In der Hautpflege hat sich ein natürlicher Wirkstoff an die Spitze katapultiert, der schon lange in der ayurvedischen Heilkunde auch für seinen Anti-Aging-Effekt bekannt ist und dessen Herkunft als „Königin der Heilpflanzen“ gefeiert wird. Die Rede ist von Terminalia Chebula.
In der Beauty-Industrie ist ein Trend hin zu Schönheits-Multitalenten auf dem Vormarsch, die hierzulande inzwischen häufig als Multi-Hyphenate bezeichnet werden. Übertragen auf die Hautpflege handelt es sich dabei um Produkte, die viele Jobs gleichzeitig erledigen und daher einen Mehrfachnutzen bieten können. Statt sich im Beautyregal mit einer wahren Fülle von Mittelchen gegen jeweils einzelne Probleme eindecken zu müssen, suchen immer mehr Frauen nach ebenso wirksamen Alleskönnern. Das spart im heimischen Badezimmer nicht nur Platz, sondern auch Geld im Portemonnaie. Zudem kann ein Traktieren der Haut mit einer Flut von Skincare-Produkten verschiedenster Marken und sich womöglich nicht miteinander vertragender Inhaltswirkstoffen zu Unreinheiten, allergischen Reaktionen oder Irritationen führen.
Dabei gibt es längst eine Reihe von echten Allroundern wie Hanföl, Aloe Vera-Blattsaft, Vitamin C, Bakuchiol, die natürliche Alternative zum Faltenwundermittel Retinol, oder auch Niacinamid. Wobei letzteres, auch bekannt als Vitamin B3, im Jahr 2022 als beliebtester Hautpflege-Inhaltsstoff gefeiert wurde. Kein Wunder angesichts der Vielzahl positiver Wirkungen auf die Haut. So soll Niacinamid die Haut beruhigen und die Feuchtigkeitsbalance unterstützen, feine Linien und Fältchen mildern, die Aktivität der Talgdrüsen regulieren, Anzeichen von Hautunreinheiten oder Akne beheben, sichtbar vergrößerte Poren verkleinern, Hyperpigmentierung vorbeugen, als Antioxidans vor Umweltbelastungen schützen, die Regenerationsfähigkeit fördern und schließlich auch noch die Produktion von Ceramiden und Keratin stimulieren.
Eine Allzweckwaffe im Bereich Skincare
Eigentlich ist es kaum vorstellbar, dass Niacinamid als Multi-Hyphenate noch zu toppen sein könnte. Und doch ist dem Wunder-Elixier mit dem natürlichen Wirkstoff Chebula ein ernsthafter, bärenstarker Konkurrent in Sachen Hautpflege-Multitalent erwachsen, der nun schon seit einigen Monaten in sämtlichen Medien hellauf begeistert präsentiert wird. Dazu gehören unter anderem „Renew Chebula Active Immunity Serum“ von True Botanicals für rund 80 Euro und die „Super Hydrate Overnight Mask“ von Paula’s Choice für circa 30 Euro. Zudem hat die deutsche Ausgabe von „Glamour“ ihren Leserinnen schon mal die freudige Prognose verkündet, dass im Laufe des Jahres sicherlich noch eine ganze Reihe weiterer Chebula-Hautpflegeprodukte auf den Markt kommen werden. Und abseits der Kosmetik-Branche ist Chebula ohnehin schon deutlich gebräuchlicher, so wird es beispielsweise als Superfood und Nahrungsergänzungsmittel unter dem Namen Haritaki mit zahlreichen Wirkversprechen angeboten: Steigerung der Fettverbrennung, Senkung von Blutzucker oder Cholesterin, Schutz vor oxidativem Stress und altersbedingten Krankheiten, Erhöhung des Sauerstoffgehalts im Blut, Vorbeugung gegen Herzinfarkt oder Schlaganfall, Verbesserung der Schlafqualität und so weiter.
Dass sich Chebula als Skincare-Allzweckwaffe eignen könnte, ist eine ziemlich neue Erkenntnis, die vor allem der Geschäftsführerin des in San Francisco beheimateten Naturkosmetik-Brands True Botanicals Hillary Peterson zu verdanken ist. Sie hatte nach Überwindung einer Schilddrüsenkrebserkrankung beschlossen, ihren Körper nur noch mit natürlichen Hautpflegeprodukten zu versorgen. Da sie aber mit den diesbezüglichen Angeboten nicht restlos zufrieden war, hatte sie 2014 kurzerhand ein eigenes Unternehmen gegründet. Und war wenig später bei einer Reise durch die Wälder Südostasiens auf einen mittelgroßen bis großen Laubbaum mit einer unglaublichen Höhe bis zu 30 Metern namens Chebulische Myrobalane gestoßen, der dank dem schwedischen Naturforscher Carl von Linné zur Gattung der Terminalia gezählt wird und für den daher häufig auch der Fachbegriff Terminalia Chebula gebräuchlich ist. Charakteristisch für die Pflanze sind die hängenden, zwei bis vier Zentimeter großen Steinfrüchte, die im reifen Zustand grünen Oliven ähneln, getrocknet an Muskatnüsse erinnern und als Haritaki bezeichnet werden. Aus diesen Früchten der Myrobalanenbäume wird letztlich auch der Wirkstoff Chebula für die Kosmetik-branche in der Regel in pulvriger Form gewonnen. Auch in der Naturheilkunde wird das Chebula-Pulver längst verwendet, es kann sogar ganz einfach in Wasser aufgelöst oder als Tee zu sich genommen werden, auch wenn das wegen des hohen Gehalts an Gerbstoffen (bis zu 45 Prozent) und dem adstringierend-seifigen Geschmack alles andere als ein Genuss sein dürfte. Dann doch besser mit ausgleichenden Komponenten in Müslis oder Smoothies konsumieren.
Lebens- und Verjüngungselixier
Traditionell wird Chebula in Indien meist als Abkochung der getrockneten oder frischen Früchte zu sich genommen, aber auch äußerlich als Paste aufgetragen, was die heutige Kosmetik-Industrie sich zum Vorbild genommen hat. Die Tradition reicht weit zurück bis zu Zeiten Buddhas und hat ihren Niederschlag in der berühmten indischen Heilkunst namens Ayurveda gefunden. Der legendäre Arzt Charaka sollte im Kernstück der ayurvedischen Literatur namens „Charaka Samhita“ die Hatakiri als „so nahrhaft und nützlich wie Muttermilch“ bezeichnen. Da der Frucht fünf der sechs idealen Geschmacksrichtungen zugeschrieben wurden, wurde sie als Königin der Heilpflanzen angesehen (obwohl in westlichen Ländern bislang von den ayurvedischen Heilkräutern Kurkuma oder Ghee am bekanntesten sind). Der Medizin-Buddha wurde daher stets mit Früchten oder Zweigen des Myrobalanenbaums dargestellt. Über Tibet gelangte das Wissen über Chebula auch in die Traditionelle Chinesische Medizin, in der die Heilpflanze seit dem 11. Jahrhundert ebenfalls hoch geschätzt wird. Die Frucht galt als wahres Lebens- und Verjüngungselixier. Ihr wurden Wirkungen wie abführend, blutreinigend, entgiftend, entzündungshemmend, wundheilend oder allgemein den Körper stärkend zugeschrieben. Auch wenn der Begriff Anti-Aging in der klassischen ayurvedischen Medizin natürlich noch nicht bekannt war, so wird eine Kräutermischung namens „Triphala“ doch schon seit über 1000 Jahren explizit zur allgemeinen Verjüngung neben dem Einsatz als Abführmittel und gegen Darmbeschwerden eingesetzt.
Brooke Shields und Olivia Wild
Dafür gibt es heute eine wissenschaftliche Haupterklärung. Denn Chebula besitzt extreme antioxidative Eigenschaften. In der gesamten Natur kann keine andere Pflanze, auch nicht die bis dato diesbezüglich die Spitzenposition haltende brasilianische Acai-Beere, mithalten. Was Chebula für die Hautpflege natürlich hochinteressant macht. Die große Zahl der Antioxidantien kann durch das Einfangen von freien Radikalen und sauren Molekülen der vorzeitigen Hautalterung und möglichen Skin-Unreinheiten vorbeugen sowie oxidativen Stress bekämpfen. Bei allen anderen Wirkversprechen, die von den Medien brav im Gefolge der Chebula verarbeitenden Kosmetik-Firmen nachgebetet werden, fehlen konkrete Belege. Demnach soll Chebula der Haut bis in tiefe Schichten (die undurchdringliche Hautbarriere der Epidermis wird natürlich wie auch bei Hyaluron-Anwendungen üblich geflissentlich außer Acht gelassen) Feuchtigkeit spenden, wodurch sie gestrafft und aufgepolstert werden soll. Hautirritationen sollen ebenfalls minimiert werden, das Hautbild insgesamt soll ebenmäßiger werden. Gleichmäßiger Hautton und jugendlicher Teint inbegriffen. Selbst gegen die gefürchtete Psoriasis, umgangssprachlich Schuppenflechte genannt, soll Chebula, dem wegen seiner Phenole auch eine Entzündungshemmung zugeschrieben wird, wirksam sein. Und schließlich sollen dank der Antioxidantien auch noch UV-Schäden auf der Haut ausgeglichen werden. Das Tolle beim Auftragen von Chebula-Produkten im Gesicht, egal ob Seren, Lotionen, Cremes oder Masken, soll zudem sein, dass frau sich im Unterschied zu Vitamin C, Retinol oder Säurepeelings keine Gedanken über eine etwaige schädliche Haut-Übersättigung zu machen braucht. Je mehr, desto besser laute daher das Motto, weil die Haut gar nicht genug Antioxidantien bekommen könne. Von daher mag es womöglich durchaus förderlich sein, neben der äußerlichen Applikation ganz im Sinne von Ayurveda Chebula auch im Körper selbst seine Wirkung entfalten zu lassen. Weil damit angeblich der Sauerstoffgehalt des Blutes deutlich erhöht werden kann. Was durch Verbesserung der Durchblutung auch die Versorgung der Haut mit Nährstoffen steigern kann. Hollywood-stars wie Laura Dern, Brooke Shields oder Olivia Wilde sind jedenfalls schon voll auf Chebula abgefahren. Kein Wunder, mischen sie doch auch in Werbekampagnen für True Botanicals kräftig mit.