Höchste Zeit, die Komfort-Klamotten in den hintersten Winkel des Kleiderschranks zu verbannen. Diesen Winter lockt die Herren-Garderobe mit schnörkelloser Eleganz. Ein Überblick über die aktuellen Trends.
Sie haben es wieder getan. Während der Menswear-Modeschauen in Florenz, Mailand und Paris haben die Designer auch für die Wintersaison 2023/2024 erneut versucht, ihrer männlichen Klientel neue Trends schmackhaft zu machen – wo doch die Herren der Schöpfung sich traditionell nur ziemlich schwer von altbewährten Kleidungsvorlieben zu verabschieden pflegen. Sie mögen im Unterschied zu großen Teilen der Damenwelt ungewöhnlichen Innovationen auch dann nicht vorbehaltlos folgen, wenn sie von Stilikonen wie Timothée Chalamet oder Harry Styles mit heller Begeisterung aufgenommen werden. Was aktuell wohl besonders für feminin inspirierte Kleidung wie transparente, die Haut nur dürftig verhüllende Hemden, One-Shoulder-Tops oder auch Kilts als maskuline Rock-Variante gelten dürfte. Mehr oder weniger einig waren sich alle Fashion-Experten in ihrer Einschätzung, dass Athleisure und Streetware auf den internationalen Catwalks ihre vormals dominante Position etwas eingebüßt haben. Stattdessen sind Anzüge in perfektem Tailoring und minimalistische Eleganz auf dem Vormarsch. Unübersehbar auch die Präferenz der meisten Brands für (boden-) lange Mäntel.
Monochrome Looks liegen im Trend
Nichts wesentlich Neues bei den Farben, zumindest was die Ablehnung des bei den Damen so beliebten Color-Blockings betrifft. Der Look sollte möglichst monochrom oder zumindest Ton-in-Ton gehalten sein. Neben Schwarz tauchen häufiger Burgunder- und Brauntöne auf. Hellblau, Kobaltblau oder gar Lila (vor allem bei Fendi, aber auch bei JW Anderson oder Emporio Armani) können höchstens als ziemlich gewagte Versuchsballons einiger exzentrischer Modeschöpfer eingestuft werden. Das Männermagazin „GQ“ dürfte mit seiner Einschätzung, dass es sich bei den auf den Laufstegen gezeigten Kreationen insgesamt um einen „Hybrid aus Streetwear und High Fashion“ gehandelt habe, den Nagel ganz gut auf den Kopf getroffen haben. Wohingegen beim Schweizer Lifestyle-Portal stilpalast.ch eigenes Wunschdenken Pate gestanden haben dürfte bei der Einstufung der neuen Menswear-Pieces unter dem vor allem in der Damenmode derzeit mega-aktuellen Schlagwort „Quiet Luxury“. Nachhaltige Mode allerhöchster Qualität mit makelloser Verarbeitung und aus erlesensten Materialien in neutralen Farben mit Raffinessen im Detail und Verzicht auf Logos oder Monogramme bei insgesamt schlicht gehaltener Silhouette hatten natürlich eine ganze Reihe von Menswear-Designern in ihren aktuellen Kollektionen zu bieten. Doch wer bitteschön kann (und will) sich diesen leisen, aber teuren Luxus unter dem Motto „Weniger ist mehr“ ohne offensichtliches Status-Potenzial wirklich leisten? Wie dem auch sei, vielleicht kann sich ja der eine oder andere Mann an einem der folgenden Trends für den kommenden Winter erwärmen.
Lange Mäntel
Der Manteltrend dieses Winters weist deutlich in Richtung Extra-Länge und knüpft damit an Vorbilder aus den 1920er-Jahren an. Die Silhouette ist meist schlicht, massiv und elegant gehalten, was betonte Schultern allerdings nicht ausschließt. Schwarz und Grau sind die bevorzugten Farben.
Bomberjacken
Bereits im vergangenen Winter hatte die gute alte Bomberjacke, deren Ursprünge bis in Jahr 1917 zurückreichen, ein Facelifting durch College-Vibes erhalten. Daran knüpfen aktuell Brands wie Tommy Hilfiger oder Brunello Cucinelli an. Übergroß und fast schon ballonartig war die Jacke bei Prada geschnitten, Dolce & Gabbana entschied sich für ein Model aus Leder mit wallenden Ärmeln, während Hed Mayner ein XXL-Nylon-Exemplar entworfen hat.
Daunen-Westen
Als Alternative für die Pufferjacke bleiben diesen Winter die Daunenwesten en vogue, wobei Berluti oder Brunello Cucinelli besonders schöne Pieces in ihrer Kollektion führen.
Puffer-Jacken
An kalten Tagen dürfte selbst die Daunen-Weste nicht genügend Wärme garantieren können. Manche Designer mit Rick Owens an der Spitze entwarfen diesmal Mega-Oversize-Pufferjacken.
Shearling-Jacken
Die Jacken aus Lammfell bleiben auch diesen Winter ein Evergreen. Es darf aber auch mal ein Cape aus diesem Naturmaterial sein wie bei Burberry oder ein Mantel wie bei Rick Owens oder Gucci.
Klassische Anzug-Schneiderei
Zurück zu den Basics der Herrenmode, meist in vergleichsweise schlicht-schnörkelloser Handwerkskunst umgesetzt: die Auswahl an neuen Anzügen ist diesen Winter geradezu riesengroß. Einfach mal umschauen bei Hermès, Canali, Louis Vuitton, Kenzo, Bianca Saunders, Givenchy oder Emporio Armani.
Comeback der Smokingjacke
Die Besinnung der Designer auf das klassische Tailoring hat auch der Smokingjacke bei Labels wie Fendi, Emporio Armani oder Dolce & Gabbana zu einem unerwarteten Comeback verholfen. Wobei sie auch schon mal als Mantel-Ersatz zum Einsatz kommen kann und zudem alltagstauglich durch spitz zulaufende Aufschläge oder Schalkragen mit schwarzem Satinbesatz entdramatisiert worden ist.
Oversized Sakkos
Ein ziemlich gewöhnungsbedürftiger Trend. Denn die übergroß geschnittenen Sakkos (von Gucci, Marc Jacobs oder MM6 Margiela) sahen nicht mal an den Models auf den Laufstegen wirklich überzeugend aus. Eher konnte man den Eindruck gewinnen, dass sich die Träger beim Einkauf in der Größenauswahl erheblich vergriffen hatten.
Kilts/Röcke
Röcke bei den Herren salonfähig zu machen, haben die Designer in den vergangenen Saisons ja schon häufiger (vergeblich) versucht. Nun setzen sie ihre Hoffnung wieder auf die traditionellen schottischen Kilts, was Jean Paul Gaultier schon 1984 einmal ausprobiert hatte. Etro beispielsweise kombiniert die Schottenröcke mit übergroßen Rugby-Hemden.
Auch Gucci hat lange Kilt-Varianten im Programm, während bei Givenchy ein kurzer Schottenrock in Grunge-Umsetzung zu sehen war. Bei Burberry wurde es punkiger durch einen über Baggy-Cargohosen getragenen Kilt. Andere Designer setzen statt auf Kilts auf andere Rock-Varianten. Ziemlich schräg dabei der plissierte Mini von Ludovic de Saint Sernin, skurril die knieumspielende Umsetzung bei Dior, bodenlang das Skirt von Martine Rose.
Weite Hosen/High Waist
Ein Trend für die Nicht-Hünen unter den Männern. Weil durch die überdimensionierten Hosen, die regelrecht die Beine herunterfließen und um die Knöchel zuweilen korkenzieherartig aufsitzen, die Silhouette automatisch in die Länge gezogen wird. Weit und in XL-Form geschnitten, das hat schon was, wie beispielsweise Etro mit seinen Pants unter Beweis stellen kann. Zudem gibt es diesen Winter wieder eine Abkehr vom tiefer gelegten Hosenbund Richtung High Waist.
Jumpsuits/Overalls
Man darf sicherlich gespannt sein, ob sich auch die Männerwelt mit der modischen Variante des Blaumanns wird anfreunden können. Eine ganze Reihe von Labels wie Lemaire, Ami oder Etro machte jedenfalls die Probe aufs Exempel.
Shorts über Hosen oder Leggins
Layering mal etwas anders, wobei die Shorts in gemütlicher Bermuda-Form lässig über Pants getragen werden.
One-Shoulder-Tops
Für die französische „Vogue“ ist dies der mit Abstand „hotteste“ Trend des Winters. Nur vermutlich werden die Herren der Schöpfung der freien Körperpartie die kalte Schulter zeigen. Auch wenn dies Labels wie Fendi, Courrèges oder Dolce & Gabbana vermutlich ganz anders einschätzen dürften.
Hauchzarte Transparenz
Mutige voran! Was in der Womenswear längst kaum jemanden mehr aufschrecken kann, versuchen die Designer nun auch der männlichen Klientel schmackhaft zu machen. Wobei sich Martine Rose ganz weit vorgewagt hat und ein transparentes Hemd mit Tupfen aus schwarzem Satin vorgestellt hat. Aber auch bei Hemden von Ann Demeulemeester oder Saint Laurent schimmert viel nackte Haut durch den hauchdünnen Stoff durch.
Biker-Look
Das Kontrastprogramm zu jeglichem Femininem. Auch diesen Winter gibt es natürlich bei Gucci, Dsquared2 oder Louis Vuitton die klassischen Biker-Jacken, dazu passende Handschuhe, Biker-Stiefel oder auch Protektionshosen.
Übergroße Kragen
Egal ob an Jacken (wie bei Ami), Mänteln (wie bei Dior) oder Hemden (wie bei Jeffrey Loverboy) – übergroße und zumeist spitz zulaufende Kragen sind diesen Winter ein auffälliges Ausstattungsdetail. John Travolta lässt schön grüßen, zur Einstimmung einfach nochmals „Saturday Night Fever“ anschauen.
Kuschel-Strick
Voluminöse Strickpullover, beispielsweise von JW Anderson oder Comme des Garçons, sind diesen Winter der dernier cri zu den langen Mänteln oder den Shearling-Jacken.
Texan Tuxedo
Doppel-Denim, am besten in dunkler Tönung, ist fraglos der Jeanstrend des Winters. Die Kombi von Jeansjacke mit Jeanshose ist ohnehin nicht totzukriegen. Wie Berluti oder Loro Piana nachdrücklich beweisen können.
Leder
Der Materialfavorit auch des kommenden Winters, wobei es keine große Rolle spielt, ob die Klamotten aus Echt- oder Faux-Leder gearbeitet sind. „Matrix“ oder „Blade Runner“ lassen grüßen. Zuweilen weisen die Pieces wie bei Saint Laurent oder JW Anderson auch einen unübersehbaren Fetisch-Touch auf.
Grungecore
Grunge ist zurück. Also dürfen sich die Herren wieder in zerrissenen Jeans, geschlitzten Pullovern, karierten Hemden oder abgenutztem Strick kleiden. Hauptprotagonisten dieses Looks à la Kurt Cobain und Co. sind fraglos Gucci, Egonlab, Dolce & Gabbana oder Givenchy.
Trendmuster Karo
Nicht nur auf den Kilts, sondern auch auf Jacken, Anzügen oder Mänteln ist dieser Print-Klassiker, häufig großflächig verarbeitet, diesen Winter zu finden.
Grobstrick-Beanies und voluminöse Schals
Mützen in Grobstrick-Optik (Fendi, Bode, Tom Ford, Giorgio Armani oder Gucci) und ellenlange Schals sind die beiden wichtigsten Accessoires für modebewusste Männer im kommenden Winter.
Clogs und Co.
Neben der Flut von Sneaker-Modellen taucht diesen Winter mit den Clogs eine echte Überraschung im Herrenschuh-Angebot auf (die Mules nicht zu vergessen). Wobei Etro seine Modelle aus Wollfilz gefertigt und mit goldenen Nieten verziert hat. Auch Kenzo oder Dries Van Noten offerieren interessante Clogs-Varianten. Die Sneakers bekommen zudem leichte Konkurrenz von klassischen Anzugschuhen wie Loafers, Monkstraps, Oxfords, Derbys oder Brogues. Chelsea Boots oder Combat Boots bleiben natürlich weiterhin en vogue.