Als BMW vor 40 Jahren die R80 G/S auf den Markt brachte, begründete sie die Gattung der Reise-Enduros. Ein Rückblick mit kleiner Ehrenrunde auf dem Ur-Modell.
Grobstollige Reifen, hohe Schutzbleche und ein hochliegender Auspuff. Dazu bequeme Sitzposition, Blinker und Nummernschild. Als BMW vor 40 Jahren die R80 G/S präsentiert, sind einige Zuschauer zunächst verwirrt. Das ist neu – diese Mischung aus schwerer Geländemaschine und Straßenmotorrad. Bis dahin gibt es als Viertakter mit größerem Hubraum nur japanische Einzylinder-Enduros wie unter anderem die Yamaha XT 500 (ab 1976) oder Honda XL500 (ab 1979).
Die R80 G/S entsteht durch einen Zufall. Ende der 1970er-Jahre ist die Motorradsparte von BMW schwer angeschlagen. Die Konkurrenz aus Japan mit ihren modernen Maschinen wird immer stärker, die altbackenen BMW-Maschinen mit ihren trägen Zweizylinder-Boxern sehen dagegen spießig aus, verkaufen sich kaum. Ein neues Produkt muss her, um den negativen Trend zu stoppen. Da die Neuentwicklung K100 mit Vierzylinder-Motor noch ein paar Jahre dauert, überlegt sich das Team eine Notlösung.
Laszlo Peres ist einer der Väter der BMW G/S. Als Mitarbeiter der Versuchsabteilung entwickelt er 1977 innerhalb von drei Monaten eine Wettbewerbsmaschine fürs Gelände. Ein Jahr später wird er mit seiner Maschine Vizemeister bei den Deutschen Geländemeisterschaften über 750 ccm. „Die Enduro wog nur 130 Kilogramm und war wegen des tiefen Schwerpunktes und dem kräftigen Motor ideal im Gelände", sagt Peres. BMW ist von seinem Konzept überzeugt und baut die Motorsport-Aktivitäten aus. Der Prototyp wird weiterentwickelt, holt 1979 bei der Six-Days-Weltmeisterschaft zwei Goldmedaillen und gewinnt die deutsche Geländemeisterschaft.
Trotz oder wegen der Verluste bittet Motorrad-Chef Karl Gerlinger den Vorstand um ein neues Projekt, bekommt es bewilligt und lässt eine neue Maschine entwickeln. „Wir haben das Potenzial des Konzepts gesehen und es geschickt genutzt. Die G/S hat mit der damaligen Wettbewerbsmaschine allerdings wenig zu tun", sagt Peres.
Noch heute begeistert der Oldie
Das eigentlich Neue ist die Einarmschwinge mit einem Federbein, das mehr Federweg und dadurch mehr Geländegängigkeit verspricht. Die Monolever genannte Einarmschwinge stützt sich mit einem Federbein gegen den Rahmen ab, stemmt das Heck beim Beschleunigen nach oben. Dadurch entsteht ein „Fahrstuhl-Effekt", der erst beim Nachfolger mit der Weiterentwicklung Paralever minimiert wird. „Dass die G/S so ein Erfolg für BMW Motorrad und die Initialzündung für eine neue Motorradgattung wird, haben wir damals nicht geahnt", gibt Peres zu.
1980 kommt die G/S mit der Schwinge samt wartungsfreiem Kardanantrieb, 800-ccm-Zweizylinder-Boxer mit 37 kW/50 PS der R80/7 und einem 21 Zoll großen Vorderrad auf den Markt, fährt bis zu 160 km/h schnell. Der Boxermotor ist robust, die Technik überschaubar, das Ventilspiel lässt sich einfach einstellen. Das Hinterrad ist in wenigen Minuten ausgebaut. Hilfreich, wenn Biker im Busch eine Panne haben. 1980 ist sie die leistungsstärkste, aber auch schwerste Enduro auf dem Markt.
Die G/S wird zur Mutter aller Reise-Enduros. Die damals neue Optik ist keine Designspielerei. Dank der besonderen Reifen und der hohen Schutzbleche sind Sand-, Schlamm- und Flussfahrten möglich. Lediglich die Höhe der Vergaser reglementiert die Wattiefe. Was die meisten Besitzer mögen: langstreckentaugliche Sitzposition, fast 200 Kilogramm Zuladung, ein 19,5 Liter großer Tank für rund 250 Kilometer Reichweite und ein großes Zubehörprogramm. Für die Fernreise bieten Ausrüster große Koffer, 43-Liter-Tank, Handprotektoren, Unterfahrschutz und ein höheres Fahrwerk.
Die G/S gewinnt mehrmals die Rallye Paris-Dakar und festigt damit ihren Ruf als Unverwüstliche. 1984 reagiert BMW auf weitere Kundenwünsche und stellt das Sondermodell G/S Dakar vor – mit großem Tank, Einzelsitzbank, Gepäckbrücke und Rallye-Optik.
Noch heute begeistert der Oldie. Die Zylinder ragen seitlich heraus, lassen sich vom Fahrtwind kühlen. Bei leichtem Dreh am Gasgriff an der Ampel schwingt das Motorrad leicht zur Seite. Doch einmal auf der weichen Sitzbank in Fahrt, wirkt die schmale G/S wie ein Mofa. Der Fahrer sitzt aufrecht im Wind, ohne Verkleidung bläst der ab 60 km/h gegen den Oberkörper, die Instrumente sind eher karg angeordnet und beschlagen ständig.
Das Konzept wird geliebt oder gehasst
Trotz des hohen Gewichts von 192 Kilo vollgetankt, wedelt die G/S leicht durch Kurven, lässt sich flott und spielerisch fahren. Nur sollten Piloten die nächste Kurve im Blick haben. Die vordere Scheibenbremse verlangt etwas Kraft, die hintere Trommelbremse verzögert eher zaghaft. Auch das ewige Aufschaukeln des Hecks ist nicht jedermanns Sache, lässt sich aber nach ein paar Kilometern in den Fahrfluss einbauen. Wen das stört, sollte sich ein späteres Modell mit der Paralever-Schwinge suchen.
Das kommt ab 1987 auf den Markt, dazu neben der R80 GS (jetzt ohne Schrägstrich) auch die R100 GS mit einem Liter Hubraum und 44 kW/60 PS. Erst 1994 ist der luftgekühlte Zweiventil-Boxer Geschichte. Mit der Präsentation der R1100 GS mit 59 kW/80 PS wechselt BMW auf einen Vierventiler mit Direkteinspritzung, das Vorderrad wird von einem Dreiecks-Querlenker geführt. Dazu kommen drei Scheibenbremsen und optional ein ABS. BMW hat das richtige Gespür für die sich gut verkaufende Modellreihe und bietet Enduros bis heute an.
Für Frank Meißner vom Oldtimer-Marktbeobachter Classic Analytics stehen die frühen G/S-Modelle besonders hoch im Kurs, ebenso wie das Sondermodell Paris-Dakar. „Das ist eine Philosophie und Lebenseinstellung, ähnlich wie beim Käfer. Entweder man liebt das Konzept oder hasst es. Dazwischen gibt es wenig", erklärt Meißner.
„Die G/S gelten als zuverlässig, wartungsfreundlich, wertstabil, bieten eine gute Ersatzteilversorgung und einen großen Zubehörmarkt sowie den Zweizylinder-Boxermotor", erklärt Meißner. Generell genießen Motorräder vom einzigen deutschen Serienhersteller einen hohen Stellenwert. Das zeigt sich auch am Preis. In der Zustandsnote zwei stieg der Wert ab 2014 von 5.100 Euro auf heute 9.800 Euro, das Sondermodell Paris-Dakar ist bis zu 50 Prozent teurer.
Günstiger sind Modelle ab 1987. Sie kosten aktuell rund 5.600 Euro. Der Markt gebrauchter G/S ist aber sehr übersichtlich. „Eine gut erhaltene oder gut restaurierte G/S geben Besitzer kaum her, weil die nur schwer zu ersetzen ist", sagt Meißner.