Das Silicon Valley entlässt Tausende Mitarbeiter. Die starken Jahre durch die Pandemie sind vorbei. Was nun zählt, sind wegweisende Zukunftstechnologien – und dafür braucht es frisches Geld.
Big Tech in den USA, aber auch in anderen Teilen der Welt setzt in diesen Wochen Zehntausende Arbeitskräfte frei – als hätten sie sich abgesprochen. Kontroverses Beispiel derzeit: Twitter. Nach dem Verkauf des Kurznachrichtendienstes an den US-Multimilliardär und Tech-Tycoon Elon Musk durchlebt dieser gerade turbulente Zeiten. Die Neustrukturierung des Unternehmens und des Social-Media-Dienstes können Nutzer von Twitter gewissermaßen in Echtzeit mitverfolgen. Dazu gehören auch Entlassungen. Etwa die Hälfte der etwa 7.500 Mitarbeiter starken Belegschaft musste gehen, ebenso Teile der Geschäftsführung und Tausende externe Vertragsmitarbeiter. Gleichzeitig, so Musk, stelle Twitter jedoch wieder ein, vor allem Software-Ingenieure und Vertriebsmitarbeiter, so US-amerikanische Tech-Medien. Welche Strategie Musk mit seiner Hire-and-Fire-Politik und dem „Experimentieren“ mit der Twitter-Engine derzeit verfolgt, ist unklar. Klar ist, dass Twitter ein massives Cashflow-Problem hat, welches Musk versucht in den Griff zu bekommen. Dass gerade die Werbepartner von Twitter auf Distanz gehen und Verträge auf Eis legen, macht das Problem nur noch größer.
Aber nicht nur Twitter entlässt Angestellte. Auch Mark Zuckerberg, Chef von Meta und der Erfinder von Facebook, trennt sich von 11.000 Angestellten. Prozentual sind dies angesichts von 87.000 Mitarbeitern weniger als bei dem Kurznachrichtendienst. Dennoch ist der Schritt bemerkenswert. Zum ersten Mal in seiner 18-jährigen Geschichte entlässt Meta Mitarbeiter. Der Tech-Riese, zu dem auch Dienste wie Whatsapp und Instagram gehören, wurde angesichts einer allgemein schwierigen wirtschaftlichen Lage und der hohen Inflation von einem Rückgang bei den wichtigen Werbeeinnahmen überrascht. Zwar meldete Meta im vierten Quartal einen Rückgang von vier Prozent bei den Werbeeinnahmen im dritten Quartal 2022, aber schon in den vergangenen Quartalen kam der Konzern aus den Schlagzeilen nicht heraus, die Einnahmen sinken seit Monaten. Apples neue Datenschutzoffensive macht es den Meta-Apps schwieriger, Werbekunden und Konsumenten zusammenzubringen, und die chinesische Konkurrenz von TikTok meldet höhere Nutzerzahlen und eine längere Verweildauer bei Videos.
Und dann ist da noch Zuckerbergs Lieblingsprojekt: das Metaverse. Der virtuelle Raum, den das Unternehmen entwickelt, verschlingt Unsummen an Geld. Und dies zu einem wirtschaftlich ungünstigen Zeitpunkt. Weitere Sparmaßnahmen bei Meta könnten folgen.
Rasantes Wachstum jäh gestoppt
Auch Amazon streicht Stellen in gewaltigem Ausmaß. Der Handels- und Logistikriese will 10.000 Menschen entlassen, viele davon haben laut „Business Insider“ an Alexa gearbeitet. Die Sprachassistentin scheint intern auf kein großes Interesse mehr zu stoßen. Das Unternehmen hatte Investoren bereits vor einem schwachen Schlussquartal gewarnt und Anfang November einen Einstellungsstopp angesichts erhöhter Inflations- und Rezessionsrisiken beschlossen. Amazon steht nach einer Ausgabeoffensive in der Pandemie unter Druck, die Kosten zu senken. Die Aktie ist in diesem Jahr um über 40 Prozent gefallen.
Der Druck auf Google, Stellen zu streichen, wächst ebenfalls, melden Analysten, die Größenordnung könnte jener von Amazon ähneln. Ein Investor fordert „aggressive“ Sparmaßnahmen. HP, Snap, Microsoft, Apple, die Liste der Tech-Konzerne, die Stellen streichen wollen, ist lang. Denn ihre Börsenkurse fallen.
Die Probleme sind oft hausgemacht, hängen aber offenbar auch mit der schlechten weltwirtschaftlichen Lage zusammen. Online-Dienstleistungen lagen während der vergangenen beiden Jahre der Corona-Pandemie hoch im Kurs bei den Konsumenten, der Handel im Netz und die Kommunikation über Social Media boomte. Die Folge: die Tech-Unternehmen stellten rasch viele neue Mitarbeiter ein. Mitte 2021 sanken die Nutzerzahlen wieder dramatisch. Und damit eben auch die Konversionsrate, sprich die Rate, mit der aus Werbeempfängern Kunden eines Produktes werden, die Inflation senkt die Aussicht von Handelsplattformen wie Amazon auf mehr Konsum. Um weiterhin für Investoren trotz eines schwierigen Marktumfeldes attraktiv zu bleiben, müssen diese Unternehmen also die Zahlen aufhübschen.
Denn allen ist gemein, dass sie an kostspieligen Projekten arbeiten oder in großem Stil in ihre eigene Entwicklung investieren wollen: Allein in den USA wollte Google 2022 9,5 Milliarden Dollar ausgeben – da machen sich Verluste aus Börsensicht schlecht. Amazon hatte zu Beginn des Jahres einen Investmentfonds von einer Milliarde Dollar in Aussicht gestellt, um Innovationen in Logistik und Lieferketten zu fördern. Mark Zuckerberg hat für seine Metaverse-Besessenheit bereits 22 Milliarden Dollar ausgegeben – trotz der sinkenden Werbeeinnahmen, die ihm nun von Analystenseite vorgehalten werden. Und Apple plante schon 2018 die Rekordsumme von 450 Milliarden Dollar innerhalb von fünf Jahren zu investieren – in Künstliche Intelligenz, digitale Gesundheit, Halbleitertechnologien und virtuelle Realität.
Die US-dominierte Tech-Branche strauchelt also nicht, sie verschlankt sich auf brutale Weise, die Zukunft im Blick. Und diese besteht darin, künftig über ihr Kerngeschäft, seien es Mobilfunk oder Werbung, hinauszuwachsen. Dies zeigen die Investmentpläne von Apple, obwohl der Konzern über seine konkreten Neuentwicklungen normalerweise lange schweigt. Während die Pläne von Meta mittlerweile heiß diskutiert werden, zeigen auch sie, dass sich dort insbesondere VR-Hard- und Software in den kommenden Jahren zu einem unabhängigen Ökosystem vereinen sollen. Google-Mutter Alphabet verdient ebenfalls noch am meisten durch Werbung. Doch die Emanzipation vom Werbegeschäft bleibt zentrales Langzeitprojekt: da wäre die Life-Science-Tochter Verily, die sich mit fortgeschrittener Medizinrobotik beschäftigt, Googles KI-Forschung und mit Waymo ein System für selbstfahrende Autos.
Jener Stellenabbau ist nur ein erster Schritt in die technologische Zukunft. Weitere einschneidende Maßnahmen könnten folgen.