2019 folgte der Parteiausschluss von Dennis Augustin, einem Co-Vorsitzenden der Partei. Auch der eigentliche Wahlkampf lief für die Partei im Nordosten schlecht. Es fehlte an Themen, um die Wähler hinter sich zu bringen. Gleichzeitig kämpft die Partei, wie auf der Bundesebene, mit dem Aufkommen neuer rechter Parteien, die um ihre Wählerschaft buhlen und die Corona-Pandemie besser für sich nutzen konnten. So kam die Partei dieBasis zum Beispiel auf 1,7 Prozent der abgegebenen Stimmen. Stimmen, die die AfD bestimmt gerne für sich gewonnen hätte.
Auch der bisherige Koalitionspartner der SPD, die CDU mit Spitzenkandidat Michael Sack, verschlechterte sich um fast sechs Prozentpunkte auf 13,3 Prozent. Ein Faktor dafür war wohl unter anderem, dass die Christdemokraten es nicht schafften, ihren Kandidaten, den Landrat in Vorpommern-Greifswald, Sack, bekannt zu machen. Gerade gegen Manuela Schwesig, eine ehemalige Bundesministerin, die ihre Amtszeit nutzen konnte, Bekanntheit und Vertrauen aufzubauen, hatte es Michael Sack, der 2020 nach dem überraschenden Politikausstieg von Vincent Kokert die Führungsrolle übernahm, schwer. Zu spät passte er sich an seine neue Rolle an und versuchte zu zaghaft, die Positionen seiner Partei vorzubringen. Wie auch im Bundestagswahlkampf endeten die Wahlbemühungen der Landes-CDU in einem Kampf gegen einen allgemein befürchteten Linksrutsch, was allenfalls den Linken ein paar Stimmen gekostet haben könnte, ansonsten aber ins Leere gelaufen ist. Am Montag nach der Wahl übernahm Michael Sack schließlich die Verantwortung für den CDU-Wahlausgang und trat als Parteivorsitzender zurück. „Ich möchte den Weg frei machen für einen personellen Neuanfang und die richtigen politischen Weichenstellungen für die kommende Bundestagswahl", so Sack. Auch Philipp Amthor, einer der bekannteren Gesichter der CDU in Mecklenburg-Vorpommern, sprach von einem „schweren Tag" für die CDU im Nordosten.
Koalitionsziel: Bündnis mit „stabiler Partei"
Zwei Wahlgewinner sind die Grünen und die FDP. Beide Parteien haben es geschafft, in den Landtag einzuziehen, nachdem sie im letzten Landtag nicht mit einer eigenen Fraktion vertreten waren. Die Grünen verbesserten sich um 1,5 Punkte auf ein Ergebnis von 6,3 Prozent der Stimmen, die FDP gar um knapp drei Punkte auf 5,8 Prozent. Beide Parteien dürften dabei auch vom Bundestrend profitiert haben. FDP-Spitzenkandidat René Domke sieht sein Ergebnis aber auch im Zusammenhang mit den Coronaeinschränkungen der vergangenen Monate, nach denen es nun wieder zu einem Aufschwung kommen muss: „Ich denke schon, dass die Menschen jetzt tatsächlich nach der Pandemie auch Antworten wollen, wie es mit der Wirtschaft weitergehen soll."
Mit dem Wahlergebnis der Linkspartei von 9,9 Prozent der Stimmen stehen der SPD nun einige Möglichkeiten zur Koalitionsbildung offen. Zunächst gibt es die Option in der jetzigen Konfiguration, also Rot-Schwarz weiterzumachen. Eine weitere Zweierkoalition mit der Links-Partei wäre ebenfalls in Mecklenburg-Vorpommern möglich, während es Rot-Grün an einem Sitz fehlt, um gemeinsam regieren zu können. Gerade die Linkspartei dürfte sich nun sehr um die Gunst der SPD bemühen. Spitzenkandidatin Simone Oldenburg interpretierte das Ergebnis laut dem NDR sowieso als eine Absage an die CDU und einen linken Aufbruch im Nordosten. Rechnerisch möglich wären außerdem die Kenia-Koalition, Schwarz-Rot-Grün, Rot-Rot-Grün, die Ampel- und die Deutschlandkoalition. Allerdings hat sich Manuela Schwesig im Vorfeld dafür ausgesprochen, eher eine Zweierkoalition ins Auge zu fassen als ein Bündnis aus drei Parteien. Außerdem sprach sie sich für ein Bündnis mit einer „stabilen Partei" aus. Ob das aktuell für die CDU im Nordosten gilt, bleibt abzuwarten. Nur eins ist klar: Die Sozialdemokraten haben jetzt die Qual der Wahl.