13 Spitzensportlerinnen und Spitzensportler aus dem Saarland nehmen an den Olympischen Spielen in Tokio teil. Die außergewöhnlichen Umstände während der Corona-Pandemie trüben die Freude auf die sportlichen Wettkämpfe nicht.
it einem gemütlichen Grillabend wurden die insgesamt 29 qualifizierten Athletinnen und Athleten des Olympiastützpunktes Rheinland-Pfalz/Saarland Anfang Juli offiziell nach Tokio verabschiedet. In der japanischen Hauptstadt werden sie zwischen 23. Juli und 8. August 2021 an den Olympischen Spielen teilnehmen. Die turnusgemäß für 2020 angesetzten Spiele waren wegen der Corona-Pandemie um ein Jahr verschoben worden. Zur Verabschiedung im kleinen Rahmen eingeladen hatte der Trägerverein des Olympiastützpunktes (OSP). Für die Verpflegung der geladenen Gäste sorgte Sportminister Klaus Bouillon am Grill.
„Alle unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben die Chancen, bei den Spielen für Überraschungen zu sorgen. Letztlich kommt es auf die Tagesform an", weiß Frank Liedke und ergänzt: „Jetzt drücken wir ihnen die Daumen, dass sie an ihren Wettkampftagen topfit aus dem Bett kommen und ihre Bestleistungen abrufen können." Liedke ist Vorsitzender des OSP-Trägervereins und Mitglied des Landesausschusses für Leistungssport und des Aufsichtsrats des Landessportverbandes für das Saarland und findet: „Eine Medaille vorherzusagen oder zu erwarten, wäre allerdings vermessen." Die letzte olympische Medaille, die ein aus dem Saarland stammender oder hier trainierender Sportler gewinnen konnte, war die goldene von Triathlon-Weltstar Jan Frodeno 2008 in Peking.
Von den 29 verabschiedeten Spitzenathletinnen und -athleten stammen 13 aus dem Saarland oder starten für einen saarländischen Verein: Isabel Herttrich (1. BC Bischmisheim), Marvin Seidel (1. BC Bischmisheim, künftig Wipperfeld) und Mark Lambsfuß (1. BC Wipperfeld, alle Badminton), die Ringer Etienne Kinsinger (KSV Köllerbach, griechisch-römisch bis 60 Kilo) und Gennadij Cudinovic (AC Heusweiler, Freistil bis 125 Kilo), Tischtennisprofi Patrick Franziska (1. FC Saarbrücken Tischtennis), Schwimmer Christoph Fildebrandt (SSG Saar Max Ritter, 4x100 Meter Freistil), Läufer Richard Ringer (LC Rehlingen, Marathon), Sprinterin Laura Müller (SV GO! Saar 05 Saarbrücken, 4x400 Meter und 4x4 Mixed Relay), Triathlet Justus Nieschlag (Lehrter SV), Radrennfahrerin Lisa Klein (Canyon//SRAM Racing) und Turnerin Pauline Schäfer (KTV Chemnitz). Hinzu kommt mit Wessam Salamana (Boxclub-82 Völklingen) ein syrischer Boxer (bis 57 Kilogramm), der nach seiner Flucht vor dem Bürgerkrieg in seiner Heimat seit 2015 in Deutschland lebt. 2016 landete er im Saarland, wo er in Völklingen und Saarbrücken von Heiko Staacke und Samir Adjdadi trainiert und betreut wird. Salamana nahm schon an den Spielen in London 2012 teil und wird in Tokio für das „Refugee Olympic Team" an den Start gehen. Übrigens werden auch die Paralympischen Spiele (24. August bis 5. September) in Tokio und mit saarländischer Beteiligung stattfinden. Bocciaspieler Boris Nicolai (BRS Gersweiler-Ottenhausen e.V.) und Leichtathletin Nicole Nicoleitzik (TV Püttlingen) werden dort die deutschen Farben vertreten.
„Das Größte, was man erreichen kann"
„Sie alle gehören zu den Besten der Besten. Jetzt ist es an ihnen, sich diese fantastische Leistung vielleicht sogar noch mit einer Medaille zu vergolden, versilbern oder bronzieren", sagt Frank Liedke und ergänzt: „Das Wichtigste ist allerdings, dass sie gesund bleiben und auch gesund wieder nach Hause kommen." Die wohl besten Chancen darauf hat Tischtennis-Nationalspieler Patrick Franziska. Dass er sich ein Olympiaticket sicherte, war ebenso erwartbar wie die der Badminton-Asse im Herren Doppel, Marvin Seidel und Mark Lambsfuß. „Es wäre schon eine Enttäuschung gewesen, wenn sie es nicht geschafft hätten. Ich glaube auch, dass die beiden eine Chance haben, dort trotz der asiatischen und dänischen Übermacht zu bestehen. Sie haben ja schon bewiesen, dass sie gegen die Top-Duos aus Asien gewinnen können", findet Liedke, der es als Ehrenpräsident des Saarländischen Badminton-Verbandes und 1. Vorsitzender des Serienmeisters 1. BC Bischmisheim ja wissen muss.
Für die wohl spektakulärste Olympia-Qualifikation sorgte Etienne Kinsinger. Der Ringer des KSV Köllerbach (griechisch-römisch bis 60 Kilo) hatte genau 13 Sekunden vor dem Schlussgong im entscheidenden Duell mit Europameister Murad Mammadov einen Geistesblitz: Im Halbfinale des vorletzten Quali-Turniers lag er gegen den Mann aus Aserbaidschan mit 1:3 in Rückstand, als er zum sogenannten Eichhörnchen-Sprung ansetzte. Eine so seltene wie spektakuläre Technik, bei welcher der Gegner aus dem Stand übersprungen, umklammert und mit Hilfe des Flug-Schwungs umgerissen wird. Der erhoffte Überraschungseffekt trat ein, und Kinsinger drehte den 1:3-Rückstand in eine 5:3-Führung. Wenige Sekunden später war der Kampf vorbei und das Olympia-Ticket in der Tasche. „Er stand quasi mit dem Rücken zur Wand – andere hätten sich in dieser Situation in die Hose gemacht und hätten nichts auf die Kette bekommen. Aber mit seiner mentalen Stärke und seiner Qualität hat er es doch noch geschafft", freut sich Frank Liedke.
Trotz aller Einschränkungen vor und auch während der Olympischen Spiele in der Corona-Pandemie können es die Sportlerinnen und Sportler aus dem Saarland nicht mehr erwarten. „Die Vorfreude ist riesig, schließlich ist es das Größte, was man als Sportler erreichen kann. Allerdings werden die Athleten, die schon einmal an Olympischen Spielen teilgenommen haben, einiges vermissen", weiß Liedke und nennt vor allem die typische Atmosphäre im olympischen Dorf: „Während sie früher nach dem eigenen Wettbewerb dort noch eine schöne Zeit verbringen und mit anderen Athleten in Kontakt kommen konnten, müssen sie in diesem Jahr binnen 48 Stunden abreisen. Das ist echt traurig." Die ungewohnten Rahmenbedingungen während der Pandemie seien allerdings zu verschmerzen: „Schlimmer wäre es gewesen, wenn die Spiele ganz abgesagt worden wären", findet Frank Liedke, „Wenn man sich vier Jahre lang – oder in diesem Fall ja schon fünf Jahre – auf etwas vorbereitet hat und dann wird es abgesagt, ist das eine Tragödie." Dazu ist es nicht gekommen, doch die Olympischen Spiele in Tokio werden schon für ihre eigenen sportlichen Tragödien und Glücksmomente sorgen – vielleicht sogar mit saarländischer Beteiligung.