Deutschland sollte 2023 Stärke zeigen: militärisch und wirtschaftlich
Niemand weiß, wie lange der Krieg in der Ukraine noch dauert. Umso wichtiger ist es, sich zu Beginn des noch jungen Jahres ein klares Bild zu machen. Deutschland braucht einen ungeschminkten Blick auf die Wirklichkeit. Und es braucht Stärke – politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich und militärisch.
Falsch wäre es, sich Wunschdenken und Schönfärberei hinzugeben. Friedensinitiativen wie die vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich fallen in diese Kategorie. Seine Forderung, Verhandlungsangebote an Kremlchef Wladimir Putin zu machen, sind von einem romantisierten Russland-Bild unterlegt, dem Teile der Sozialdemokratie noch anhängen.
Der Unterschied: Die Sowjetführer waren im Kalten Krieg berechenbar und achteten die Grenzen in Europa. Putin hat hingegen seit Beginn seiner Amtszeit einen Fußabdruck der Gewalt hinterlassen. Auf die Kriege in Tschetschenien und Georgien folgten die Krim-Annexion, die Aufrüstung der Separatisten im Donbass, die Militär-Intervention in Syrien und zuletzt der Einmarsch in der Ukraine.
Der Präsident hat sich zum Ziel gesetzt, die Ukraine als unabhängigen, pro-westlichen Staat auszulöschen und Russland einzuverleiben. Er wähnt sich auf einer großen historischen Mission, hinter der neoimperiale und nationalistische Motive stecken. Doch der Krieg in der Ukraine ist mehr als ein regionaler Konflikt.
Das Land im Osten Europas verteidigt derzeit Demokratie und Freiheit gegenüber einem brutalen Aggressor, der auch die Zivilbevölkerung voll ins Visier nimmt. Kommt Putin damit durch, erhalten seine imperialen Ambitionen neue Nahrung. Und er bietet allen Autokraten dieser Welt die Blaupause für eine Annexionspolitik nach Gusto. Das „Gesetz des Dschungels“ würde triumphieren, das Völkerrecht wäre am Ende.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat dies in seiner „Zeitenwende“-Rede am 27. Februar 2022 klug analysiert. Aber er ist den Weg nicht konsequent zu Ende gegangen. Das Sondervermögen der Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro nimmt nur langsam Formen an. Das Heer leidet unter einem blamablen Munitionsmangel. Die Beschaffung neuer Waffen ist umständlich und ineffizient. Der jüngste Totalausfall der hochmodernen Puma-Panzer sorgte international für Gespött und ließ die deutschen Streitkräfte wieder einmal als Pleiten-Pech- und Pannenverein dastehen.
Hinzu kommt, dass Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) in diesen ernsten Zeiten nicht den Ruf einer seriösen Sachwalterin der Truppe genießt. Ihr verunglücktes Silvestervideo, in der sie vor krachenden Böllern über den „Krieg mitten in Europa“ spricht, unterstreicht einmal mehr ihr fehlendes Feingefühl. Professionelle und glaubwürdige Kommunikation sieht anders aus.
Scholz muss immerhin zugutegehalten werden, dass er sich nach einer Phase der Zögerlichkeit zur Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine durchgerungen hat. Die Verschickung hoch technisierter Luftabwehrsysteme wie Iris-T war richtig und hat der Ukraine bei der Verteidigung geholfen. Der Kanzler muss aber noch einen Schritt weiter gehen: Die direkte Entsendung von Leopard-Kampfpanzern würde das Land, dessen Existenz auf dem Spiel steht, besser gegen den russischen Raketen- und Drohnenhagel schützen. Dies sollte allerdings nicht im deutschen Alleingang geschehen – hier hat Scholz recht –, sondern im Verbund mit den Nato-Partnern. Deutschland muss mehr Härte wagen.
In Bezug auf die Wirtschaft hat die Bundesregierung bereits einen bemerkenswerten Schwenk zu mehr Robustheit hingelegt. Nach der fatalen Energieabhängigkeit von Moskau setzt sie nun auf Diversifizierung. Viele Unternehmen begreifen den Russland-Schock als Weckruf und fahren ihr China-Engagement zurück. Mit dem Ziel, das Risiko zu minimieren und das Geschäft auf mehreren Schultern zu verteilen.
Militärische Stärke ist kein Selbstzweck. Sie sendet ein Stopp-Signal an Aggressoren. Und erst durch sie eröffnen sich wirkliche Spielräume für Gespräche und Verhandlungen. SPD-Fraktionschef Mützenich irrt, wenn er meint, Putin nur durch gutes Zureden zu einem Waffenstillstand bewegen zu können. Es gilt der alte Satz des früheren US-Präsidenten Theodore Roosevelt: „Speak softly and carry a big stick“ – „sprich sanft und trage einen großen Knüppel.”