Das Bundesfestival junger Film verwandelt St. Ingbert für vier Tage in eine Kurzfilm-Hochburg. Der Künstlerische Leiter und Mitbegründer des Festivals Jörn Michaely spricht über Highlights, Themen und die Auswahl der Filme.
Herr Michaely, das Motto des diesjährigen Bundesfestivals junger Film „Aufbruch in neue Welten!“ lässt viel Raum für Interpretation. Für welche Themenschwerpunkte haben sich die jungen Filmemacher dieses Mal entschieden?
Die Filme der jungen Teams, die wir Jahr für Jahr bei uns auf dem Festival zeigen dürfen, strotzen nur so vor „Aufbruchsgefühl“. Wir spüren immer wieder diesen unbändigen Drang der Macher und Macherinnen, etwas sagen zu wollen, abseits der Konventionen Neues auszuprobieren und gegen die Klischees zu gehen. Mutig zu sein. Politisch zu sein. Die Welt, wie sie ist, zu hinterfragen. Das Medium Film eignet sich hervorragend dazu, Bilder dafür zu finden, wie unsere Zukunft aussehen könnte. Eine Zukunft, die diese jungen Teams besonders betrifft. Wir wollen diesem Gestaltungsdrang eine Bühne geben und die Filmschaffenden ermutigen. Ihnen sagen: Es ist eine Reise, die sicherlich oft hart ist und gerade in der aktuellen gesellschaftlichen Lage viel Kraft kostet, aber wir glauben an euch. Wir unterstützen euch, wir stellen euch und eure Arbeiten in den Mittelpunkt. Wir wollen die vielfältigen Botschaften der jungen Menschen weiter transportieren und auch für ihren zukünftigen Werdegang eine „Startrampe“, ein Ort des Aufbruchs, sein.
Auch was das Genre angeht, zeigen sich die jungen Regisseure sehr vielfältig. Was ist dieses Jahr im Programm?
Gerade das ist das Schöne am Kurzfilm: Wer zu uns aufs Festival kommt, kann sich auf ein buntes Repertoire an vielfältigen Filmen freuen. Große Gruselgeschichten, liebevolle Animationen, gut beobachtete Dokus, Dramen, Sci-Fi, es ist von allem etwas da. Natürlich prägen auch die großen politischen Themen, die uns im Moment begleiten, die Geschichten der jungen Filmschaffenden.
Und wie ist das Saarland vertreten?
Mich freut immer besonders, wenn wir Filme aus der Region im Wettbewerb zeigen können. Ich selbst bin ja saarländischer Filmschaffender und weiß, wie schwer es die Teams von hier haben, gesehen zu werden. Wir zeigen etwa den Erstlingsfilm „Bis Freitag“ der Saarbrücker Regisseurin Pina Beres, die an der Hochschule für Bildende Künste Saar studiert hat, der auf eine sehr poetische Weise den inneren Konflikt eines Vaters nach der Trennung von seiner Partnerin betrachtet. Oder „Sonntag auf dem Mond“ von Philip Müller, ein Film über den Kontrast zweier Lebenswelten: durchzechte Nächte und das ländliche Leben im Saarland.
Nach der ersten Festivalausgabe im Jahr 2018 entwickelte sich das Bundesfestival junger Film zum größten und bedeutendsten Kurzfilmfestival, das sich dem deutschsprachigen Nachwuchs widmet. Das sieht man auch bei der Zahl der Einreichungen. Von über 450 Filmen haben es 60 in den Wettbewerb geschafft. Fällt die Auswahl nicht jedes Jahr schwerer?
Die Auswahl fällt jedes Jahr schwer. Unser Kuratorium diskutiert jedes Jahr eifrig über die eingereichten Filme. Unser Grundsatz: Über jeden Film wird gesprochen, jeder bringt seine Gedanken ein. Am Ende spielen neben der Qualität der Filme aber auch Faktoren in die Entscheidung ein wie: Ist der Film auch in der Form irgendwie mutig oder außergewöhnlich? Ist ein Thema gerade besonders gesellschaftlich relevant und bietet der Film vielleicht sogar eine völlig neue Perspektive auf dieses Thema? Und schließlich: Wie schaffen wir es, mit der Gesamtheit der Filme einen bunten Querschnitt zu bieten, der all die Themen abdeckt, die die jungen Filmschaffenden Jahr für Jahr beschäftigen?
Welche Kriterien sind für die Jury entscheidend?
Wir glauben daran, dass es keine Kriterien geben sollte. Außergewöhnliche Filme, die nicht in ein Kriterienraster passen, sind großartig, aber fallen bei festen „Kriterien“ in der Regel durch. Wir wollen, dass die Filme auch nicht mit einem Punktesystem abgestempelt werden, sondern dass unsere Jurys über die Filme sprechen, diskutieren. Was bleibt hängen? Welche Fragen bleiben offen?
Würden Sie ein paar Programm-Highlights nennen?
Ganz besonders ans Herz legen möchte ich den „jungen Pitch“, ein Wettbewerb, bei dem sieben junge Drehbuchautoren und Drehbuchautorinnen ihre Stoffe in einem Vier-Minuten-Pitch präsentieren. Die Geschichten sind Jahr für Jahr sehr außergewöhnlich und hier kann man als Zuschauer und Zuschauerin der Keimzelle der Filmentstehung beiwohnen. Die jungen Autoren und Autoreninnen strotzen nur so vor Erzähllust. Das ist ansteckend und das Publikum kann miträtseln, welche Geschichte es schafft, den renommierten Stoffentwicklungspreis zu erhalten. Besondere Highlights sind sicherlich auch unser Open-Air-Kino auf dem St. Ingberter Marktplatz, unser Serienwettbewerb „junge Piloten“, unser Musikvideowettbewerb „junger Clip“. Und jedes Jahr besonders beliebt: Unser „Wettbewerb der schrägen Filme“ mit ganz besonders außergewöhnlichen Werken.
Was dürfen die Zuschauer auf keinen Fall verpassen?
Das Bundesfestival junger Film. Am besten mit dem Festivalpass. Der kostet 45 Euro und ermöglicht es, vier Tage auf unserem Festival alles zu erleben, was geht.