Der C40 ist Volvos erstes rein als E-Auto konzipiertes Modell – ein Kraftbolzen im modischen SUV-Kleid mit abfallender Dachlinie, viel Sicherheitsausstattung und gutem Lademanagement. Doch man darf nichts gegen Google haben.
Der Versuch, bei der Gestalt an eine Tradition anzuknüpfen, geht schief. Der C40 erinnere mit seiner zum Heck abfallenden Dachlinie und der Schulterlinie mit dem charakteristischen Knick „an das legendäre Sportcoupé" Volvo P1800 von 1961, behauptet der schwedische Hersteller. Doch selbst wenn man sich perspektivisch ähnliche Aufnahmen beider Modelle vor Augen hält, scheint der Vergleich an den Haaren herbeigezogen. Eher schon fährt der C40 im Fahrwasser von Modellen wie Ford Mustang Mach-e, Audi e-tron Sportback, VW ID.5 oder Tesla Model Y – alles E-Autos mit ähnlichem Zuschnitt. Kurzum: Karosserie-modisch ist der Schwede nichts Besonderes. Ein SUV-Coupé eben.
Doch Wegweisendes, wenn auch im Detail, hat das 4,44 Meter lange Modell dennoch an Bord: Der Startknopf, der bei den Stromern der jüngeren Vergangenheit als Nachfolger des Zündschlosses noch als Novum galt, fehlt. Wer sich mit einem Signalgeber in der Hemd- oder Hosentasche auf den Fahrersitz setzt, dem gibt das Fahrzeug die Systeme frei. Dann genügt es, den Hebel in der Mittelkonsole auf Drive zu stellen, und es darf losgehen.
Als wolle Volvo die Zeit krümmen
Dass bei Elektromaschinen – im gefahrenen C40 kommen zwei Permanentmagnet-Synchronmotoren mit je 150 Kilowatt an Hinter- und Vorderachse zum Zuge, worauf die vollständige Modellbezeichnung C40 Recharge Twin Motor hinweist – die volle Kraftdosis unmittelbar abrufbar ist, ist zwar ebenfalls kein Alleinstellungsmerkmal. Auch im Volvo sorgt das maximale Drehmoment von 660 Newtonmeter (Nm) für fast schwindelerregende Schübe: Den klassischen Beschleunigungswert für „von Null auf 100" gibt Volvo für das 2.185 Kilo schwere Auto mit leichtfüßigen 4,7 Sekunden an. Das ist Sportwagenniveau und fühlt sich vor allem auf den ersten Metern so an, als wollten die Entwickler die Zeit krümmen. Fast im gleichen Moment, in dem die Ampel auf Grün springt, hat man die Kreuzung schon hinter sich gelassen.
Wer so kräftezehrend beschleunigt, saugt allerdings nicht nur den 78-kW-Lithium-Ionen-Akku schnell leer. So als Donnerkeil für andere Verkehrsteilnehmer unberechenbar blitzartig unterwegs, beschwört er auch unnötig Risiken herauf. Das ist zwar in anderen, ähnlich bestückten Stromautos auch so, doch läuft es bei Volvo in besonderem Maße einer strategischen Marschroute zuwider: Seit jeher bemüht sich der schwedische Hersteller um die bessere und fortschrittlichere Sicherheitsausstattung, von der auch der C40 reichlich an Bord hat.
Aber auch entspannt kann man es angehen lassen – Stichwort: One-Pedal-Drive. In diesem Fahrmodus rekuperiert der Volvo besonders stark. Dabei bremst der Motor und wandelt die kinetische Energie in elektrischen Strom um, der zurück in den Antriebsakku fließt. Wer das Pedal nur früh genug lupft, muss in vielen Situationen das Bremspedal nicht mehr betätigen, denn er kann das Auto auf diese Weise bis zum Stillstand einbremsen.
In 28 Minuten bis 80 Prozent geladen
Das sorgt auch für Effizienz, denn man kommt so dem WLTP-Verbrauch von 19,9 kWh auf 100 Kilometern sowie der angegebenen Reichweite von 450 Kilometern auch im Alltag am nächsten. Mit dezenter Fahrweise schafften wir 20 kWh, doch ohne Rücksicht auf Verluste zeigt das mittige, aus anderen Volvo-Modellen bekannte tabletartige 9,0-Zoll-Touch-Display schnell Durchschnittswerte um 30 kWh – selbst wenn Volvo auch beim C40 den Topspeed bei 180 km/h deckelt.
Von Vorteil und ebenfalls der Gelassenheit bei der Routenplanung zuträglich ist eine weitere Information: Sobald man in der Navigation ein Ziel eingibt, wird angezeigt, ob man es ohne Zwischenladung erreichen kann. Zudem werden entlang der Route Ladestationen und deren Ladegeschwindigkeiten in Minuten und Stunden und mit den Attributen „sehr schnell", „schnell" und „mittel" angezeigt. Sehr hilfreich.
Technisch gerüstet ist der C40 für eine Ladeleistung von bis zu 150 kW Gleichstrom (DC). So soll eine Ladung von zehn auf 80 Prozent bestenfalls in 28 Minuten erledigt sein. Anders ausgedrückt sind binnen zehn Minuten 100 Kilometer mehr im Speicher. Wer allerdings mit Wechselstrom lädt, schafft nur 11 kW. Ein Mode-2-Ladekabel liegt im 31 Liter fassenden Extra-Stauraum unter der Fronthaube bei, ein dreiphasiges Mode-3-Kabel müsste man extra kaufen. Doch wer öffentliche Ladestationen aufsucht, benötigt ohnehin kein eigenes Kabel.
Der C40 baut wie sein Technik-Bruder XC40 auf der CAM-Konzernplattform auf, den auch die Stromer der Marken Polestar und Lynk nutzen. Doch anders als der XC40, der im belgischen Werk in Gent zum Beispiel neben der E-Version auch als Plug-in-Hybrid gebaut wird, verlässt der C40 die Tore ausschließlich als E-Auto. Er ist damit das erste rein batterieelektrisch betriebene Modell der Schweden.
Gegenüber dem XC40 duckt es sich um fünf Zentimeter, doch der Innenraum geht trotzdem als geräumig durch. Im Fond sind Knie- und Kopffreiheit gesichert, nur der Fußraum des mittleren Sitzes ist durch den Tunnel arg beschnitten – was auch für die Sicht nach hinten gilt: Fast so schmal wie eine Schießscharte erscheint einem die Heckscheibe im Rückspiegel. Gut, dass es vier Kameras für eine 360-Grad-Umsicht gibt. Der Kofferraum schrumpft gegenüber dem größeren SUV bei dachhoher Beladung von 1.290 auf 1.205 Liter. Unter der Abdeckung verbleiben 413 Liter, ein zumindest kleinfamilienkompatibler Wert.
Erwähnenswert, wenn auch für einen Ausschlag auf der Greenwashing-Skala gut: Der Teppich wurde mithilfe von 71 PET-Flaschen gefertigt, überhaupt sollen viele Materialien im nordisch-kühl designten Innenraum auf recyceltes Plastik zurückgehen. Tierisches Leder wurde komplett verbannt. Bequem sitzt es sich auf den mit glattem und rauem Kunstleder bezogenen Sitzen dennoch. Auch das Lenkrad bleibt ohne Kuhhaut griffig.
Mit 57.650 Euro ist der C40 Twin Motor alles andere als ein Schnäppchen; ausschließlich online kann er erworben, wenn auch in Autohäusern noch Probe gefahren werden. Alternativ kann man ihn abonnieren, für 699 Euro pro Monat. Auch das muss man sich leisten können. Dafür sind jeweils Kfz-Haftpflicht und Vollkasko, Service, Wartung und ein 24-Stunden-Pannen-Service inkludiert. Zudem sind jede Menge Assistenzsysteme serienmäßig an Bord – darunter ein im Zweifel auch selbst agierendes Bremssystem, das je nach Geschwindigkeit Unfälle ganz verhindern soll, falls etwa Fußgänger oder Fahrradfahrer plötzlich auftauchen.
Fronttriebler ist 8.800 Euro günstiger
Auch die Aufmerksamkeitserkennung BLIS ist ohne Aufpreis dabei sowie ein Warnassistent für kreuzenden Verkehr oder eine Heckaufprallabschwächung. Automatisiertes Fahren auf Level-2 beherrscht der C40, das heißt, er lenkt und hält Abstände zum Vorausverkehr selbst bei niedrigem Tempo unter 50 km/h. Jedoch arbeitet das System, bei dem der Fahrer oder die Fahrerin noch stets das Lenkrad halten und für schnelle Eingriffe bereit sein muss, auf der Autobahn zuverlässiger als in der Stadt.
Sicherheitstechnisch ist sich Volvo also treu geblieben, seiner Tradition verpflichtet. Beim Thema Vernetzung aber hat sich der Hersteller der Übermacht Googles gebeugt und das eigene Betriebssystem aufgegeben. Als Plattform fungiert Android Automotive, und erst wer sich mit einem Google-Account anmeldet, kommt in den Genuss des vollen Funktionsumfangs; darunter zum Beispiel Smarthome-Funktionen von Google Home. Wichtiger für unterwegs: Dank des riesigen, zentral gehorteten Google-Maps-Datenschatzes funktioniert die Navigation einwandfrei, was auch auf die Sprachsteuerung zutrifft. Handys lassen sich induktiv im Qi-Lader in der Mittelkonsole auffrischen, nur müssen iPhone-User auf Apple-Carplay verzichten.
Das sind alles Dinge, an die man beim historischen Stil-Ahnen noch gar nicht dachte. Wer aber beim C40 Verzicht üben möchte, zumindest ein bisschen, der greift zum Fronttriebler. Die Single-Motor-Version hat als Einstiegsmodell zwar „nur" 170 kW (231 PS) und eine etwas kleinere Hochvoltbatterie (69 kWh), kostet aber auch weniger – immerhin 8.800 Euro beträgt die Differenz.