Elon Musks Traum einer Super-App soll sich nach der holprigen Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter nun erfüllen. Noch immer kämpft das Unternehmen ums finanzielle Überleben.
Nach und nach tauchte in den vergangenen Wochen ein weißes X auf schwarzem Grund auf vielen Smartphones auf – an jener Stelle, wo zuvor der weißblaue Zwitschervogel von Twitter nistete. Elon Musks Radikalumbau des Kurznachrichtendienstes geht weiter. Sein Traum ist der von einer Super-App, die Nachrichten, Bezahldienste und vieles mehr miteinander verbindet – kurz, alle digitalen Bedürfnisse des Menschen befriedigt. Vorbild ist die chinesische App WeChat, mit der man Nachrichten verschicken, telefonieren, Rechnungen zahlen und sich ausweisen kann.
Derzeit aber hindern ganz profane Probleme den Aufbau der Super-App. Auf Twitter lasten nach dem Aufkauf rund zwölf Milliarden Dollar Schulden. Die Werbeeinnahmen sind um die Hälfte eingebrochen. Ändern soll dies Linda Yaccarino, die neue Geschäftsführerin der X Corp. Zuvor hatte die ehemalige Medienmanagerin das Anzeigengeschäft des Senders NBC Universal verwaltet. Ihr Job ist schwierig, soll sie doch gleichzeitig Werbekunden bei Laune halten und die unvorhersehbaren Äußerungen ihres spontanen Chefs wieder einfangen, der sich weiterhin als Produkt-Innovator und PR-Beauftragter sieht. Dann sind da noch die Konkurrenten. Mit Threads startet etwa Marc Zuckerbergs Meta einen neuen Kurznachrichtendienst, der Twitter auffallend ähnelt – bis hin zu den Verifikations-Häkchen, die bei Twitter mittlerweile vor allem bezahlte Accounts kennzeichnen.
Prozesse und Schulden
Aktuell zieht Twitter vor Gericht gegen kritische Online-Forscher, die Hassrede und Falschinformationen im Netz aufdecken. Die X Corp. wirft der Organisation CCDH in der Klage vor, sie habe widerrechtlich auf Daten des Kurznachrichtendienstes zugegriffen. X sei durch die Berichte der Forschenden Schaden entstanden, weil Werbekunden abgesprungen seien. Die Anwältin des Zentrums nannte dies „lächerlich“ und warf der Firma vor, Kritiker einschüchtern zu wollen. Sie verwies darauf, dass einige der angeprangerten Tweets eindeutig rassistisch, antisemitisch und homophob gewesen seien und damit gegen die Regeln von Twitter verstießen. Dort habe man jedoch nichts unternehmen wollen, weil die User ihren Account bezahlt hätten. In der Klage behauptete X nun, das CCDH wolle nicht Hassrede bekämpfen, sondern aus Onlinemedien Ansichten verbannen, mit denen es nicht einverstanden sei. Musk selbst hatte Corona-Risiken heruntergespielt und Impfskeptikern eine Plattform gegeben, vor allem Rechtsextreme feiern ihn wegen seines „Free-Speech“-Ansatzes.
Viel lieber verbreitet Musk jedoch Meldungen über immer neue Höchststände bei den Nutzerzahlen. Unabhängig überprüfen lassen sich die Zahlen nicht: Twitter ist nicht mehr börsennotiert und muss demzufolge keine Auskunft mehr darüber geben.