Hinter Dennis Schröder liegen turbulente Tage. Nach dem WM-Triumph genoss der Kapitän der Basketball-Nationalmannschaft die Zuneigung der Fans. Jetzt liegt sein Fokus auf der NBA, wo er im neuen Team eine tragende Rolle spielen soll.
Der Stargast auf Dennis Schröders Party zum 30. Geburtstag war nur unschwer zu erkennen. Obwohl nur 60 Zentimeter groß, zog er alle Blicke auf sich. Nicht nur, weil er so schön golden glänzte. Sondern auch, weil nur wenige Menschen ihn aus der Nähe bewundern oder gar berühren dürfen. Für Dennis Schröder aber war der WM-Pokal nach den historischen Tagen in Asien und der turbulenten Zeit nach der Rückkehr in Deutschland ein ständiger Begleiter. Auch an seinem Ehrentag. „Ich habe die Trophäe bei mir zu Hause. Ich habe mit ihr meinen 30. Geburtstag gefeiert“, verriet Schröder als Gast bei einem Basketballspiel der Löwen Braunschweig. Aber nicht nur wegen der begehrten Naismith Trophy, die die deutschen Basketballer als symbolischen Gewinn für ihren sensationellen WM-Triumph in Manila mit nach Hause nehmen durften, wird der deutsche Kapitän seinen runden Geburtstag am 15. September für immer in Erinnerung behalten.
Eintrag im Goldenen Buch
An jenem Tag durfte sich der Basketballstar auch ins Goldene Buch seiner Heimatstadt Braunschweig eintragen und sich von Zehntausenden Fans beim Empfang im Altstadtrathaus feiern lassen. „Das bedeutet mir sehr viel“, sagte ein sichtlich gerührter Schröder: „Ich habe sehr hart dafür gearbeitet, dass ich so einen Moment einmal genießen kann mit der Familie, mit der Stadt.“ Das sei „etwas ganz Besonderes“ für ihn. Die Begeisterung und Zuneigung, die ihm seit den phänomenalen WM-Tagen entgegenschlägt, genießt Schröder sehr. „Ich wusste, wenn ich in Deutschland keinen Titel hole, werde ich nicht so respektiert, wie es jetzt ist“, sagte er im Podcast „Einfach mal Luppen“ von Fußballstar Toni Kroos und dessen Bruder Felix. Schröder hofft, dass nun auch der ständige Vergleich mit Dirk Nowitzki ein Ende hat. „Ich wurde immer mit Dirk auf ein Level gepackt. Wir wissen alle, wie gut er war“, sagte Schröder: „Seine Legacy ist auch schwer zu erreichen. Aber ich wusste: Für mich und meinen Namen gibt es nur Respekt, wenn ich Gold hole.“
All das hat er nun. Welche Genugtuung das für ihn ist, deutete sein emotionaler Ausbruch unmittelbar nach dem 83:77-Finalsieg gegen Serbien an: „Für alle, die mich supportet haben über die Jahre: Ich küsse ihre Herzen natürlich. Aber: Alle anderen, die können trotzdem wegbleiben.“ Durch die vielen „Hater, die das alles immer kritisch sehen“, baue er „viel Motivation auf“. Der beste Beweis war seine Leistung bei der WM. Schröder führte das deutsche Team als absoluter Leader zum historischen Gold-Coup – nicht als Solist, sondern als Teamplayer. Er übernahm in den entscheidenden Momenten Verantwortung, ließ aber auch andere glänzen. Ein wahrer MVP, zu dem er nach dem Turnier auch gewählt wurde. Die Auszeichnung zum wertvollsten WM-Spieler sei zwar „geil“, sagte Schröder, „aber den WM-Titel nach Deutschland zu holen, das ist das, was ich wollte“.
Und Schröder will noch mehr. Mit dem famosen Abschneiden bei der Weltmeisterschaft hat sich das deutsche Team, das im Vorjahr bei der Heim-EM schon Bronze gewonnen hatte, auch für das Olympia-Turnier 2024 qualifiziert. Mit Gold bei den Spielen von Paris würde sich Schröder im deutschen Basketball noch unsterblicher machen. Doch das dürfte einer „Mission Impossible“ gleichen, denn zahlreiche NBA-Stars wie Kevin Durant oder Stephen Curry haben bereits angekündigt, in Paris das US-Jersey tragen zu wollen. Bei der WM hatten die USA mit dem vierten Platz kolossal enttäuscht, woran das deutsche Team um Schröder mit dem Sieg im Halbfinal-Duell entscheidenden Anteil hatte.
Bevor Schröder aber wieder mit der DBB-Auswahl, die er als „bestes Team“ seiner Karriere bezeichnete, für Furore sorgen kann, steht für ihn der nächste Karriereschritt in der NBA auf dem Plan. In der am kommenden Dienstag (24. Oktober) beginnenden Spielzeit läuft der Point Guard für ein neues Team auf. Die Toronto Raptors haben sich die Dienste des Deutschen gesichert und ihn mit einem Zweijahresvertrag ausgestattet. Rund 26 Millionen US-Dollar umfasst der Kontrakt, was für Schröder eine deutliche Gehaltssteigerung bedeutet. Bei seinem Ex-Club Los Angeles Lakers hatte er nur ein Mini-Gehalt von 2,6 Millionen Dollar für den Einjahresvertrag kassiert. Eigentlich hatte Schröder stets betont, bei den Lakers um Superstar LeBron James bleiben zu wollen, und mit durchschnittlich 12,6 Punkten und 4,5 Assists pro Spiel hatte er bei seinem zweiten Engagement in LA auch fleißig Argumente dafür gesammelt. Doch die Lakers holten stattdessen Gabe Vincent von Vizemeister Miami Heat als neuen Aufbauspieler.
Junge spieler besser machen
Mit Toronto stehen die Titelchancen zwar deutlich schlechter, aber zumindest dürfte Schröder hier eine deutlich tragendere Rolle einnehmen als zuvor bei den Lakers. „Wir haben hier einige Veteranen, aber auch jüngere Spieler. Ich glaube, dass wir eine gute Rolle spielen können“, sagte Schröder bei seiner offiziellen Vorstellung. Was die Anforderungen speziell an ihn sind, darüber ist sich der 1,85-Meter-Mann im Klaren: „Meine Rolle wird es sein, das Team zu führen und sicherzustellen, dass die jungen Spieler besser werden.“ Also ähnlich wie bei der deutschen Nationalmannschaft. Doch Wunderdinge dürfe man von ihm anfangs nicht erwarten. „Es ist ein neues Team, eine neue Situation für mich“, betonte Schröder. Dabei hilft es jedoch, dass er den Cheftrainer aus seiner Zeit bei Oklahoma City Thunder kennt. Damals war der heutige Raptors-Coach Darko Rajaković Assistenztrainer in Oklahoma. Der Serbe, der über die Finalniederlage seines Heimatlandes gegen Schröders DBB-Team wenig erfreut gewesen sein dürfte, hält große Stücke auf seinen Neuzugang. Doch die Wertschätzung beruht auf Gegenseitigkeit.
„Er ist ein großartiger Typ“, sagte Schröder über Rajaković und erklärte auch, warum: „Er sorgt dafür, dass es niemand schleifen lässt. Egal wie schwer es ist, er sagt dir, wenn du etwas richtig oder falsch gemacht hast. Er ist da sehr direkt, und das gefällt mir, weil ich als Spieler selbst so operiere.“ Sowohl für Schröder als auch für Rajaković bedeutet die Saison einen Neuanfang, denn der Coach tritt die Nachfolge von Meistercoach Nick Nurse an, der den Club 2019 zum NBA-Titel geführt hat. Auch die Fußstapfen, in die Schröder tritt, sind nicht gerade klein. Er ist als Ersatz für Ex-All-Star Fred VanVleet vorgesehen, der die Raptors im Sommer Richtung Houston Rockets verließ. Doch Druck verspürt Schröder weniger, sondern vielmehr Vorfreude. Sein Selbstvertrauen ist durch den WM-Sieg und die besonderen Umstände noch mal gestiegen. „Ich habe es nun über Jahre bewiesen, dass ich ein Starter auf der Eins sein kann“, sagte Schröder. Er will den Takt im Team vorgeben, Verantwortung übernehmen, das Spiel gestalten. „Dieses Jahr will ich mehr den Ball in der Hand halten. Ich denke, dass dies mit der Länge des Teams und den vielen Verteidigern eine gute Situation für mich ist.“
Seine neuen Mannschaftskollegen lernte er im Trainingscamp nach Vancouver kennen. Auf Deutsch kann er sich mit Jakob Pöltl unterhalten, der Center aus Österreich kehrte im Winter nach fünf Jahren bei den San Antonio Spurs zurück nach Toronto. Pöltl unterschrieb einen Vierjahresvertrag bei den Raptors, das Zusammenspiel zwischen ihm und Schröder dürfte ein Schlüssel für den Erfolg des Teams sein. Auch deswegen schaute Pöltl während der WM ganz genau auf den deutschen Kapitän. „Ich freue mich für Dennis, der Deutschland beeindruckend als MVP zum WM-Titel geführt hat und ich denke, das wird sich auch sehr gut auf die Raptors auswirken, wenn er mit diesem Erfolg im Rücken nach Toronto kommt“, hatte der Wiener gesagt.
„Das ist nicht ohne“
Raptors-Präsident Masai Ujiri erwartet viel von dem Deutschen. „Dennis ist ohne Furcht, kreativ und sehr ehrgeizig“, sagte er: „Wir freuen uns, dass sich Dennis für uns entschieden hat.“ Platz zehn der Eastern Conference wie in der Vorsaison sei nicht der Anspruch des Clubs. Toronto, das seit dem Titel 2019 nur eine Playoff-Serie gewinnen konnte, tritt im ersten Saisonspiel in der Nacht zum 26. Oktober gegen die Minnesota Timberwolves an. Für Schröder beginnt dann die elfte Saison in der besten Basketballliga der Welt, nach Ablauf seines Vertrages hätte er zwölf Jahre NBA auf dem Buckel. „Das ist nicht ohne“, sagt er selbst mit einer gehörigen Portion stolz. Doch so weit vorausblicken will er noch nicht – und auch der Rückblick auf die tollen WM-Tage ist vorerst vorbei. „Nach der WM habe ich nicht viel Ruhe bekommen“, sagte Schröder vor seinem Abflug aus Deutschland in die USA. Dort angekommen hat sich der Trubel etwas gelegt, Schröder konnte den Fokus wieder verstärkt aufs Sportliche legen.
Schröder ist aber nicht der einzige deutsche Weltmeister in der NBA, bei den Orlando Magic stehen sogar zwei Deutsche unter Vertrag: die Wagner-Brüder Franz und Moritz. Vor allem Franz Wagner hat in der NBA bereits bewiesen, dass er über ein Ausnahmetalent verfügt. Dass sein Bruder einen neuen Zweijahresvertrag im Club unterschrieb und ihm erhalten bleibt, dürfte dem vielseitig einsetzbaren Profi weiteren Schub verleihen. Experten sehen in ihm einen künftigen All-Star. Bei den Indiana Pacers läuft Daniel Theis auf, der Schröder-Kumpel muss aber um seine NBA-Einsätze kämpfen. In der Vorsaison waren es nur sieben, durch den WM-Triumph dürfte der Center intern an Standing gewonnen haben. Und dann gibt es auch noch Maximilian Kleber. Der 31-Jährige verpasste das deutsche Sommermärchen auch wegen eines Streits mit Schröder. Umso mehr dürfte der Würzburger seinen Blick auf die NBA-Saison mit den Dallas Mavericks richten, wo er angesichts der Offensivpower von Luka Dončić und Kyrie Irving als defensiver Anker gefragt ist.