Die Digitalisierung gilt als großes Zukunftsthema. Bis spätestens 2025 sollen im Saarland Gigabitnetze entstehen, sagt Jürgen Barke, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie.
Herr Barke, die Digitalisierung geht derzeit aufgrund von Corona- und Energiekrise medial sprichwörtlich unter. Trotzdem: Was plant das Saarland, um den Glasfaserausbau weiter nach vorne zu bringen?
Die Bewältigung der aktuellen Herausforderungen steht derzeit mit Recht im Fokus der Politik. Dennoch hat die Landesregierung auch die Themen der Zukunft im Blick: Wir haben Anfang des Jahres eine landeseigene Gigabitstrategie verabschiedet, die wir nun konsequent umsetzen. Dabei setzen wir ganz bewusst zunächst auf den Eigenausbau der Netzbetreiber und unterstützen ihn auf ganzer Linie. Gemeinsam mit dem Markt und den Kommunen haben wir uns ein klares Ziel gesetzt, das wir mit vereinten Kräften erreichen wollen: In Ortsteilen mit hinreichend hoher Nachfrage der Bürgerinnen und Bürger sollen bis spätestens 2025 Gigabitnetze entstehen. Wo der Markt den Ausbau nicht aus eigener Kraft stemmen kann, werden wir ab dem kommenden Jahr zielgerichtet mit Fördermitteln unterstützen. Hierfür hat das Land 100 Millionen Euro bereitgestellt.
Wie groß ist das Interesse in der Bevölkerung an dem Ausbau der Glasfaserleitungen? In einigen Landesteilen ist es ja eher überschaubar.
In diesen Tagen stehen Bürgerinnen und Bürger, aber auch viele Unternehmen vor großen Herausforderungen. Umso erfreulicher ist es, dass sich die Nachfrage nach Glasfaserprodukten im Saarland nach wie vor auf hohem Niveau hält, weil die Menschen vom Potenzial dieser Zukunftstechnologie überzeugt sind. Nicht zuletzt kurbeln auch die Netzbetreiber mit attraktiven Angeboten die Nachfrage an. Natürlich gibt es auch Ausbauvorhaben, die aus Mangel an interessierter Kundschaft vorerst zurückgestellt werden. Insgesamt können wir aber mit den jüngsten Erfolgen außerordentlich zufrieden sein: Schon heute haben fast alle Ortsteile im Saarland eine konkrete Gigabit-Ausbauperspektive, meistens mit echten Glasfasernetzen. Das zeigt unser landeseigener Gigabit-Atlas, in dem wir regelmäßig die Ausbaufortschritte und die weiteren Planungen veröffentlichen.
Was ist Stand der Dinge beim 5G-Ausbau?
Nur drei Jahre nach dem Start des 5G-Flächenausbaus können die Netzbetreiber bereits eine beachtliche Bilanz vorweisen: Je nach Anbieter sind heute schon über 90 Prozent der saarländischen Bevölkerung mit 5G am Wohnort versorgt. Wichtig ist aber auch der Ausbau in der Fläche, denn das Netz wird ja vor allem unterwegs genutzt. Nach Angaben der Bundesnetzagentur sind aktuell rund zwei Drittel unserer Landesfläche mit 5G abgedeckt. Damit liegen wir über dem Bundesschnitt. Der Ausbau läuft noch immer auf Hochtouren, im Wochentakt wird die Versorgungssituation weiter verbessert. Trotz der anhaltend hohen Ausbaudynamik können aber noch nicht alle das neue 5G-Netz nutzen. Denn neben der Netzabdeckung sind auch kompatible Endgeräte und geeignete Tarife notwendig.
Warum verläuft die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung immer noch so schleppend?
Wir arbeiten intensiv daran, unser Angebot digitaler Serviceleistungen für die Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen zu erweitern, aber auch die verwaltungsinternen Arbeitsabläufe schneller, einfacher und nutzerfreundlicher zu gestalten. Auch wenn dabei schon viel geschafft wurde, so besteht noch großes Aufholpotenzial bei den Verwaltungsdienstleistungen, die das Onlinezugangsgesetz vorgesehen hat. Um den Prozess der Digitalisierung weiter zu beschleunigen, haben wir unter anderem im Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie die verfügbaren Kräfte zentral gebündelt, sodass Synergien gehoben und Abstimmaufwände reduziert werden können. Außerdem wurden zusätzliche Haushaltsmittel in erheblicher Größenordnung auf den Weg gebracht, um die Digitalisierung von Land und Kommunen weiter voranzutreiben. Diese und weitere Maßnahmen werden ihre Wirkung entfalten.
Welche Schwerpunkte setzen Sie bei diesem Thema in der Regierung?
Die Landesregierung legt zur Bewältigung des Strukturwandels einen ganz deutlichen Schwerpunkt auf die Bereiche Innovation und Digitales, die auch im Namen meines Ministeriums festgeschrieben wurden. Wir wollen und werden die Chancen der Digitalisierung nutzen, um den Wirtschaftsstandort Saarland zu stärken und neue Wertschöpfungspotenziale zu erschließen. Daher unterstützen wir saarländische Unternehmen und Institutionen sowie deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowohl finanziell als auch mit Know-how. Wir treiben die Vernetzung von Wirtschaft und Forschung in Innovationsnetzwerken voran und arbeiten eng mit einer Vielzahl von Akteuren im digitalen Ökosystem Saarland und der Großregion zusammen. Die saarländische Expertise etwa bei Künstlicher Intelligenz oder Cybersicherheit ist bereits weltweit renommiert. Diese Kompetenzen wollen wir weiter nutzen und noch stärker mit Wirtschaft und Industrie in unserem Land verknüpfen.
Investitionen werden in der Wirtschaft derzeit wegen Planungsunsicherheit zurückgestellt. Dabei braucht die Wirtschaft die Digitalisierung mehr denn je. Welche Maßnahmen sind erforderlich, damit durch mangelnde Digitalisierung keine Wettbewerbsnachteile entstehen?
Es ist zuerst einmal nachvollziehbar, wenn Unternehmen angesichts der Rezessionsprognosen zurückhaltend agieren. Ich sehe das aber so: Digitalisierung ist eine Ermöglichungstechnologie – auch für eine grüne und nachhaltige Transformation. Um die digitale Transformation der Saar-Wirtschaft spürbar voranzubringen, werden im Saarland die relevanten Akteure im Bereich Know-how-Transfer und Netzwerkbildung stärker zusammengebunden. So verbinden sich das Mittelstand Digital Zentrum und das Kompetenzzentrum Power4Production des Zema und DFKI mit dem Innovationsnetzwerk East Side Fab; das Ganze in dem von Land und EU-Kommission geförderten European Digital Innovation Hub, dem IDIH-Saarland (Industrial Service Digitalisation and Artificial Intelligence Hub Saarland), um die digitale Innovationsdynamik spürbar zu befördern. Aber auch kleinteilige Förderungen der Digitalisierung werden wir weiterentwickeln: Auf Basis einer derzeit laufenden Evaluierung werden wir das KMU-Förderprogramm Digital Starter Saarland überarbeiten und ab Mitte 2023 mit einer zweiten Förderphase lancieren.
Es gibt eine gute Forschungslandschaft rund um die Uni im IT-Bereich. Was muss das Saarland tun, damit die hochqualifizierten Leute nach ihrer Ausbildung hier bleiben?
Das Saarland ist im Bereich Cyber-Security, Künstliche Intelligenz und Informatik ein Magnet und attraktives Ziel für junge und hochtalentierte Köpfe aus der ganzen Welt. Allein das Cispa ist in wenigen Jahren auf mehr als 400 Mitarbeitende angewachsen, die aus zahlreichen Ländern ins Saarland kommen. Zwischen 2016 und 2021 ist der Anteil der Beschäftigten im Saarland im Bereich Informationstechnologie um 39 Prozent gestiegen, im deutschlandweiten Vergleich ist das der drittbeste Wert.
Unsere international renommierten Forschungseinrichtungen leisten hervorragende Arbeit. Und in den vergangenen Jahren haben sich viele neue saarländische Start-ups im Bereich IT und Software gegründet, zum Beispiel K Lens, Testfabrik und Innovation. Das zeigt uns: Wir sind auf einem guten Weg. Aber darauf ruhen wir uns nicht aus.
Die saarländische Landesregierung verfolgt mit der Innovationsstrategie das Ziel, die Wachstumspotenziale im IT-Bereich voll auszuschöpfen. Wir unterstützen sowohl Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit zahlreichen Förderprogrammen im Bereich Forschung und Entwicklung als auch Unternehmen und junge Start-ups. Wir bringen neue Projekte bei unseren Technologietransferstellen auf den Weg, um den Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu intensivieren und ein attraktives Umfeld für erfolgreiche Ausgründungen und Kooperationen im IT-Bereich zu schaffen. Wir sind überzeugt: Die Arbeitsplätze der Zukunft entstehen hier im Saarland.
Cyber-Sicherheit wird immer wichtiger. Wie kommen die erhofften Start-ups rund um das Cispa voran?
Ja, Cybersicherheit wird immer wichtiger. Und weil das Cispa und die gesamte Saar-Informatik zu den Besten der Welt auf diesem Gebiet gehören, kommen große und weltweit agierende Unternehmen wie Airbus zu uns ins Saarland, um an einer sicheren und vertrauenswürdigen Technik der Zukunft zu forschen. Neben dieser exklusiven Partnerschaft hat das Cispa aber auch schon einige Ausgründungen hervorgebracht und durch seinen eigens aufgesetzten Cispa Venture Capital Fonds über 50 Millionen Euro die Finanzierung von vielen zukünftigen Cispa-Start-ups gesichert. Das dadurch aktuell entstehende Innovationssystem ist immens.
Gibt es im Bereich der Digitalisierung grenzüberschreitende Kooperationen mit Frankreich und Luxemburg und wenn ja, wie sehen die aus?
Digitalisierung und digitale Innovation macht an Ländergrenzen nicht halt, das sieht man am trinationalen digitalen Testfeld Autobahn, wo die EU-Kommission europaweit ein besonderes Augenmerk auf grenzüberschreitende 5G-Innovationen in Saar-Lor-Lux legt. Mit Blick auf die Digitalisierungsentwicklung der Unternehmen wird sich das bereits genannte IDIH-Saarland vernetzen und dabei einen besonderen Schwerpunkt auf Frankreich und Luxemburg legen. Ein erstes konkretes Beispiel dieser Kooperation kann man im Bereich Cybersicherheit verfolgen, wo die Cybersicherheitsnetzwerke cybr360.saarland und securitymadein.lu zunehmend enger zusammenarbeiten und grenzüberschreitende Angebote entwickeln.