Viele Menschen hadern mit der Reichweite von E-Autos. Wie ist es dann erst mit einem E-Motorrad? Der Biker Florian Heiberger hat die ganz große Route gewagt: Deutschland, Skandinavien, Baltikum.
Deutschland, Skandinavien, Baltikum – 7.500 Kilometer ist der Nürnberger Kommunikationsdesigner Florian Heiberger mit seinem Motorrad quer durch Nordeuropa gefahren. Selbst mit einem (Verbrenner-)Auto dürfte den meisten schwindlig werden, wenn sie an solche Distanzen denken. Der 53-jähriger Biker kennt diese Bedenken nicht: Er hat den vierwöchigen Roadtrip per Elektromotorrad absolviert. Ging das gut? Im Interview erzählt er von Highlights, Herausforderungen und Ladepausen mit Rentier-Burger.
Herr Heiberger, viele Leute fürchten sich schon, dass ihnen mit dem Elektroauto der Strom ausgeht. Wie kamen Sie auf die Idee, per E-Motorrad durch Skandinavien zu fahren?
(lacht) Ich fahre einfach gerne Motorrad. In den 1980er-Jahren bin ich sogar Zweitakt-Rennen mit Vespas gefahren. Ich weiß also durchaus, was ein Benzinmotor ist. Vor drei Jahren habe ich wieder angefangen, diesmal mit einer elektrischen „Energica“, und ich wollte mir schon immer Helsinki anschauen. Ich besitze kein Auto, fahre viel Fahrrad und nutze den ÖPNV. Warum sollte ich mir da noch mal einen Verbrenner anschaffen?
Wie weit kommt denn ein elektrisches Motorrad?
Mein Modell, eine Eva EsseEsse 9, hat eine Reichweite von etwa 150 Kilometern. Wenn ich zu Hause bin, lade ich sie über die normale Schuko-Steckdose auf. Sie hat aber auch einen Typ2- und CCS-Anschluss, kann also Schnellladesäulen nutzen. Mit einem Benzin-Motorrad kommst du schneller voran, aber das kann auch gefährlich werden: schnell tanken und direkt weiter – da wird man unvorsichtig. Ich hingegen habe mich auf die Ladepausen immer richtig gefreut.
Was war denn so toll an den Ladepausen?
Wenn du eine Stunde Zeit hast, kannst du etwas Vernünftiges essen – zum Beispiel einen Rentier-Burger. Außerdem habe ich wahnsinnig viele nette Menschen getroffen, mit denen ich mich unterhalten konnte. Die meisten waren wirklich interessiert an der Elektromobilität. In Finnland haben sich mir zwei Typen genähert, richtige Schränke, und ich dachte schon, das gibt Ärger. Aber nein! Die wollten nur Fotos machen. Diese kindliche Begeisterung habe ich auch in Norwegen erlebt – ganz anders als bei uns.
Wie haben Sie sich auf die Reise vorbereitet?
Ich habe meine Route vorab genau geplant – witzigerweise mit der Wander-App „Locus Map“. Die ist für diesen Zweck eigentlich gar nicht gedacht, hat sich aber als sehr nützlich erwiesen. Auch die Ladepausen habe ich vorab genau geplant. In Lappland hatte ich Distanzen von 120 Kilometern am Stück. Da war es schon wichtig, dass ich am Ziel dann wirklich laden kann. Was aber auch immer geklappt hat.
Also keine Reichweiten-Angst?
Gerade in Norwegen muss man sich keine Sorgen machen: Das ist das Land mit der weltweit besten Ladeinfrastruktur. Selbst ganz oben in Lappland gibt es ausreichend Ladestationen. Oft sind das richtige Tankstellen mit 24 Schnell-Ladeplätzen – weitaus besser als in meiner Heimatstadt Nürnberg. Hier kann man sich schon freuen, wenn von drei Anschlüssen zwei funktionieren.
Wie viele Ladekarten und Apps haben Sie auf Ihrer vierwöchigen Tour gebraucht?
Ich habe nur drei Ladekarten mitgenommen, von EnBW, Maingau und Shell. In Lettland haben die mir nichts mehr gebracht, da musste ich eine lokale App installieren. Am Ende hatte ich insgesamt 24 Apps auf dem Handy. Das hat super funktioniert, auch wenn ich in Lettland die Sprache der App nicht verstanden habe. Aber kein Problem: Ein Tesla-Fahrer hat spontan übersetzt.
Ist auch etwas schiefgegangen?
Einmal musste ich bei 80 km/h eine Vollbremsung auf nasser Fahrbahn hinlegen, weil ein Schaf auf die Straße gesprungen ist. Da war ich froh, dass ich ABS habe. Und in Finnland hatte ich ein technisches Problem: Der Seitenständer war kaputt, ich konnte das Motorrad also nicht abstellen.
Und dann?
Zum Glück habe ich eine kleine Schrauberwerkstatt gefunden. Da konnte zwar niemand Englisch, aber sie haben das Problem sofort erkannt. Am Ende musste nur eine Schraube getauscht werden – und das auch noch ohne Bezahlung. Die waren so begeistert, dass sie kein Geld wollten. Damit ich mich trotzdem bedanken konnte, habe ich ihnen einen selbst gestalteten Freundschaftspatch (Aufnäher mit Motorrad-Insignien) geschenkt. Die hatte ich für die Tour extra angefertigt.
Wie viel Gepäck hatten Sie dabei? Viel passt auf so ein Motorrad ja nicht, oder?
In vielen Hotels und sogar auf Campingplätzen gab es Waschmaschinen, die ich nutzen konnte. In Trondheim und Bergen bin ich in den Waschsalon gegangen. Mit meiner Frau unternehme ich regelmäßig Trekkingtouren – deshalb bin ich es gewohnt, leicht zu packen. Ich hatte sogar noch Platz für meinen Laptop. So konnte ich von unterwegs arbeiten, zum Beispiel von einer Holzhütte aus.
Wie viel haben Sie für Strom bezahlt?
Für die 7.500 Kilometer lange Strecke habe ich insgesamt 280 Euro ausgegeben. Das finde ich echt in Ordnung.
Welchen Tipp haben Sie für alle, die Ihre Reise nachmachen wollen?
Plant eure Stopps nicht zu knapp, aber macht euch auch keine allzu großen Sorgen! Und passt auf beim Fahren! Ich musste insgesamt viermal einem Rentier ausweichen, das über die Straße gelaufen ist. Falls ihr am Straßenrand campt, fragt vorher bei den Locals nach, ob es erlaubt ist und ob man sich vor Wölfen und Bären in Acht nehmen sollte. Die will man nicht wirklich treffen.
Glauben Sie, dass sich Elektromotorräder auch hierzulande bald durchsetzen?
Ach, in Deutschland ist alles immer so negativ. Ich habe das Gefühl, dass hier vor allem über die Nachteile der Elektromobilität gesprochen wird. Die Autoindustrie hängt am Verbrenner, die Politik diskutiert lieber über Wasserstoff, und die chinesische Konkurrenz zieht an uns vorbei. Wenn ich Deutschland mit Skandinavien vergleiche, schäme ich mich fast ein bisschen.