Im deutschen Basketball hat es gekracht. Weil Dennis Schröder seinen Nationalmannschafts-Kollegen Maximilian Kleber öffentlich scharf kritisiert, sagt dieser für die Weltmeisterschaft ab. Der Wirbel sorgt für Verstimmung.

Dennis Schröder ist es gewohnt, dass er im Mittelpunkt des Interesses steht. Und für gewöhnlich genießt Deutschlands aktuell bester Basketballspieler den Rummel um seine Person auch. Der extrovertierte Schröder liebt den großen Auftritt – auf und neben dem Parkett. Doch auf den Wirbel, den der NBA-Star kurz vor seiner Ankunft in Deutschland zur Vorbereitung auf den Supercup am 12. und 13. August in Hamburg entfacht hat, hätte er gern verzichtet. Mit mindestens mal unglücklichen Aussagen über Maximilian Kleber hatte der Kapitän der Nationalmannschaft seinen Teamkollegen mächtig verärgert. Die Konsequenz: NBA-Profi Kleber verzichtet freiwillig auf die Weltmeisterschaft 2023 in Japan. „Es ist nicht mein Ziel, die gute Chemie im Team des letzten Sommers zu zerstören. Ich möchte auch nicht zu einer Quelle der Ablenkung werden“, sagte der Power Forward der Dallas Mavericks unverkennbar angefressen: „Deshalb habe ich beschlossen, dass es für alle Beteiligten das Beste ist, wenn ich nicht spiele.“ Auslöser der Entscheidung seien „unglückliche und unangebrachte öffentliche Äußerungen“ gewesen. Es brauchte nicht viel Fantasie, um damit Schröders jüngste Aussagen zu Kleber in Verbindung zu bringen.
„Das Beste, wenn ich nicht spiele“
„Maxi war letztes Jahr nicht da“, hatte Schröder im Podcast „Got Nexxt“ die ursprüngliche Nominierung Klebers durch Bundestrainer Gordon Herbert für die WM-Vorbereitung kritisiert: „Wenn du dich halt nicht committet hast – das war eigentlich die Message für uns alle – dann bist du nächstes Jahr auch nicht dabei.“ Kleber hatte seine Teilnahme an der Heim-Europameisterschaft im Vorjahr, bei der Schröder das Team überraschend zu Bronze führte, offiziell wegen Knieproblemen abgesagt. Schröders Aussagen zufolge, könnte es dafür aber auch andere Gründe gegeben haben. „Wenn er sagt, ich unterschreibe meinen Vertrag diesen Sommer und ich will mit dem Team sein, damit ich noch mehr Geld rausziehen kann, dann verstehe ich das“, sagte Schröder: „Aber wenn du zu Gordon Herbert sagst: Ey hör mal zu: Ich bin Maxi und ich will im Sommer Ballhandling trainieren und an meinem Game arbeiten. Maxi, sorry, aber du hast kein Game.“ Er habe auch keine Probleme, seinen Unmut darüber so offen auszudrücken, denn er sei „immer ein gerader, straighter Typ“.
Doch nur wenige Tage später folgte Schröders Entschuldigung. „Es war nie meine Absicht, jemanden in eine unangenehme Situation oder Unruhe in die Mannschaft zu bringen“, sagte der 29-Jährige. Er habe lediglich versucht, sich für die Mannschaft „starkzumachen und klarzustellen, dass ich für mein Team alles tun würde“. Er habe Kleber persönlich nicht angreifen wollen, versicherte Schröder. Laut Verbandsmitteilung haben sich beide deutschen Basketballstars inzwischen ausgesprochen, „dabei ist intern alles geklärt worden“. Der Versuch, das heikle Thema möglichst schnell vom Tisch zu bekommen, ist unverkennbar. Auch Schröder betonte, dass er diesbezüglich „keine weiteren Fragen mehr beantworten“ werde. Der Fokus soll auf den Supercup, die Testspiele in Abu Dhabi und der anschließenden WM in Japan (25. August bis zum 10. September) liegen. Man habe die Probleme „intern besprechen, reflektieren und lösen“ können, versicherte Bundestrainer Herbert. Der Kanadier denkt angeblich nicht darüber nach, Schröder die Kapitänsbinde wegzunehmen. „Dennis hat mit seiner Entschuldigung Stärke gezeigt“, meinte Herbert: „Wir freuen uns auf die Vorbereitung und darauf, eine gute Teamchemie aufzubauen.“
„Hätte man intern lösen müssen“

Das wird auch nötig sein, denn Schröders Aussagen hatten viel Unruhe erzeugt – auch innerhalb des Teams. Es kamen Zweifel auf, ob der viel beschworene Zusammenhalt innerhalb des Teams vielleicht gar nicht so ausgeprägt ist. Die Medien berichteten vom „DBB-Zoff“ oder dem „Basketball-Krach“, frühere Nationalspieler wurden zu dem Fall befragt. Ex-Profi Patrick Femerling kritisierte den Spielmacher, der „polarisiert“ und „einen Keil in die Mitte“ getrieben habe. Der frühere Trainer Stefan Koch nannte Schröders Verhalten „sehr unklug, sehr destruktiv“ und sah darin auch „eine Kritik am Bundestrainer“ und am Verband. So einfach, wie der DBB und Herbert es sich wünschen, dürfte der Fall wohl nicht zu den Akten gelegt werden, prophezeite Koch: „Da gibt es noch einiges aufzuarbeiten, bevor es in Asien losgeht.“ Das sieht auch Femerling so. Der Konflikt könne „noch einmal Thema“ werden, meinte der frühere Spieler von Alba Berlin. Der Schaden sei schon jetzt erkennbar: „Das ist nicht gut fürs Team, und Trainer und Verband können in einer solchen Situation nicht gut aussehen. Das hätte man intern lösen müssen.“ Wie immer im Sport gilt auch hier: Erfolge helfen gegen Missstimmung. Umso wichtiger wird der Supercup in Hamburg sein, der als wichtiger WM-Test ausgemacht ist. Immerhin treten in China, Kanada, Neuseeland und Gastgeber Deutschland gleich vier WM-Teilnehmer aus vier Kontinenten gegeneinander an. Die Zeiten, dass das deutsche Team sich verstecken muss, sind vorbei. Experten meinen, dass so viel Qualität noch nie in einer DBB-Auswahl gesteckt hat. Zudem sorgte der dritte Platz bei der Heim-EM im Sommer 2022 für einen Selbstvertrauen-Schub. Die verletzungsbedingte WM-Absage des eingebürgerten Flügelspielers Nick Weiler-Babb, der durch den nachnominierten Berliner Jonas Mattisseck ersetzt wird, ändert daran nichts. Schon beim Supercup wollen die deutschen Basketballer zeigen, dass ihr Ziel einer WM-Medaille absolut berechtigt ist. „Wir wollen auf dem vergangenen Jahr aufbauen, einen weiteren Schritt nach vorne machen“, sagte Herbert, der sich mit der Grundfitness seiner Spieler in der Sommerpause zufrieden zeigte: „Die Spieler haben alle eine sehr große Bereitschaft gezeigt und eine Menge geopfert.“
Beim traditionellen Supercup in Hamburg trifft Deutschland am Samstag (18.30 Uhr) zunächst auf China. Bundestrainer Herbert spricht von einer „sehr interessanten“ Aufgabe – und einem willkommenen Wiedersehen. „China wird gecoacht von meinem guten Freund SaŠa Djordjević, einem der besten europäischen Spieler aller Zeiten.“ Bei einem Sieg winkt am Sonntag das Finale gegen den Gewinner der Partie Kanada gegen Neuseeland, ansonsten wartet das Spiel um Platz drei. „Insgesamt haben wir drei hochklassige Gastteams mit sehr unterschiedlichen Basketball-Stilen beim Supercup“, meinte Herbert. Er würde sich ein Finale gegen Kanada wünschen – auch für die Zuschauer. „Kanada hat die meisten NBA-Spieler nach den USA und zählt für mich zu den Anwärtern auf eine WM-Medaille.“

gibt sich zuversichtlich - Foto: picture alliance / kolbert-press
Doch zu diesem Kreis gehört Deutschland auch. „Wir haben die Qualität und die nötige Chemie, die man als Mannschaft braucht, um bei solchen Turnieren auf jeden Fall oben mitspielen zu können“, sagte Nationalspieler Andreas Obst. Der Profi von Bayern München ist wie seine Teamkollegen auch nach EM-Bronze nur noch erfolgshungriger: „Jetzt wollen wir einen drauflegen und das bestätigen und das Land noch mal mitreißen.“ Zumal es für die zwei besten europäischen Teams auch ein direktes Olympia-Ticket zu gewinnen gibt. In der WM-Vorrunde warten zunächst Gastgeber Japan, Australien und Finnland.
Keine Gemeinsame Zukunft?
Um in Fernost aber durchzustarten, braucht es neben der vorhandenen Qualität auch einen überragenden Zusammenhalt, so wie im Vorjahr. Dafür mitverantwortlich war ausgerechnet Dennis Schröder, den die breite Öffentlichkeit zuvor eher als egozentrischen Einzelgänger wahrgenommen hatte. Doch der Kapitän ging bei der EM auf und neben dem Feld voran, er übernahm Verantwortung und stellte sein persönliches Ego hinter dem Teamerfolg an. „Er ist sehr stolz und fühlt sich geehrt, sein Land zu vertreten“, erklärte Herbert den Reifeprozess seines Stars. Schröder soll auch in diesem Sommer das Team als Leader anführen – dem Nominierungsstreit um Kleber zum Trotz. Kein Problem, meint Robin Benzing. Schröders Vorgänger im Amt des Nationalmannschafts-Kapitäns würde dessen Aussagen nicht zu persönlich nehmen. „So wie Dennis halt ist: Er sagt immer direkt, was los ist. Manchmal ist es vielleicht etwas unüberlegt, manchmal sollte man es etwas anders sagen. Ich glaube aber nicht, dass es böse gemeint war von ihm“, sagte Benzing der dpa. Schröder sei insgesamt „gereift, er führt die Mannschaft unglaublich an“.
Ob der Fall sportliche Auswirkungen hat, werden der Supercup und vor allem die Weltmeisterschaft zeigen. „Am Ende wird es eh am Ergebnis gemessen werden“, weiß Benzing: „Wenn es nicht klappt, wird die Meckerei groß sein.“ Denn Kleber sei „definitiv ein sehr guter Spieler. Aber sie haben es auch ohne ihn gut gemacht“. Dallas-Profi Kleber bekräftigte nochmals, dass er im Vorjahr wegen einer Verletzung die EM ausgelassen hatte – und nicht, um privat an seinem Spiel zu arbeiten. „Ich brauchte vollständige Genesung und Ruhe“, sagte der 31-Jährige. Es erfülle ihn immer mit Stolz, wenn er fit und gesund für das Nationalteam auflaufen könne. Diesmal ist der gebürtige Würzburger nicht verletzt, doch erneut findet ein großes Turnier ohne ihn statt. Sich wegen des Streits mit Schröder von der DBB-Auswahl abzuwenden, komme für ihn aber nicht infrage. Er werde die Mannschaft „als Fan anfeuern und unterstützen“.
Ob das Team in Zukunft aber wieder mit Schröder und Kleber auflaufen wird, ist fraglich. Schröder entschuldigte sich zwar bei Kleber und dessen Familie für seine „Aussagen und die damit entstandenen Unannehmlichkeiten“. Doch für Femerling ist nach allem, was passiert ist, klar: „Man kann nur Maxi oder Dennis in der Mannschaft haben.“