Die Neuauflage des Formel-1-Duells Lewis Hamilton gegen Sebastian Vettel ist programmiert. Mit je vier WM-Titeln marschieren der Mercedes-Superstar und das Ferrari-Ass im Gleichschritt nach Australien. Wird der Brite oder der Deutsche Weltmeister, hat der fünfmalige Champion mit dem Argentinier Juan Manuel Fangio gleichgezogen.
Man muss kein Prophet sein um vorherzusagen, dass eine erneute Kraftprobe zwischen Champion Lewis Hamilton und Vize-Weltmeister Sebastian Vettel die neue Formel-1-Saion prägen wird. Mercedes gegen Ferrari. So wie im Jahr 2017. Es war ein Fall für zwei. Das Duell der beiden Ausnahmekönner elektrisierte die Formel 1. Nie war Vettel in seiner Ferrari-Zeit so wertvoll wie in der vergangenen Saison. So nah kam er seinem Erzrivalen und dessen Silberpfeil noch nicht. 46 Punkte (363:317) trennten die beiden Alphatiere nach 20 Rennen. Diese Niederlage schmerzte. 2018 soll die Schmach ausgemerzt werden. Der nächste Angriff in Rot soll endlich im Ziel landen – in seiner vierten Saison für den italienischen Renommier-Rennstall.
Vettel war nah dran
In der rennfreien Zeit machte Vettel den Ferrari-Fans schon mal Hoffnung für die neue Saison: „Wenn wir in der Winterpause einen ähnlichen Sprung nach vorne machen wie im vergangenen Jahr, dann sollte das fast ein Spaziergang werden. Unser Fortschritt über die Saison war unglaublich, weil wir an den richtigen Stellschrauben gedreht hatten. Unser Auto war vom Start weg gut. Wir konnten dann sowohl Chassis als auch Motor immer weiter entwickeln. Das war in allen Bereichen hervorragend.“ Außerdem sei das Ferrari-Team weiter zusammengewachsen „was uns in eine bessere Position bringt“, sagt der Deutsche.
Mit einem noch radikaler und aggressiver entwickelten Boliden hofft die Scuderia (Rennstall), die Lücke zu Mercedes geschlossen zu haben. „Was einen unheimlich großen Unterschied dieses Jahr ausmacht, ist die Aufmerksamkeit fürs Detail“, ist sich Vettel sicher. Einen ersten Eindruck von seiner neuen knallroten „Göttin“ konnte sich der Hesse beim Rollout in Barcelona machen. Die Testfahrten auf dem kalten, windigen, teils regnerischen und verschneiten Circuit de Catalunya in Montmélo nahe Barcelona waren nur wenig aussagekräftig und wie immer bei solchen Tests Schattenboxen und Geheimniskrämerei. Um zu verhindern, dass die Konkurrenz einen Blick auf Neuerungen erhaschen und möglicherweise noch darauf reagieren könnte, stellen die Teams Sichtblenden vor ihren Boxen auf. Eine Fehlkonstruktion scheint das Auto mit der wenig spektakulären Bezeichnung SF71 H (Scuderia Ferrari, 71. Firmenjahr, Hybrid) nicht zu sein. Optisch zeichnet sich der Ferrari neu aus, ist fast durchgehend rot inklusive dem unansehnlichen dreibeinigen Bügel. Mit der Entwicklung seines Dienstwagens zeigt sich Sebastian Vettel „soweit zufrieden. Das Auto funktioniert“, berichtet er in die TV-Kameras und schiebt hinterher: „Ist nur noch die Frage wie gut?“ Viel könne er noch nicht sagen, es sei noch zu früh. „Klar erhofft man sich immer viel. Aber alles, was wir uns erhofft haben, scheint der Fall zu sein.“
Der 47-malige Grand-Prix-Sieger kann nur schwer einschätzen, wo sein Rennstall im Vergleich zur Konkurrenz steht, denn jedes Team spult sein eigenes Testprogramm ab, die somit unterschiedlich ausfallen. Da weder Motoreinstellungen noch Reifen, Spritmengen und andere Parameter bekannt sind, können von den Zeiten her nur wenige Erkenntnisse anderer Teams abgeleitet werden. Die gewonnenen Eindrücke seien mit Vorsicht zu genießen. Ein klares Kräfteverhältnis ist kaum erkennbar, zumal die Wetterkapriolen einen normalen Testbetrieb doch vorübergehend lahmlegten. Am zweiten Testtag fuhr Vettel die schnellste Runde. Doch die Bestzeit ist ein Muster ohne Wert. „Das wird auch in der nächsten Testphase (war vom 6. bis 9. März ebenfalls in Katalonien, Anm. d. Red) so sein, da wird sich von den Erkenntnissen her nicht viel ändern“, orakelte Sebastian Vettel vor dem zweiten Vorspiel der Formel 1. „Wo wir vor dem Abflug nach Australien im Vergleich zur Konkurrenz stehen, ist zwar schwer einzuschätzen, aber das macht ja den Reiz aus“, sagte Vettel. Wer wo steht und seine Hausaufgaben ordentlich erledigt hat, zeigt sich erst am anderen Ende der Welt, in Down Under, wie Australien wegen seines herunterhängenden Zipfels auf der Weltkarte auch genannt wird. „In Melbourne werden die Karten aufgedeckt und die Hosen runtergelassen, dann wissen auch wir, wo Ferrari steht“, ist sich Vettel bewusst. Vor einem Jahr startete er dort gleich mit einem Sieg.
Egal, wie gut seine rote „Göttin“ sich präsentieren wird, Favorit für den Ferrari-Fahrer, der unter enormem Erfolgsdruck steht, ist Mercedes. Doch das Team von Lewis Hamilton ist nicht das einzige, das er auf seinem Zettel hat. Auch seinem Ex-Weltmeister-Rennstall Red Bull räumt der Heppenheimer große Chancen ein, in diesem Jahr um den Titel mitzukämpfen. Vergangene Saison hatten die „Bullen“, angetrieben von Renaultkraft, erst im letzten Drittel den Anschluss nach vorne gefunden. „Wenn Red Bull noch aufschließen kann, dann wird es interessant im Titelkampf“, findet Ex-„Bulle“ Vettel. Ganz ohne Chancen sieht er aber auch sein Team nicht. „Ich möchte sicherstellen, dass wir den Titel zurückholen können. Das ist unsere Aufgabe, unser Ziel, die Weltmeisterschaft nach Maranello zurückzuholen“, schickt der 30-Jährige eine klare Botschaft Richtung Konkurrenz und Tifosi (italienische Fans). Zur Erinnerung: Vettels Teamkollege Kimi Räikkönen war 2007 der letzte Champion in Rot und Ferrari 2008 letztmals Konstrukteurs-Weltmeister.
Positives Gefühl bei Hamilton
Titelrivale Lewis Hamilton hat nach eigener Aussage von dem Probegalopp der Konkurrenz „noch gar nichts mitbekommen.“ Doch der Weltmeister tappte nicht ganz im Dunkeln. Immerhin kam ihm die erhellende Erkenntnis, die ebenso verwunderte wie verblüffte: „Ich weiß, dass der Ferrari rot ist“. Die Farbe seines Silberpfeils dürfte ihm ebenfalls bekannt sein. Von seinem neuen Dienstwagen W09 hat Hamilton „ein Gefühl, das positiv ist.“ Aber es sei noch viel zu früh, etwas Konkretes zu sagen. Einen Vergleich hat der Vierfach-Champ dann doch noch parat: „Der neue Bolide fühlt sich wie die große Schwester des letztjährigen Autos an“. Welche Gene sich das brandneue Dienstfahrzeug mit seinem Vorgänger teilt, bleibt vorerst ein Geheimnis – noch. Mercedes-Sportchef Toto Wolff verrät nur so viel: „Wir haben auf jedem Gebiet eine Weiterentwicklung. Wir mögen die Charaktereigenschaften unserer Diva von 2017. Der W08 war das schnellste Auto im Feld mit den meisten Polepositions und den meisten Siegen. Die Stärken des 2017er-Autos haben wir beibehalten, seine Schwächen, die zickigen Eigenschaften der Diva aussortiert oder behoben.“ Der Österreicher ist überzeugt, dass die V6-Hybridmotoren der Silberpfeile in dieser Saison nicht mehr den Vorteil bringen würden, den sie in den vergangenen Jahren garantiert haben. Die Konkurrenz hätte die Lücke zu Mercedes sukzessive geschlossen. Ein ganz dickes Kompliment macht Wolff seinem Jahrhundert-Piloten. „Lewis hat brillante Leistungen gezeigt, er ist ein unglaublicher Fahrer, der Beste unserer Zeit. Er fährt in einer eigenen Liga. Es ist bemerkenswert, was er auf der Strecke und außerhalb des Cockpits geleistet hat“, schwärmt der Teamchef auf einer Webseite.
Für seinen fünften Titel hat Hamilton, der sich vegan ernährt, in der Winterpause ausgiebig aufgetankt. Der 33-Jährige startet in sein zwölftes Formel-1-Jahr (sein sechstes mit Mercedes) und scheint die Balance in seinem teilweise schillernden Jetset-Leben gefunden zu haben. „Ich ging wie in jedem Winterurlaub an den gleichen Ort in die Berge zum Skifahren. Ich habe dann meine Hunde dabei, bin im Schnee, und dort ist es ruhig und friedlich. Die meiste Zeit saß ich am Kamin, sah mir mit ein paar Freunden einige Filme und TV-Serien an“, ließ der 62-malige Grand-Prix-Sieger in einer Pressemitteilung seines Teams wissen.
Zweifach-Vater Vettel machte einen „auf Familie“, verbrachte die meiste Zeit mit Lebensgefährtin Hanna (29) und den beiden Töchtern Emilie (4) und Matilda (2) zu Hause. Seit 2010 wohnt der Hesse aus Heppenheim mit seiner Familie in einer umgebauten ehemaligen Mühle in dem beschaulichen, 145-Seelen-Dörfchen Ellinghausen im Schweizer Kanton Thurgau. Keine Kirche, keine Schule, kein Restaurant, „aber gute Landluft“, wird der Wahl-Schweizer in einer Zeitung zitiert. Es wird für Hamilton und Vettel nicht einfach, mit der argentinischen Rennlegende Juan Manuel Fangio und dessen fünf WM-Titeln auf einer Stufe zu stehen. Beide werden sich gegenseitig hochschaukeln. Trotz einiger Scharmützel in der vergangenen Saison respektieren sie sich. Für diese Saison erwartet der Brite einen noch härteren Titelkampf. „Ferrari wird stärker zurückkommen, Sebastian wird die Latte sicher wieder etwas höher legen“, ist Hamilton überzeugt. Vor allem aber geht er davon aus, dass der Deutsche aus seinen Fehlern von 2017 gelernt hat und sie nicht noch einmal machen wird. Nur Kleinigkeiten hätten den Meisterschaftskampf entschieden, glaubt Hamilton.
Red Bull schielt wieder nach oben
Zurück an die Spitze will auch der viermalige Marken-Weltmeister (2010 bis 2013) Red Bull mit Senkrechtstarter Max Verstappen. Laut Experten wurden für die Rückkehr in die Erfolgsspur die besten Ideen von Branchen-Primus Mercedes und Ferrari kopiert und weiter entwickelt. „Max ist ein absoluter Spitzenfahrer. Er hat das Zeug zum Weltmeister. Er ist furchtlos und eine echte Bedrohung“, hat Hamilton das Potenzial des „Jungbullen“ erkannt. Fernando Alonso, der im McLaren nach der schmutzigen Trennung von Honda mit Renault-Power unterwegs sein wird, zählt Hamilton ebenfalls zu seinen schärfsten Rivalen. Er hofft und wünscht, dass diese beiden Fahrer mit Vettel und ihm als die vier stärksten Piloten in einen engen Kampf um die WM verwickelt werden. „Das wäre verdammt genial“, so Hamilton in einer Mitteilung.
An alte Glanzzeiten will auch unbedingt der Werksrennstall Renault anknüpfen. Hoffnungsfahrer ist Nico Hülkenberg. Der 30-Jährige ist der neben Vettel einzig noch verbliebene deutsche Pilot in der Königsklasse. Nur zwei Piloten in der Formel 1 – das war zuletzt 1996 mit Michael Schumacher (Ferrari) und Heinz-Harald Frentzen (Sauber Ford) der Fall. Der Emmericher vom Niederrhein geht in seine achte Formel-1-Saison, seit 2017 ist er für Renault am Start. Mit den Franzosen verpasste er mit Platz sechs in der Konstrukteurswertung die Zielvorgabe um eine Position.
In dieser Saison soll aber alles besser werden. „Hulk“ ist zuversichtlich und positiv gestimmt, dass seine Truppe die richtigen Lehren gezogen hat, um mit dem teilweise kanariengelben Renault mit der Trikolore auf der Nasenspitze besser als im Vorjahr bei der Musik zu sein. „Wir haben auf der guten Basis aufgebaut, die wir uns voriges Jahr erarbeitet haben. 2017 war die Warmlaufphase“, versprach Hülkenberg. Auch er und sein Team können nach der ersten Testphase noch nicht richtig einschätzen, „wie gut wir unseren Job erledigt haben, denn die anderen haben über den Winter auch hart an ihren Autos gearbeitet“, gibt sich „Hulk“ noch verhalten. Fakt aber ist: Für Lewis Hamilton und Sebastian Vettel zählt nur der fünfte Titel, um zu Juan Manuel aufzuschließen.