Das Rokoko-Zeitalter brachte neue Trends in der Mode. Eine Ausstellung in Wrocław, dem einstigen Breslau, würdigt diese Stilepoche.
Noch immer gilt Rosa als die Farbe für kleine Mädchen und junge Frauen. Männer belächeln eher die bonbonfarbene Trägerin. Doch die einst liebliche Mädchenfarbe zeigt sich in Alltags-Outfits immer öfter auf den Straßen und Laufstegen weltweit, und nicht nur bei den Damen.
Im Zeitalter des Rokoko war Rosa sogar die Modefarbe der Adelsschicht schlechthin. „Nicht nur Frauen zogen pinkfarbene Kleider an, auch Männer. Sie trugen Anzüge aus rosafarbenen Stoffen“, erzählt Monika Trznadel den erstaunten Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung „Rokoko Wahnsinn in Wrocław“. Die Breslauer Stadtführerin ist selbst begeistert. „Rosa wurde nicht wie heute als eine rein weibliche Farbe betrachtet, sondern als die Farbe der reichen Herrschaften, die sich die modernen Anzüge leisten konnten.“
Die Ausstellung zum 75. Jubiläum des Nationalmuseums in Wrocław präsentiert mit rund 500 Ausstellungsobjekten die Rokoko-Epoche in Niederschlesien. In einem der vier Kuppelpavillons, die zur Jahrhunderthalle von Breslau gehören, wird der Alltag im Rokoko aus der gesamten Region Niederschlesien gezeigt. Zu den Exponaten der Sammlung des Nationalmuseums gehören Wandbilder, Statuen, Grafiken, Fotos, künstlerische Installationen, Möbel, Geschirr, Teller, Becher, Gläser, Keramik und eben auch, womit man sich damals gekleidet hat – die Mode.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg übernahm Frankreich die politische und kulturelle Führung in Europa. Ludwig XIV. regierte zwischen 1651 bis 1715 als absoluter Herrscher das Land. Seine Hofhaltung wurde an fast allen europäischen Höfen zum Vorbild. Dies wirkte sich in großem Maße auch auf die Mode der damaligen Zeit aus. Sein Modegeschmack galt als Modekodex für ganz Europa. Und das stark reglementierte Hofzeremoniell schrieb dem Hochadel die Hofkleidung weitgehend vor.
Mit dem Tod des Sonnenkönigs blühte das Zeitalter des Rokoko auf, etwa zwischen 1730 bis 1770. Viele Aristokraten verließen nun Versailles und zogen in die Stadtschlösser und Appartements von Paris. Ein neues gesellschaftliches Leben entwickelte sich. So entstand die Rokoko-Mode weniger am französischen Hof als vielmehr in den Palais und Literatensalons von Paris. Dort wurde festgelegt, was modisch war und was nicht. Zudem wurde die Mode von englischen Einflüssen geprägt. Steifheit in Kleidung und Benehmen lehnte man ab. Der leichtere, verziertere Rokoko-Stil löste den überladenen Barock ab.
Rund 500 Exponate aus der Zeit des Rokoko
Das Wort Rokoko, französisch „Rocaille“, weist auf die ornamentale Verwendung von Fels- und Muschelformen hin. Die Muschel war seinerzeit als Verzierung besonders beliebt. Überhaupt war der Modestil sehr spielerisch. Leichtigkeit, Eleganz und eine überschwängliche Verwendung von geschwungenen, natürlichen Formen in der Ornamentik gaben den Ton an. Während die Menschen im Barock Symmetrie bevorzugten, zeichnet sich das Rokoko durch Asymmetrie und ausufernde Verzierungen aus.
Entwickelte sich der Rokoko-Stil am stärksten in Frankreich, kam er mit der Zeit auch nach Nord- und Süddeutschland und nach Preußen. Nach Schlesien gelangte er zusammen mit König Friedrich dem Großen, der Schlesien 1741 eroberte. Dort fand der Rokoko-Stil einen besonders fruchtbaren Boden.
Der Stil der Aristokatie war modisch, elegant und rosa. „Wer rosa trug, zeigte, ich gehöre dazu“, erklärt Monika Trznadel. In Schlesien war die ganze Farbfamilie begehrt: Koralle, Lachs, Kirsche, Pink. Die Farben machten auf sich aufmerksam: Schau her, ich kann mir das leisten. Rosa war auch die Lieblingsfarbe von Madame de Pompadour. Sie machte die Ansagen, was Trend war in der Modewelt. Sogar ihre Kutsche war in dem Farbton gehalten. Das reiche Bürgertum und der Adel bevorzugten nunmehr anmutige Schönheit anstelle von reiner prunkvoller Darstellung von Macht, wie es noch im Barock üblich war. „Wer an Barock denkt, hat Bilder reich verzierter Gebäude vor sich, überladene Kirchen und pompöse Kleider voller großer Muster, großer Blumen, üppiger Verzierungen, feste Stoffe. Zuviel von allem. Zu viele Farben. Zuviel Gold“, meint die Stadtführerin. „Dann kommt die Rokoko-Zeit mit ganz kleinen, feinen Blümchen, mit weichen Stoffen, sehr delikat. Die hauptsächlich verwendeten Stoffe waren Leinen, Wolle, Baumwolle, Seide, Damast und Brokat. Matte Farbtöne wurden bevorzugt, neben Rosa auch Blau oder Grün. Das beliebte Rosa entstand aus dem brasilianischen Rotholz, das in Verbindung mit Wasser den Stoffen die Farbe gegeben hat.
Die Kleidermode des Rokoko, ähnlich wie die Architektur dieser Epoche, gilt trotz eigener Stilausrichtung als Fortführung des Barock und wird in etwa von 1720 bis 1770 datiert.
Das wichtigste Kleidungsstück der Dame war ein langes Kleid, das man auch Robe nannte. Die Robe entwickelte sich aus dem Manteau, einem Mantel, der vor allem in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts populär wurde. Anfangs war die Robe ein bequemes Kleid mit tief eingelegten Falten vorn und hinten, die ab Schulterhöhe aufsprangen. Es wurde vor allem zu Hause getragen und bestand aus einem Rock und einem Mäntelchen, einem deutlichen Taillenausschnitt und blieb vorn offen, sodass die Schnürbrust sichtbar war. Die Ärmel ellbogenlang mit aufgesetzten Ärmelaufschlägen, die in der Form an heutige Schwimmflügel erinnern. Diese Roben umspielten den Oberkörper nur lose und wurden ab etwa 1715 von immer größer werdenden Reifröcken aufgespreizt. Die begehrten Stücke wurden aus Seidenbrokat oder Seidendamast gefertigt und prachtvoll mit Stickereien verziert. Die Robe à la française, also das Kleid im französischen Stil, war in ganz Europa ein beliebtes Kleidungsstück. Es wurde von Bürgerlichen, adligen Damen und Zofen auf der Straße getragen.
Zu Rosa kam die blasse Haut. Blass war angesagt, galt als vornehm, bei Männern wie bei Frauen. Das Rosa der Kleider verlieh zudem einen schönen Kontrast zur weiß gepuderten Haut. Passend dazu Rouge, Lippenstift und Schönheitspflästerchen auch in Form von Herzen, Monden oder Sternchen.
Die Frisuren waren schlicht. Das Haar trug man aufgesteckt; Perücken und Haarteile waren für Damenfrisuren noch nicht üblich, weil das natürliche Haar für die modischen Frisuren ausreichte. Zumindest außer Haus, meist aber auch im Haus, trugen Frauen und Kinder eine Haube.
Allongeperücke als modisches Must-have
Die Männermode im Rokoko stand der der Damen in nichts nach. Allerdings war die Aufmachung der Herren etwas zurückhaltender, elegant und beinahe feminin. Bänder, Schleifen, Rüschen und Volants wirkten als dezentes Detail. Die Herren trugen knielange Mantelröcke, vorn geknöpft. Und sie trugen damals schon, im Gegensatz zu den Frauen, Hosen. Es kamen neue Schnitte, neue Modelle auf, wie die Rock-Hose, die unter den Knien mit Spitzenmanschetten zusammengehalten wurde. Dazu wurden Seidenstrümpfe und Schuhe mit Absätzen getragen. Später ersetzte man sie durch Stulpenstiefel, deren Stulpen zum Teil mit Spitze oder feinstem Batist ausgefüllt oder gefüttert waren. Die Weste reichte meistens bis zu den Knien und hatte vorn kleine Taschen. Meistens wurde sie ärmellos getragen. Das Rückenteil war glatt, aus Seide oder Leinen gefertigt und hatte einen Schlitz mit Schnürung. Dadurch konnte die Weite der Weste reguliert werden. Beide Geschlechter trugen einen breiten, mit Spitze verzierten Schulterkragen.
König Ludwig XIV. führte am französischen Hof die sogenannte Allongeperücke ein, übersetzt Verlängerung, Anhängsel. Eine langlockige und schwere Perücke, die über die Schultern bis zur Brust ging und zum Muss des modischen Herrn gehörte. Es ging sogar das Gerücht um, der König hätte die Perücke nur eingeführt, um seine eigene Kahlköpfigkeit zu verbergen. Unter der Perücke wurde das Haar kurz getragen oder der Kopf kahl geschoren. Die Männer der unteren Schichten trugen ihr Haar ziemlich lang, da Perücken teuer und außerdem bei der Arbeit hinderlich waren.
Bis um 1750 war der vorherrschende Frisurstil ein Pferdeschwanz. Die eigenen oder die Perückenhaare wurden mit Pomade bestrichen, sodass der Haarpuder daran haftete. Der Puder bestand aus feinem Mehl, das entweder weiß belassen oder mit Ruß, Ocker oder Zinnober eingefärbt wurde.
Zur Perücke durfte natürlich der Hut nicht fehlen. So wie eine Frau, wenn sie außer Haus ging, eine Haube trug, setzte ein vornehmer Herr seinen Dreispitz auf. Helle Strümpfe und Schnallenschuhe vervollständigten den Rokoko-Mann. Schließlich gehörten zu den typischen Modeaccessoires auch der Degen und die Schnupftabakdose.
Monika Trznadel betrachtet bewundernd die in den Vitrinen ausgestellten niederschlesischen Kleider in modernem französischen Stil. Eines liebt sie besonders, es ist ganz aus Seide mit winzigen rosa Blümchen. „Ich fand die Mode von damals ganz chic, vielleicht nicht immer ganz bequem, und doch annehmbarer als die vorherige Barockmode, die Stoffe wurden etwas legerer, leichter und angenehmer zu tragen.“