Warten auf erneute Verhandlungen – Mitarbeiter von Ford Saarlouis brauchen einen langen Atem. Die Zeit bis 2025 aber gibt laut Thomas Otto, Hauptgeschäftsführer der Arbeitskammer, den nötigen Spielraum für mögliche Lösungen.
Herr Otto, nach der Entscheidung von Ford bangen die saarländischen Ford-Arbeiter um ihre Jobs. Was kann ein Ford-Mitarbeiter tun? Warten bis 2025 ist keine Option.
Natürlich nicht. Die Stimmung ist schlecht, das merkt man, wenn man mit Kollegen redet. Und 2025 ist sozusagen übermorgen. Wenn ich mir einen 35-jährigen Facharbeiter vorstelle, der vor fünf Jahren ein Haus gekauft hat, dem helfen die paar Jahre Frist bis 2025 nur bedingt. Derzeit sieht es so aus, als würde es bis Ende des Jahres nichts Neues geben. Es werden viele Menschen zunächst große Sorgen haben. Aber ich hoffe, dass es für diese doch noch eine Perspektive gibt. Manche Unternehmen kommen immer erst auf der Zielgeraden mit Informationen um die Ecke. Dann heißt es, zum Zeitpunkt X ist Schluss. Ein Beispiel dafür: Villeroy & Boch, die das Fliesenwerk rasch abwickeln. Bei Ford aber sind wir dank der vom Betriebsrat verhandelten Beschäftigungssicherung relativ früh dran, sodass die Politik vielleicht auch eine Lösung anbieten kann. Zum Beispiel neue Ansiedlungen und auch Weiterbildungsmöglichkeiten. Bis der Plan steht, sollten die Mitarbeiter von Ford ihren Betriebsrat weiter unterstützen. Was dieser jetzt zu bewältigen hat, ist sehr schwer, formal wie auch emotional. Die Belegschaft von Ford aber steht gut und solidarisch zusammen. Was tatsächlich geschehen wird, ist mehr als unklar, die Bandbreite der möglichen Entscheidungen des Ford-Vorstandes ist maximal groß. Klar ist eines: Wir brauchen die Fachkräfte im Saarland. Klar ist aber auch: Wir werden nicht für alle der im allerschlimmsten Fall möglichen 6.000 betroffenen Menschen (inklusive Zulieferer im Supplier Park, Anm. d. Red.) im Saarland einfache Lösungen finden. Klar ist, diese Veränderung und die kommenden Lösungsansätze müssen zum Ziel haben, viele Menschen in Beschäftigung zu halten. Gerade entwickeln sich Ideen, welche Möglichkeiten es gibt.
Spürt die Arbeitskammer schon, dass sich vermehrt Ford-Mitarbeiter bei der Beratungsstelle melden?
Nein, noch gibt es keine nennenswerten Anstiege in den Beratungen bezüglich Ford. Einzelfälle gibt es sicherlich immer. Diese Daten kennen wir aber nicht im Detail, da wir die Betriebe, um die es in den Beratungen geht, nicht immer einzeln erfassen. Bis 2025 verliert auch formal bei Ford niemand seinen Job. Eine Beratungswelle erwarten wir dann, wenn geklärt ist, wie es mit Ford am Röderberg weitergeht, und wenn der Betriebsrat gemeinsam mit der IG Metall mit Ford einen Interessensausgleich geschlossen hat. Das kennen wir bereits aus Zeiten von Halberg Guss: Spätestens nach dem Interessensausgleich kommen Arbeitnehmer, die zum Beispiel eine Abfindung erhalten, zu uns. Sie brauchen unter Umständen eine Steuerberatung, es wird aber auch die Fälle geben, in denen zunächst keine Einigung zwischen Betrieb und Arbeitnehmer zu erreichen war.
Im Moment gibt es keine Abfindungen für Ford-Mitarbeiter, die gehen wollen, aus juristischen Gründen. Was ist der Grund dafür?
Das kommt auf die Betriebsvereinbarung an. Viele Unternehmen besitzen eine Abfindungsregelung für den Normalfall, in dem ein Mitarbeiter auf eigenen Wunsch das Unternehmen verlässt. Dies hier ist jedoch kein Normalfall, denn der Hintergrund ist in diesem Fall ein anderer: Die weitere Existenz des Werkes steht infrage. Üblicherweise stehen in solchen Fällen Verhandlungen über einen Interessensausgleich im Vordergrund, ein Sozialplan und am Ende die interne Verkündigung, unter welchen Bedingungen man das Unternehmen verlassen kann beziehungsweise welche Brücken zum Beispiel durch eine Transfergesellschaft gebaut werden können. Welche Regelung, für Abfindungsprogramme oder ein Konzept einer Transfergesellschaft, dann am Ende steht, ist also bislang unklar. Es könnte auch sein, dass das Geld sowohl in Weiterqualifizierung der Mitarbeiter als auch in Abfindungen gesteckt wird. Aber das ist Spekulation, dazu ist es noch viel zu früh. Jetzt ist die Zeit der Gewerkschaft, die mit der Politik nach Lösung suchen muss.
Wie könnte die Arbeitskammer danach den Betroffenen helfen?
Die Arbeitskammer kann Anlaufstelle für Weiterbildungsvermittlung sein. Der Weiterbildungsverbund Saar, an dem auch Ford beteiligt ist, ist ein Beispiel dafür. Das Land kann über die Gesellschaft für Transformationsmanagement Saar betroffenen Menschen systematisch helfen. Da sind wir in Sachen Weiterbildung im Projekt „TraSaar" aktiv beteiligt. Im Augenblick aber müssen wir abwarten und beobachten mit Sorge, was geschieht. Steht ein wie auch immer gearteter Plan, stehen wir dafür bereit. Letzten Endes müssen wir dafür sorgen, dass so wenig Beschäftigte wie möglich mit den Füßen abstimmen und woanders hinziehen. Gerade die Jüngeren, die vielleicht noch keine Fixpunkte wie ein Haus in ihrem Lebensmodell haben, sind sicher mobil genug dafür. Ihnen müssen wir hier einen guten Job anbieten können. Wir müssen uns aber auch um die – in Bezug auf ihren Qualifikationsstand – Schwachen kümmern. Das wird der Lackmustest, ob unsere Idee einer Weiterbildungsoffensive im Saarland greift.
Aber wie können Sie konkret daran etwas ändern?
Seit anderthalb Jahren haben wir als Arbeitskammer in dem Projekt Weiterbildungsverbund Saarland den Auftrag, die Weiterbildungskultur im Land zu verändern. Finanziert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales. In dem Verbund arbeiten mittlerweile 40 Partner zusammen. Und wir bieten das Weiterbildungsportal Saarland mit mittlerweile 9.000 möglichen Kursen, das online verfügbar ist. Als nächstes machen wir im Rahmen des Weiterbildungsverbundes mit der Ausbildung von Weiterbildungsmentoren in den Betrieben weiter, damit diese mit ihren Kolleginnen und Kollegen über diese Angebote reden und eigene Weiterbildungsbedarfe identifiziert werden können. Denn wir merken: Die Anbieter haben gute Programme, aber häufig zu wenig Draht zum Kunden. Deshalb kooperieren wir hier zum Beispiel auch mit der Handwerkskammer und der Industrie- und Handelskammer, die den Draht zu den Unternehmen haben. Im Gespräch mit Beschäftigten haben wir erkannt, dass Weiterbildungsangebote zu wenig transparent und öffentlichkeitswirksam verbreitet werden. Dann wollen wir bei der Erstellung von Kompetenzprofilen der Beschäftigten unterstützen. Dabei ist die Zusammenarbeit mit Betriebsräten ganz entscheidend. Wir müssen herauszufinden, was die Beschäftigten alles können. Auch dies ist bisher zu wenig transparent, denn oft besitzen die Beschäftigten Fähigkeiten und Erfahrungswissen, die nicht in deren Lebensläufen auftauchen. Wesentliches Element der Transformation ist die Digitalisierung, und viele besitzen Wissen darin, auch ohne dass sie es aufschreiben. Zum Beispiel, weil sie ihr Haus umgebaut haben und sich mit Aspekten von Smart Home auskennen, also Digitalisierung längst in ihren Alltag eingezogen ist. Außerdem erforschen wir in Zusammenarbeit mit der Universität des Saarlandes, wohin sich Berufe in der Transformation entwickeln, etwa durch die Wasserstoffwirtschaft. Schweißer sind gewöhnt, Öltanks zu schweißen, aber wie verändert sich ihr Beruf, wenn sie Wasserstofftanks schweißen müssen? Diese möglichen Veränderungen produzieren ebenfalls viel Unsicherheit bei den Beschäftigten.
Sehen Sie eine beginnende Offenheit bei den Unternehmen, die in der Vergangenheit Weiterbildung oft stiefmütterlich behandelt haben?
Unsere Weiterbildungsmesse kürzlich bei Saarstahl hat gezeigt, dass dies geschieht, und wir wollen Unternehmen, Weiterbildungsträger und Beschäftigte, die sich weiterbilden wollen, zusammenbringen. Das machen wir in enger Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium und der Bundesagentur für Arbeit. Denn ob Ford bleibt oder geht: Der Transformationsprozess ist nicht aufzuhalten.