Die Wahlaussichten für die AfD um Kristin Brinker sehen nicht schlecht aus. Sie liegen um die zehn Prozent, so die Umfragen.
Die vergangene Silvesternacht, die in Teilen an bürgerkriegsähnliche Zustände erinnerte, war auch für die Berliner AfD ein Wahlkampfgeschenk der Extraklasse. Polizisten, Feuerwehrleute und Ersthelfer werden mit Böllern von Feiernden mit meist migrantischem Hintergrund beschossen und an ihrem Einsatz gehindert. Doch die AfD wird auch von den Hauptstadtmedien gern übersehen. Spitzenkandidatin Kristin Brinker verschickte fleißig Pressestatements, doch die fanden in der Öffentlichkeit wenig Beachtung. „Das ist hier in Berlin meine größte Herausforderung, einen Fuß in die Tür von Zeitungen, Radio und Fernsehen zu bekommen“, so Brinker im FORUM-Gespräch. Da wundert es wenig, dass bezüglich der Silvester-nacht, ihre politische Konkurrenz von der CDU das Feld in der öffentlichen Wahrnehmung munter bespielte. Dabei gebrauchte diese Formulierungen und stellte Forderungen auf, die man eigentlich von der AfD erwarten würde. Wohingegen die angemahnten Konsequenzen bei AfD-Spitzenkandidatin Brinker eher nach verbal angezogener Handbremse klangen. Selbst ihre Parteifreunde im Bundestag formulierten erheblich robuster. Kristin Brinker ist selbst im Wahlkampf bemüht, ihre Linie der politischen Zurückhaltung beizubehalten und nicht zu sehr zu überspitzen. Hintergrund dafür ist vielleicht auch ihre Parteitagswahl selbst. Der 50-Jährigen lastet nicht nur parteiintern an, dass sie ihren Posten als Berliner Landesvorsitzende und damit Spitzenkandidatin, nur knapp, angeblich mit zwei Stimmen durch den ehemaligen Flügel der Partei auf dem Landesparteitag vor gut anderthalb Jahren gegen Beatrix von Storch errungen hat. Brinker muss hier also einen schmalen Grat bespielen. Als gelernte Bankkaufrau und studierte Architektin gilt sie als Wirtschafts-Konservative, die wegen des Euro-Protestes der Partei kurz nach der Gründung, im März 2013 beigetreten ist. Natürlich ist sie auch Patriotin, aber vornehmlich geht es ihr um Wirtschaftsthemen. Die gebürtige Brandenburgerin, die sich selbst als DDR-Arbeiterkind bezeichnet und nach der Wende nach Berlin kam, arbeitet derzeit als Hausverwalterin im Unternehmen ihres Mannes Günter Brinker, ehemals Landeschef der Berliner AfD. Damit ist sie schon von Hause aus bestens bundesweit in der AfD vernetzt. Doch parteiintern wird ihr von den „echten Patrioten“ ein Schlingerkurs vorgeworfen, die sogenannte „Berliner Linie“.
Politische Zurückhaltung im Wahlkampf
Auf die Frage, wie denn die Berliner AfD zum Ukraine-Krieg steht, also ob das ein Angriffskrieg oder eher eine russische Verteidigung gegen eine Nato-Aggression ist, wird Kristin Brinker schmallippig. Die Spitzenkandidatin versucht einen Spagat: „Krieg ist immer Aggression und kann nie die Antwort sein, um einen Konflikt zu schlichten.“ Die eher ausweichende Antwort ist allein dem Umstand geschuldet, dass gerade in der Hauptstadt viele Menschen mit russischen Wurzeln leben, die ein wichtiges Wählerpotenzial der AfD sind. Ihre Wahlhochburgen liegen dort, wo viele Migranten mit russischen Wurzeln und deutschem Pass leben, und damit wahlberechtigt sind. Der Wahlkampf selbst gestaltete sich für die AfD in Berlin schwierig, wirkliche Kundgebungen gab es nicht, eher spontanes Canvassing. Also überraschend in der Fußgängerzone mit einem Infostand auftauchen und bei anrückenden Demonstranten genauso schnell wieder verschwinden. Doch dazu ist es während des gesamten Wahlkampfs nicht einmal gekommen. „Selbst unsere Plakate sind beinahe alle unbeschadet hängen geblieben, für mich ein Zeichen, die AfD wird in Berlin mittlerweile als etablierte Partei akzeptiert“, so Brinker. Neben Infoständen und Plakaten spielte der klassische Haustürwahlkampf in den Hochburgen der AfD, vor allem im Osten der Stadt, aber auch Social Media eine wichtige Rolle.