Dank rigoroser Vorsichtsmaßnahmen konnte Peking die 24. Olympischen Winterspiele im Februar trotz der Corona-Pandemie organisatorisch perfekt durchführen. Allerdings wurde das Mega-Event ebenso wie die Paralympics im März von heftigen Kontroversen um die Menschenrechtsverletzungen überschattet.
Schon im Vorfeld des weltweit bedeutendsten Sportevents vom 4. bis zum 22. Februar 2022 waren die Vorfreude auf spannende Wettbewerbe und herausragende Leistungen der Athleten fast gänzlich hinter hitzig-kontroversen Diskussionen um die politisch-gesellschaftlichen Verhältnisse des Gastgeberlandes zurückgetreten. Allein schon angesichts dieser schweren Hypothek hätten die Olympischen Spiele von Peking auch ohne die zusätzliche Belastung durch die Corona-Pandemie niemals das Potenzial zu einem Wintermärchen haben können. Zumal dafür auch die erforderlichen äußeren Rahmenbedingungen wie tief verschneite Landschaften oder Berghänge angesichts der klimatischen Voraussetzungen in den drei Wettkampfstätten Peking sowie den beiden nordwestlich der chinesischen Hauptstadt gelegenen Destinationen Yanqing (75 Kilometer entfernt) und Zhangjiakou (180 Kilometer entfernt) fehlten.
Statt echtem Schnee nur Kunstschnee
Mangels natürlicher Flocken vom Himmel musste man sich mit Kunstschnee behelfen, der zur besseren Fernseh-Optik teils weit über die nötigen Flächen hinaus aufgetragen wurde. Alleine schon dadurch wurde die inzwischen auch für Olympische Spiele geforderte Nachhaltigkeit ad absurdum gestellt. Etwa wegen extremer Wasser- und Energieverschwendung, verbunden mit gravierenden Einschnitten in ein Naturschutzgebiet sowie aus dem Erdboden gestampften Sportstätten mit gigantischen, künftig kaum nutzbaren Bauten wie einer Skisprungschanze oder einem sündhaft teuren Eiskanal.
Bereits aus rein sportlicher Sicht mutete es geradezu bizarr an, dass das IOC im Jahr 2015 seine Winterspiele in ein Land vergeben hatte, in dem der Wintersport nahezu bedeutungslos war. Auch wenn die chinesische Staatspropaganda vollmundig versprochen hatte, dass sich dies dank des Mega-Events ändern würde und sich mindestens 300 Millionen Landsleute künftig vor allem für das Anschnallen von Skiern begeistern würden. China solle sich so zu einer neuen, auch für die alpine Ausrüster-Industrie höchst lukrativen Wintersport-Nation entwickeln.
Das liebe Geld dürfte letztlich die zentrale Rolle bei der Nominierung Pekings gespielt haben, das nach den Sommerspielen 2008 als erste Stadt in der olympischen Historie auch Winterspiele austragen durfte. Beim IOC wird Pekuniäres natürlich kaum je offen angesprochen, obwohl sich inzwischen auch die Winterspiele dank hochdotierter Sponsoren- und TV-Verträge zu einem Milliardengeschäft für die in Lausanne ansässigen Olympioniken gemausert haben und man daher bestrebt ist, weltweit ständig neue Märkte zu erobern. So wie China eben.
Viel lieber hält sich das IOC an sein ureigenes ewiges Credo des Friedens, der Völkerverständigung und des Unpolitischen im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen. Wobei sein schon seit Jahren umstrittener deutscher Präsident Dr. Thomas Bach nicht müde zu werden scheint, die Fiktion der „unpolitischen Spiele“ aufrechterhalten zu wollen. Tatsächlich war diese Mega-Veranstaltung in ihrer gesamten Geschichte noch niemals unpolitisch gewesen.
Demokratien scheuen immer öfter Aufwand
Jedes Gastgeberland hatte das Event mindestens zur möglichst positiven Selbstdarstellung genutzt. Das gilt natürlich auch für China. Das autoritäre Regime im Reich der Mitte hatte allerdings ganz eigene Maßstäbe in so ziemlich allen Bereichen des politisch-gesellschaftlichen Lebens angelegt und als neue wirtschaftliche sowie geopolitische Großmacht selbstbewusst in Kauf genommen, dass diese Maßstäbe von keinem der westlich-demokratisch ausgerichteten IOC-Mitgliedsstaaten geteilt werden.
Schon 2008 hatte Peking die Kontroversen um Menschenrechtsverletzungen in Tibet ausgesessen. Danach hatte die Kommunistische Partei die autoritären Zügel im Zuge wachsenden Wohlstands der Bevölkerung sogar deutlich weiter angezogen und Menschenrechte wie Meinungs-, Presse- oder Religionsfreiheit quasi abgeschafft. Dabei war die Führung auch vor direkter Verfolgung von Minderheiten wie den muslimischen Uiguren nicht zurückgeschreckt.
Das alles war und ist natürlich auch dem IOC bekannt. Öffentlich Stellung bezogen zu den Missständen hat es aber nie. Auch im Umgang mit der kaltgestellten chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai, die im Herbst 2021 Missbrauchsvorwürfe gegen einen hochrangigen chinesischen Politiker erhoben hatte, tat sich das IOC extrem schwer. Es wollte es sich offenbar mit dem starken Mann Chinas, dem immer autoritärer agierenden Xi Jingping, nicht verderben. Dieser hat sich von jeher jegliche Einmischung seitens westlicher Staaten und Organisationen in die inneren Angelegenheiten Chinas verbeten. Was einige Länder mit den USA, Australien, Kanada und Großbritannien an der Spitze aber nicht davon abhalten sollte, die Pekinger Spiele wegen der Menschenrechtsverletzungen und mit Bezug auf den prominenten Fall Peng Shuai diplomatisch zu boykottieren. Deutschland hatte sich diesem Schritt nicht angeschlossen, zu groß war offenbar die Angst vor einer Brüskierung des wichtigen Handelspartners China.
Die chinesische Führung hatte den diplomatischen Boykott sogleich als Verstoß gegen die „politische Neutralität im Sport“ abgekanzelt und fand Unterstützung bei Thomas Bach, weil es sich dabei um eine rein politische Entscheidung gehandelt habe und Politik mit dem olympischen Geist nun einmal nicht vereinbar sei.
Trotz aller berechtigten Kritik an China beziehungsweise Peking als Gastgeber der Olympischen Winterspiele wurde viel zu selten die Frage aufgeworfen, welche Alternativen das IOC bei der Vergabe des Events 2015 gehabt hatte und welche künftig möglich sein werden. Denn in einer Welt, in der die Zahl der Diktaturen immer weiter ansteigt und laut diversen Untersuchungen nur noch etwa 45 Prozent der globalen Bevölkerung demokratisch regiert werden, dürfte es dem IOC zunehmend schwerfallen, die Austragung der Spiele nur noch an Staaten zu übertragen, die die Menschenrechte achten. Zumal demokratisch regierte Öffentlichkeiten immer weniger Bereitschaft zeigen, die meist gigantischen Kosten des Großevents zu übernehmen, während alle Gewinne vom IOC abgesahnt werden. Autokratische Systeme haben mit dieser Diskrepanz hingegen deutlich weniger Probleme.
Der Zuschlag an Peking im Jahr 2015 war dafür geradezu ein Paradebeispiel. München musste seine Bewerbung damals wegen Bürgerprotesten zurückziehen. Zur Wahl standen somit nur noch Peking und Almaty, das als Stadt im autoritären Kasachstan wohl kaum als geringeres Übel angesehen werden konnte. Und das im Unterschied zu Peking auch kaum die durch die Corona-Pandemie später notwendigen Sicherheitsmaßnahmen hätte gewährleisten können. Dennoch wurden die Winterspiele 2022 in den Medien wie der ARD-„Tagesschau“ als „die wohl politischsten seit den Boykott-Ausgaben in den 1980er-Jahren“ charakterisiert. Was angesichts der auch alles andere als unpolitischen Spiele im russischen Sotschi 2014 doch etwas verwunderlich war. Immerhin dürften die Pekinger Spiele den Überfall Russlands auf die Ukraine um einige Tage hinausgezögert haben. Denn selbst ein Wladimir Putin konnte es sich nicht leisten, seinem potenziell wohl einzigen größeren Unterstützer Xi Jingping bei dessen Gala-Veranstaltung durch einen Militärschlag in die Parade zu fahren.
Nach Abschluss der Spiele von Peking konnten sich sämtliche Kritiker immerhin schon mal darauf freuen, dass 2024 in Paris, 2026 in Mailand/Cortina und 2028 in Los Angeles das rein Sportliche wieder allein im Vordergrund stehen wird. Und auch, dass die Athleten nicht mehr wie in Peking unter ständiger Überwachung und Gängelung vor leeren Zuschauerrängen antreten, sich auch nicht mehr in einer Blase vom Rest der Welt abschotten und sich schon gar nicht in eine Art von Isolationshaft begeben müssen, Das war nach 437 positiven Corona-Tests bei Sportlern, Betreuern oder Teamfunktionären behördlich in China angeordnet worden.
Trotz aller Kritik auch sportliche Höhepunkte
Völlig offen bleibt allerdings die Frage, ob künftigen Olympischen Spielen ein Dopingvergehen wie im Fall der blutjungen, gerade mal 15-jährigen russischen Eiskunstläuferin Kamila Walijewa erspart bleiben wird. Sie war letztlich als haushohe Favoritin nach Bekanntgabe ihres Vergehens und dennoch erfolgter Starterlaubnis an ihrem Nervenkostüm gescheitert, was angesichts ihres jungen Alters keine Überraschung gewesen sein dürfte. Einigermaßen sicher dürfte jedoch sein, dass sich der Baugigantismus der Sportanlagen von Peking in nächster Zeit kaum mehr wiederholen und der Nachhaltigkeit ein wesentlich größerer Stellenwert eingeräumt werden wird.
Nur aus chinesischer Perspektive wurden die Pekinger Spiele als „fantastisch, außergewöhnlich und hervorragend“ deklariert. Selbst Thomas Bach konnte sich allzu großen Enthusiasmus verkneifen und hatte gottlob auch auf die übliche Phrase von „den besten Spielen aller Zeit“ bei der Abschlussfeier verzichtet: „Die wahrhaft außergewöhnlichen Winterspiele markieren die Begrüßung Chinas als Land des Wintersports.“ In den westlichen Medien wurden die Pekinger Spiele, von der perfekten Organisation mal abgesehen, durchgängig zerrissen. Im britischen „The Telegraph“ war beispielsweise zu lesen: „Tschüss und auf Nimmerwiedersehen den erbärmlichsten Olympischen Spielen von allen.“ Ähnlich das Urteil des britischen „The Guardian“: „Die Winterspiele waren absurd, verstörend und oft außergewöhnlich.“ Der „Spiegel“ hatte gar von „perversen Spielen“ gesprochen.
Doch es gab natürlich auch jede Menge sportlicher Höhepunkte in Peking, die bei aller berechtigten Kritik nicht vergessen werden sollten. Unter den Augen des einem Großen Panda nachempfundenen Maskottchens „Bing Dwen Dwen“ traten 2.834 Athleten aus 91 Nationen in sieben Sportarten und insgesamt 15 Disziplinen an, um in 109 Wettkämpfen um Medaillen zu ringen: 52 für die Männer, 46 für die Frauen und elf Mixed-Wettbewerbe. Größte Neuerungen waren die Einführung des Monobobs ins Programm der Damen und der Disziplin Big Air sowohl für Männer als auch Frauen im Freestyle-Skiing.
Aus chinesischer Sicht war der Big-Air-Wettkampf der Damen dann auch so etwas wie einer der Höhepunkte der Spiele. Die in Kalifornien lebende 18-jährige Eileen Gu hatte sich nach einem Gespräch mit Chinas Staatschef Xi Anfang 2019 zu einem Start für das Reich der Mitte entschieden und gewann in Peking die Goldmedaille. Ein zweites Gold in der Halfpipe sowie Silber im Slopestyle machten sie zum Superstar des chinesischen Teams.
Gu hatte somit einen großen Anteil daran, dass China in der Medaillenwertung auf einem erstaunlichen dritten Platz landete. Erfolgreicher waren nur die beiden traditionellen Wintersport-Top-Nationen Norwegen und Deutschland. Wobei Norwegen mit 16 Goldmedaillen einen neuen olympischen Rekord aufstellte und mit insgesamt 37 Medaillen, darunter achtmal Silber und 13-mal Bronze, nicht nur die Spitzenposition von Pyeonchang 2018 verteidigen, sondern sogar noch deutlich ausbauen konnte. Das norwegische Team stellte denn auch bei Männern und Frauen mit den beiden Biathleten Johannes Thingnes Bø (viermal Gold und einmal Bronze) sowie Marte Olsbu Røiseland (dreimal Gold und zweimal Bronze) die beiden herausragenden Athleten der Spiele.
Johannes Thingnes Bø Superstar der Spiele
Fünf Medaillen konnten auch der russische Langlauf-Star Alexander Bolschunow (dreimal Gold und je einmal Silber und Bronze) sowie der französische Biathlet Quentin Fillon Maillet (zweimal Gold und dreimal Silber) erringen. Die Niederländerin Irene Schouten dominierte den Eisschnelllauf mit drei Goldmedaillen und einmal Bronze, die Norwegerin Therese Johaug den Skilanglauf mit drei Olympia-Triumphen. Johannes Thingnes Bøs älterer Bruder Tarjei Bø komplettierte sehr zum Leidwesen der deutschen Starter Norwegens Ausnahmestellung bei den Biathlon-Herren mit vier Medaillen – zweimal Gold und je einmal Silber und Bronze. Viermal Edelmetall, zweimal Gold und je einmal Silber und Bronze, konnten auch noch der norwegische Skilangläufer Johannes Høsflot Klæbo sowie die niederländische Shorttrackerin Suzanne Schulting gewinnen. Die größte Verliererin der Pekinger Spiele war der alpine US-Skistar Mikaela Shiffrin, die in diversen Disziplinen als Favoritin gehandelt worden war und dennoch ohne eine einzige Medaille abreisen musste.
Das 149 Köpfe starke deutsche Team behauptete seinen zweiten Platz von Pyeonchang im Medaillenspiegel, auch wenn diesmal keine 14 Goldmedaillen herausgesprungen waren, sondern sich die insgesamt 27 Edelmetallplaketten auf zwölfmal Gold, zehnmal Silber und fünfmal Bronze verteilten. Eine eigentlich gute Bilanz, nur zweimal war diese bislang bei Olympischen Spielen noch besser ausgefallen. Sie wurde nur dadurch etwas getrübt, dass sich der Medaillensegen auf einige Sportarten oder Disziplinen konzentriert hatte, während Team „D“ in Curling, Shorttrack, Snowboard, Eiskunstlauf, Eisschnelllauf und auch im Eishockey diesmal komplett jenseits des Treppchens landete.
Francesco Friedrich dominiert Bobsport
Immerhin: Besonders die Eisrinne von Yanqing wurde so etwas wie ein deutscher Goldkanal. Bei nahezu allen Wettbewerben holten die deutschen Sportler dort Edelmetall, wodurch die Rodler, Skeletonpiloten und Bobfahrer mehr als die Hälfte aller deutscher Medaillen errangen. Im Zweierbob der Männer war sogar das ganze Podium in Schwarz-Rot-Gold gehüllt. Dominator Francesco Friedrich konnte mit Anschieber Thorsten Margis seine Teamkollegen Johannes Lochner/Florian Bauer und Christof Hafner/Matthias Sommer in Schach halten.
Auch im Viererbob war Francesco Friedrich mit seiner Crew nicht zu schlagen, Johannes Lochner durfte sich über seine zweite Silbermedaille freuen. Als erstem Bobfahrer der Geschichte war Friedrich das Kunststück gelungen, in Wiederholung seines Triumphes von Pyeonchang zweimal Doppelgold bei Olympischen Spielen zu erringen. Die deutschen Damen standen ihren männlichen Kollegen mit dem Doppelsieg im Zweierbob durch Laura Nolte mit Anschieberin Deborah Levi vor der Titelverteidigerin Mariama Jamanka mit Anschieberin Alexandra Burghardt kaum nach. Nur im Monobob mussten die deutschen Damen eine Enttäuschung verkraften. Gesamtbilanz der Bobfahrer: dreimal Gold, zweimal Silber, einmal Bronze.
Auch die erfolgsverwöhnten deutschen Rodler ließen es wieder gewaltig krachen, am Ende standen für sie viermal Gold und zweimal Silber zu Buche. In allen Disziplinen standen am Ende deutsche Pilotinnen oder Piloten auf dem obersten Treppchen. Die Herrenkonkurrenz gewann Johannes Ludwig und sprang damit für den diesmal mit dem vierten Platz ungewohnt schwächelnden Felix Loch in die Bresche. Bei den Damen gelang ein Doppelsieg dank Natalie Geisenberger vor Anna Berreiter. Doppelsieg auch im Doppelsitzer durch Tobias Wendl/Tobias Arlt vor Toni Eggert/Sascha Benecken. Auch im Team-Wettbewerb ließen die Deutschen nichts anbrennen und holten sich die Goldmedaille. Geradezu sensationell war das Abschneiden der bislang international noch nicht sonderlich erfolgreichen deutschen Skeleton-Sportler mit zweimal Gold und einmal Silber. Hannah Neise gelang bei den Damen ebenso der Olympiasieg wie Christopher Grotheer in der Herrenkonkurrenz, bei der Axel Jungk zusätzlich auch noch Silber gewann.
Dürftige Bilanz bei Alpin-Wettbewerben
Fast noch eine größere Sensation boten die deutschen Skilanglauf-Damen. War die Silbermedaille der Staffel in der Besetzung Katherine Sauerbrey, Katharina Hennig, Victoria Carl und Sofie Krehl schon als eine kaum erwartbare positive Überraschung gewertet worden, so sorgte die Goldmedaille durch Katharina Hennig und Victoria Carl im diesmal klassisch gelaufenen Team-Sprint selbst im Lager sämtlicher Experten für ungläubiges Staunen.
Nicht ganz so gut lief es hingegen bei den erfolgsverwöhnten Nordisch Kombinierern, was natürlich auch mit der Corona-Infektion von Eric Frenzel und Terence Weber erklärt werden konnte. Zwei Medaillen waren aus deutscher Sicht lediglich ein solides Ergebnis, wobei der überraschende Olympiasieg von Vinzenz Geiger im Wettbewerb mit der Normalschanze deutlich die Silbermedaille in der Staffel überstrahlte. In Vertretung des ebenfalls positiv auf Corona getesteten Überfliegers Jarl Magnus Riiber konnte dessen norwegischer Teamkollege Jørgen Graabak diesmal die deutsche Konkurrenz mit zweimal Gold und einmal Silber gehörig ärgern.
Im Skispringen hatte man sich im Lager des DSV insgeheim sicherlich mehr als nur drei Medaillen – einmal Silber und zweimal Bronze – erhofft. Aber Katharina Althaus, nach dem coronabedingten Ausfall der österreichischen Saison-Ausnahmekönnerin Marita Kramer eigentlich Top-Favoritin, hatte bei ihrem zweiten Versuch von der Normalschanze einfach Pech mit den Windverhältnissen und musste sich daher der Slowenin Ursa Bogataj knapp geschlagen geben. Die deutschen Herren konnten sich mit Bronze für Karl Geiger von der Großschanze und im Teamspringen trösten, wodurch der ehrgeizige Markus Eisenbichler nicht ganz ohne Edelmetall die Heimreise antreten musste. Bei den Freestylern sorgte Daniela Maier mit der Bronzemedaille im Skicross für den einzigen bundesdeutschen Lichtblick.
Ganz düster sollte es hingegen für die deutschen Biathlon-Herren werden, die in Peking auf ganzer Linie enttäuschten und kein einziges Mal auf dem Treppchen landeten. Das hatte es seit 2010 nicht mehr gegeben hatte und war erst zum zweiten Mal in der gesamten olympischen Historie der deutschen Biathleten passiert. Deutlich besser machten es die Damen mit der überraschenden Goldmedaille von Denise Herrmann über 15 Kilometer und der durchaus erwartbaren Bronzemedaille in der Staffel.
Ziemlich bescheiden hingegen war das Ergebnis im alpinen Skisport. Denn mehr als eine einzige Medaille, nämlich Silber im Team-Wettbewerb, hätte man den deutschen Athleten schon zutrauen können. Vor allem in der Abfahrt aber blieben die deutschen Damen und Herren weit hinter den Erwartungen zurück. Und Lena Dürr schrammte im Slalom mit dem vierten Platz haarscharf am Podest vorbei.
19 deutsche Medaillen bei den Paralympics
Das deutsche Eishockey-Team, das nach der Silbermedaille 2018 vor dem Pekinger Turnier ziemlich großspurig den Olympiasieg als Zielsetzung ausgegeben hatte, schied nach blamablen Vorstellungen schon in der Viertelfinal-Qualifikation gegen die Slowakei aus.
Für alle deutschen Starter, die unter die besten Acht gekommen waren, schüttete die deutsche Sporthilfe übrigens Prämien aus: Für Gold gab es 20.000 Euro, für Silber 15.000 Euro, für Bronze 10.000 Euro und für den achten Platz immerhin noch 1.500 Euro.
Knapp zwei Wochen nach den Olympischen Spielen wurden vom 4. bis 13. März an gleicher Stelle die Winter-Paralympics ausgetragen, also die Spiele für Athleten und Athletinnen mit Behinderung. Angesichts von Corona und dem Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine wurden diese in der öffentlichen Wahrnehmung weit an den Rand gedrängt. Andrew Parsons, der Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC), hatte sowohl bei seiner Rede auf der Eröffnungs- als auch bei der Abschlussfeier einen „Aufruf zu Frieden“ eingebaut, was jedoch beide Male vom chinesischen Staatsfernsehen strikt zensiert wurde.
In 78 Wettbewerben in sechs Sportarten wurde dennoch um Medaillen gekämpft. Im Schneesport waren das Ski Alpin, Skilanglauf, Biathlon und Snowboard, im Eissport Para-Eishockey und Rollstuhl-Curling. In der Medaillenwertung katapultierte sich China aus dem Nichts auf den ersten Platz – was für ein Land ohne jegliche Wintersport-Tradition und das zuvor lediglich eine einzige Medaille bei allen seit 2002 ausgetragenen Paralympics gewonnen hatte, schon mehr als erstaunlich war. In Peking waren es dann gleich 61 Medaillen – 18-mal Gold, 20-mal Silber und 23-mal Bronze. Eine strategisch gezielte Förderung der Athleten, wie es aus Peking hieß, wurde als Erklärung für diese Leistungsexplosion von den meisten anderen Teilnehmernationen als nicht wirklich ausreichend angesehen. Stattdessen wurde ganz offen von einem „Klassifizierungsdoping“ gesprochen, weil die Sportler lange Zeit vor dem Großevent in ihrer Heimat gemäß dem Grad ihrer Behinderung klassifiziert und dann bei den Paralympics den entsprechenden Startklassen zugeteilt wurden. Vor Ort gab es keinerlei Überprüfung der Klassifizierung, weshalb Tricksereien Tür und Tor geöffnet waren.
Das stark verjüngte deutsche Team konnte sich den siebten Platz im Medaillenranking sichern, 19 Edelmetall-Plaketten, darunter viermal Gold, achtmal Silber und siebenmal Bronze, waren eine sportlich ganz erfreuliche Bilanz. Erfolgreichste deutsche Starterin war die Skifahrerin Anna-Lena Forster mit je zwei Gold- und Silbermedaillen. Gold ging auch an die 15-jährige Langläuferin Linn Kazmaier und an die drei Jahre ältere Biathletin Leonie Walter.