Filmemacher Lukas Nathrath ist Jurymitglied beim Filmfestival Max Ophüls Preis. Im Vorjahr gewann der 33-Jährige den Filmpreis der saarländischen Ministerpräsidentin „Beste Regie“ für „Letzter Abend“.
Herr Nathrath, Sie haben ihren ersten Langfilm mit einem Budget von 4.000 Euro in einer Woche gedreht. Beim Locarno Film Festival 2022 gewannen Sie den First Look Award, Sie erhielten den Preis „Beste Regie“ beim Filmfestival Max Ophüls Preis 2023. Im selben Jahr lief „Letzter Abend“ bei etlichen Festivals, die man nicht alle aufzählen kann. Was haben Sie als herausÂragend erlebt?
Erstmal war Locarno mit der internationalen Jury herausragend, davor wollte kaum einer in Deutschland etwas von dem Film wissen – Locarno war ein Turning-Point. Dann auch das Filmfestival Max Ophüls Preis, denn mit meinen Kurzfilmen war ich dort zuvor nicht angenommen worden – und dann gleich den Regiepreis zu gewinnen, war großartig.
Ich habe mich mitgefreut, als „Letzter Abend“ den Preis in Saarbrücken bekommen hat.
Sie waren wirklich eine der ersten deutschen Journalistinnen, die über unseren Film geschrieben haben – das war eine totale Ermutigung.
Was noch?
Dass der Film beim Internationalen Filmfestival Shanghai, in einer ganz anderen Kultur, so toll angenommen wurde. Aber das Schönste war die Kino-Tour durch ganz Deutschland. Wir haben den Film in 25 Städten persönlich vorgestellt und sind, weil wir kein PR-Budget hatten, mit Flyern durch die Fußgängerzone gelaufen. Die Leute sind ins Kino gekommen – und geblieben. Das war ein Geschenk! Wir kamen nach Lüneburg, kannten niemanden, und bekamen Standing Ovations!
Die Jury beim Filmfestival Max Ophüls Preis feierte Sie als „neue Stimme im deutschen Gegenwartskino“. Ist das Ansporn oder schürt die hohe Erwartung Versagensängste?
Super Frage (lacht), es ist immer beides, Ansporn und Druck. Darum geht es ja auch in meinem Film: Wird man den Erwartungen gerecht? Aber es ist erstmal total schön, nachdem man jahrelang so viel Klinken putzen und Jobs machen musste, um diesen Film zu realisieren, dann als „neue Stimme im deutschen Gegenwartskino“ bezeichnet zu werden, das ist Ermutigung.
Sie sind nun selbst Juror. Worauf legen Sie Wert?
Ich will das, was ich auf der Leinwand sehe, glauben können. Alles andere kommt danach. Fantastische Bilder oder eine tolle Ästhetik beeindrucken mich auch sehr, aber auf die Authentizität in einer Erzählung und von Figuren, auf die emotionale Wirkung, darauf lege ich am meisten Wert. Ich darf unter den ersten sein, der eine Woche lang ganz neue deutschsprachige Filme sieht – das ist eine tolle Aufgabe.
Sie haben das Master-Studium in Filmregie an der Hamburg Media School absolviert. Ihr Erfolg kann dafür sprechen, dass, wer Filmemacher in Deutschland werden will, gute Ausbildungsbedingungen vorfindet. Ist es so?
Das glaube ich schon. Es ist schwierig, dorthin zu kommen, aber das ist auch okay. Man muss auch kein Geld bezahlen für diese Ausbildung, bei der man so viel Equipment benötigt. Die Bedingungen sind im Vergleich mit England oder den USA in Deutschland sehr gut. Aber was ist danach, wenn man auf den freien Markt kommt? Ich fiel da in ein Loch. Geld ist da, auch für Nachwuchsförderung, aber es ist eine bürokratische Odyssee, um gefördert zu werden. Wir haben unseren Film außerhalb dieses Systems gemacht, ohne klare Genrekategorisierung und ungeachtet dessen, was gerade „in“ ist.
Sie haben ihr Talent bewiesen, das bedeutet auch, dass man auf Sie zukommt, dass Filme mit großem Budget möglich werden, dass sich Türen öffnen. Wie geht es auf Ihrem Weg weiter?
Ich schreibe an zwei Drehbüchern, von denen ich hoffe, sie mit dem Ensemble und kreativen Team von „Letzter Abend“ realisieren zu können. Ich hoffe, dass es leichter wird, die Art von Filmen, die ich machen möchte – tragikomische, vielschichtige Stoffe über zwischenmenschliche Beziehungen in all ihrer Ambivalenz und Spannung –, finanziert zu bekommen. Wir bewerben uns dieses Jahr um Filmförderung und ich bin gespannt, ob das klappt.