Die Statistik ist eindeutig: Saarlands Bevölkerungszahl schrumpft. Unternehmer aber haben Ideen, wie sie dem entgegenwirken wollen. Hans-Jürgen Vetter vom Gewerbepark Bliesen ist von seinem Wohnkonzept „Future Living" und dem geplanten Manager-Rückzugsort „Silence Park One" überzeugt.
Wenn der Supermarkt nicht in die Fläche kommt, dann kommt der Internethandel zum Kunden. Was im Non-Food-Bereich funktioniert, stößt bei frischen Lebensmitteln wegen der Einhaltung der Kühlkette allerdings an seine natürlichen Grenzen. Mit Future Living werde sich das ändern, zeigt sich Hans-Jürgen Vetter überzeugt. Er will dem Problem der Versorgungssicherheit auf dem Land mit frischer Ware ein Schnippchen schlagen. Und dies ist nur ein Teil seiner Ideen: Vetter ist Chefinitiator eines innovativen Konzepts, das Arbeiten und Wohnen auf dem Land unter einem Dach zusammenführt – nach hohen Standards mit viel Komfort und vor allem nachhaltig. Gehetztes Einkaufen nach der Arbeit, zeitraubendes Autofahren und deswegen kaum Zeit für die Familie? Dies könnte der Vergangenheit angehören oder zumindest deutlich eingeschränkt werden.
Im beschaulichen Winterbach, einem Stadtteil von St. Wendel, entsteht Vetters Wohnpark der Zukunft mit zwölf Wohnungen. „Die Baugenehmigung liegt vor, die Finanzierung ist gesichert, der Vertrieb soll im Herbst starten, und läuft alles planmäßig, steht der Rohbau schon Ende des Jahres", so der Investor. Junge Berufstätige mit und ohne Familie sowie mit weiten Anfahrtswegen zur Arbeit finden in Future Living ein zukunftsorientiertes Wohnprojekt. Kern des Wohnparks ist die autarke Versorgung. Dazu gehört ein Kiosk mit typischem Sortiment wie Zeitungen und Zeitschriften, Bankautomat sowie einer angeschlossenen Internet-Café-Lounge mit Co-Working-Spaces für die Bewohner. Hinzu kommt ein separater und rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche funktionierender Vending-Store, eine Art Verkaufsautomaten-Supermarkt. Rund 150 verschiedene Produkte wie frische und trockene Lebensmittel, Hygiene- und Drogerieartikel sowie Getränke sollen über Verkaufsautomaten zur Verfügung stehen.
Im Untergeschoss des Gebäudes ist zudem ein Serviceraum geplant mit einem ausgeklügelten Versorgungssystem. Zu jeder Wohnung gehört eine privat gesicherte dreigeteilte Box für Online-Bestellungen, und zwar mit einem Kühl- und Gefrierfach, einem Fach für Anlieferungen und einem für Retourenservice. Vorgesehen ist, dass Interessenten aus der Nachbarschaft diese Boxen bei Bedarf mieten können.
Der Kioskbetreiber übernimmt die Café-Lounge und wacht über den Vending-Store. „Regionale Lieferanten können dort genauso ihre Produkte anbieten wie auch deutschlandweit agierende Händler", sagt Vetter. „Zurzeit führen wir intensive Gespräche mit mehreren Anbietern. Andere Dorfbewohner können den Kiosk und den Store ebenso nutzen, ein wichtiger Beitrag, den dörflichen Ortskernen wieder mehr Leben einzuhauchen."
Nachhaltig, smart, ressourcenschonend
Den geplanten Wohnungen fehlt es komfortmäßig an nichts. Glasfaseranschluss, digitale Vernetzung, innovative Wärme- und Kälteversorgung über Wärmepumpen mit Erdsonde, Photovoltaikanlage zur Stromversorgung, Batteriespeicher, komplette Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge für jede Wohneinheit, zusätzliche Ladestationen für Dritte, Smarthome-Technologien, dazu hohe Planungssicherheit durch eine Flatrate für die Heizung über 15 Jahre – ein Novum in Deutschland –, das höchste der Gefühle mit dem Standard KfW40+, dem zukünftigen Lebensstil sind kaum Grenzen gesetzt. Future Living sei als Pilotprojekt einzigartig und wecke auch andernorts Interesse. „Wir werden dieses Wohnprojekt dem Bauministerium in Berlin vorstellen und hoffen auf einen hohen Multiplikatoreffekt", so Vetter weiter. Schließlich ist „Future Living" ein wichtiger Beitrag zur Revitalisierung ländlicher Bereiche, von denen letztendlich die Kommunen profitieren. Und auch die lokale Wirtschaft soll nach dem Willen Vetters profitieren. „Wenn möglich, bekommen regionale Unternehmen, Erzeuger oder Dienstleister den Zuschlag." Interessenten gibt es bereits für die innovative und nachhaltige Form des Wohnens. Sobald die Hälfte der Wohnungen, wie üblich im Bauträgergeschäft, verkauft ist, geht es los.
Startklar ist auch ein ganz anderes Zukunftsprojekt: Der Silence Park One in der Gemeinde Nohfelden. Dabei handelt es sich um ein Incentive speziell für Manager. Denn immer mehr Unternehmen wissen um die Wichtigkeit ihrer Mitarbeiter gerade in stressigen Zeiten mit hoher Belastung durch ständige Erreichbarkeit. Konsum rund um die Uhr, uneingeschränkte Informationsmöglichkeiten, Gefährdung durch Suchtverhalten und Internetabhängigkeiten tun ihr Übriges. Lange Ausfallzeiten des Führungspersonals können durchaus Arbeitsabläufe und sogar Unternehmensstrukturen gefährden. Prävention sorge für Abhilfe. Außerdem sei ein bezahlter Aufenthalt im Silence Park eine Wertschätzung des Unternehmens gegenüber ihren Mitarbeitern, zeigt sich Hans-Jürgen Vetter optimistisch. Recherchen hätten ergeben, dass Krankenkassen und Personalabteilungen an einem derartigen Projekt interessiert seien.
Rund vier Jahre sind bis zum Start von Silence Park One ins Land gegangen, bis ein rechtsgültiger Bebauungsplan vorlag. Von der Umnutzung eines Wochenendhaus-Geländes über tierökologische Untersuchungen bis hin zur Ausweisung von Ausgleichsflächen – obwohl Silence Park One schon im Vorfeld enorm viel Zeit und einen hohen sechsstelligen Betrag gekostet hat: Der Mut, ein zukunftsweisendes Projekt auf den Weg zu bringen, hat Vetter nie verlassen. Im Ortsteil Eiweiler sollen nun auf einem 4,5 Hektar großen Gelände 44 Häuser in Naturbauweise und eine Zentrale entstehen. Dieses in Deutschland bisher einzigartige Projekt hat auch die hiesige Politik auf den Plan gerufen: Strukturholding Saar und Europaministerium zeigen großes Interesse, zumal der in totaler Ruhe und Abgeschiedenheit gelegene Silence Park One im Umkreis von 200 Kilometern strategisch günstig liegt. Die Erschließung des Geländes soll noch dieses Jahr starten. Vetters Vision ist ein Franchising-Konzept für viele weitere Parks in ganz Europa. Es gäbe zwar einen Plan B im Falle eines Scheiterns des Projekts, aber daran glaube er nicht. Sollten die geplanten rund 15 Millionen Euro Investitionskosten tatsächlich nicht zum gewünschten Ziel führen, dann würde der Park in ein Tourismusprojekt umgewidmet. Der Landkreis St. Wendel sei diesbezüglich vorbildlich aufgestellt. „Das wird aber nicht passieren, denn der Silence Park ist ein vorprogrammiertes Erfolgskonzept", ist Vetter überzeugt. Der Park könnte eine Jobmaschine für die ländliche Region werden, denn alle Dienstleistungen wie Coaching oder Trainings sowie die Services wie Catering oder Reinigung werden an externe Unternehmen vergeben, am besten aus der Region. Dieses Konzept soll die Qualität der Dienstleistungen für die Gäste sicherstellen. „Wir stellen die Hardware, die externen Dienstleister die Software" – so die Idee. Für das Management in der Zentrale reicht eine Handvoll Leute aus. Wer will, kann sogar nur die Unterkunft mieten, alle anderen Leistungen sind individuell wähl- und buchbar. Lediglich Handy, Smartphone und Co sowie das Auto sind am Empfang abzugeben.
Wie bei „Future Living" steht auch hierbei Nachhaltigkeit hoch im Kurs. CO2-neutrale Energieversorgung, innovative Techniken, ressourcenschonende Materialien, ökologische Hybridholzbauweise kommen zum Einsatz. Bis Ende 2022 soll der Park fertiggestellt sein. Von der Umsetzung dürften wiederum die Firmen aus der Region profitieren. Schließlich ist Hans-Jürgen Vetter seit rund 20 Jahren Chef des Gewerbeparks Bliesen. Rund 60 Unternehmen vor allem aus der Bau- und Logistikbranche mit insgesamt rund 200 Arbeitsplätzen sind dort ansässig. Im Land der kurzen Wege dürften viele Firmen schon aus Synergiegründen zum Zuge kommen.