Sie gilt als die ungekrönte Königin der Kleinen Anfragen im Bundestag. Wie sonst keiner nutzt Sabine Zimmermann (Linke) die parlamentarischen Möglichkeiten der Opposition. Derzeit ist die Opposition aber ziemlich machtlos.
Frau Zimmermann, wie macht man eigentlich Opposition ohne echte Regierung?
Wir haben eine Regierung, die geschäftsführend im Amt ist, und wir haben mittlerweile einen Hauptausschuss im Deutschen Bundestag, in dem gearbeitet werden könnte. Dort landen derzeit alle wichtigen Themen, von Altersarmut über Pflegenotstand bis zu Kriegseinsätzen der Bundeswehr. Aber ich sagte bewusst, es könnte dort gearbeitet werden, denn schon bei der konstituierenden Sitzung wurde deutlich, dass die Union, aber auch die SPD, diesen Hauptausschuss überhaupt nicht ernst nehmen. Denn alle Themen, über die man hätte debattieren können, wurden abgesetzt und in die nächste Hauptausschusssitzung vertagt. Also vor allem CDU und CSU wollen überhaupt nicht richtig arbeiten.
Neben diesem großen Hauptausschuss gibt es noch die Fachausschüsse. Die Debatte um deren Einsetzung war seit der Bundestagswahl die einzige ernsthafte Auseinandersetzung im Bundestag und wurde ja vor allem von Union und SPD verhindert. Warum sind diese Fachausschüsse so wichtig?
Im Hauptausschuss des Bundestages werden nur „große" Themen abgehandelt, wir können aber zum Beispiel keine Berichte der Bundesregierung, etwa zu sozialen Themen, anfordern. Das ist ein Thema für den Ausschuss Arbeit und Soziales, aber den gibt es derzeit nicht. Die Mehrheit des Bundestages hat gegen unseren Antrag zur Einsetzung der Fachausschüsse votiert. Das geht so nicht! Wir Linke versuchen weiterhin unsere Arbeit zu machen. Wir können doch nicht Themen wie Altersarmut, Pflegenotstand oder Niedriglohnsektor einfach so liegen lassen.
Sie sind nicht alleine Opposition, da ist ja noch die AfD ...
Das ist faktisch richtig, aber nur die halbe Wahrheit. Denn von der AfD kommen keine wirklichen Vorschläge, da ist bislang überhaupt keine Linie zu erkennen. Da kommen keine Inhalte, das ist blanker Populismus, den die da in den ersten Wochen abgeliefert haben. Die können nicht mal formulieren, was sich bei der Rente ändern muss, damit wir die drohende Massenaltersarmut verhindern können, da kommt nichts, nichts…
… also sehen Sie sich als die einzige Opposition im Bundestag …
Ja, das ist so. Die SPD wollte eigentlich, ist aber noch geschäftsführend in der Regierung und wird das weiterhin nun wohl auch bleiben. FDP und Grüne wollten eigentlich regieren, jetzt sind sie doch in der Opposition gelandet. Wir sind damit die einzige kritische Opposition. Wir haben zwar nicht die Oppositionsführerschaft, aber ich glaube, wir werden bei den Menschen als die Opposition wahrgenommen.
Sind denn die Grünen mittlerweile auf sie zugekommen als naheliegend zukünftige Mitstreiter in der Opposition? Die FDP wird wohl kaum mit Ihnen stimmen wollen.
Naja, die Grünen haben unterm Strich alle ihre Standpunkte längst aufgegeben, das haben ja schon sehr plakativ die Jamaika-Sondierungen gezeigt. Von daher, glaube ich, wird es für uns als Linkspartei sehr schwierig, mit den Grünen in der Opposition zusammenzuarbeiten. Aber eines ist auch klar: Die Opposition arbeitet ja schon immer irgendwie zusammen, und da wird es dann ganz sicher auch Anknüpfungspunkte mit den Grünen geben. Aber von den Themen sind wir weit weg voneinander. Das betrifft die Themen Arbeitsmarkt, Hartz IV oder Armut, und bei den Kriegseinsätzen der Bundeswehr brauchen wir mit den Grünen nicht mehr diskutieren.
Nun ist die AfD in den Bundestag gewählt worden. Wie wird sich die Linkspartei mit der Rechtspartei auseinandersetzen? Ignorieren oder nichtbeachten geht ja nicht.
Aber wir werden auch nichts mit ihnen gemeinsam machen. Auf bloß populistische Äußerungen einzugehen lohnt sich nicht und würde die AfD nur aufwerten. Wenn es zu rassistischen Äußerungen im Plenum kommt, dann werden wir natürlich sofort reagieren und klare Kante zeigen, aber, wie schon gesagt, inhaltlich ist da bisher nichts gekommen, und ich denke mal, das wird so wohl auch bleiben.
Aber die AfD nur über rassistische Äußerungen stellen zu wollen, scheint mir etwas kurz gesprungen. Sie werden sich mit denen schon näher beschäftigen müssen, denn auch die Linkspartei hat ja Wähler an die AfD verloren.
Das ist richtig, ich komme aus Sachsen, und als Gewerkschaftsfrau muss ich mich schon seit fast 30 Jahren mit den Rechten beschäftigen. Darum war es für mich keine große Überraschung, dass die AfD mit solch einem Ergebnis in den Bundestag eingezogen ist. Aber aus meiner Erfahrung gebe ich zu bedenken: Sie werden Rechtspopulisten nicht nur mit Rededuellen im Parlament bekämpfen können, sondern müssen sich fragen: Warum werden die gewählt, wer sind die Wähler? Und wenn unsere Wähler plötzlich anfangen rechts zu wählen: Was läuft da schief? Wir müssen viel deutlicher darstellen, dass die AfD nicht der Anwalt der kleinen Leute ist. Rechtsparteien sind auch eine soziale Frage. Es geht nicht um Flüchtlinge allein. Die soziale Schere in Deutschland klafft immer weiter auseinander, und das führt zu Neid und Missgunst und hilft damit den Rechten. Denn die setzen genau da an und hetzen einkommensschwache Gruppen, die immer mehr werden, gegeneinander auf. Die Hartz-IV-Aufstocker gegen die Flüchtlinge, den Niedriglöhner gegen die EU-Ausländer. Bei gerechten Löhnen für alle, also Löhne, von denen die Menschen auch leben können, ist dies dann nicht mehr möglich. Geht es sozial gerecht zu, haben rechte Hetzer keine Chance.
Der Kampf der Linken für soziale Gerechtigkeit ist ebenso bekannt wie der Kampf innerhalb der Partei. Der Streit zwischen den beiden Parteivorständen Katja Kipping und Bernd Rixinger auf der einen und den Fraktionsvorständen Sarah Wagenknecht und Dietmar Bartsch auf der anderen Seite direkt nach der Bundestagswahl hat mehr Schlagzeilen produziert als die politischen Inhalte.
Wir sind die einzige soziale Opposition, die einzige soziale Partei, die etwas für die Menschen machen möchte, aber wir haben natürlich auch selber menschliche Schwächen. Und das zeigt sich dann in völlig überflüssigen Kleinkriegen, die uns überhaupt nicht weiterbringen. Wir müssen immer zusehen, dass wir nach außen hin geschlossen auftreten, und das ist uns jetzt nach der Bundestagswahl definitiv nicht gelungen. So etwas schadet der Partei nur, das bringt uns keinen Schritt weiter, denn wer wählt eine Partei, die zerstritten ist? Und mit Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch haben wir ein sehr gutes Führungspersonal, unter dem wir hier im Bundestag in Ruhe unserer Arbeit nachgehen können. Die beiden machen einen Spitzenjob und unser oberstes Gebot in der Fraktion, aber auch in der Partei, muss Einigkeit sein, dann sind wir auch erfolgreich.